Demokraten stärken

Die Lage in Syrien ist gefährlich und komplex. Eine Studie erklärt, wie westliche Länder dennoch den demokratischen Widerstand im Land unterstützen können. Von Dagmar Wolf

Von Dagmar Wolf

Der Konflikt in Syrien ist keine islamistische Revolution, sondern ein Aufstand des Volkes, der in erster Linie durch islamistische Quellen finanziert wird, so die Autoren der Arab Reform Initiative (ARI). Dieser Zusammenschluss von wissenschaftlichen Instituten aus der arabischen Welt, Europa und den USA will Forschungskapazitäten fördern und nutzen, um demokratische Reformen in Nordafrika und dem Nahen Osten voranzutreiben.

In der im September erschienenen ARI-Studie "Empowering the democratic resistance in Syria" heißt es, dass die Abhängigkeit der Rebellen von ihren Finanzierungsquellen die Dynamik des bewaffneten Konflikts verändert. Er werde mehr und mehr zu einem Stellvertreterkrieg. Die westliche Welt müsse handeln, um das Ruder zugunsten eines demokratischen Ausgangs herumzureißen, fordern die Autoren.

Die Studie untersucht die Umstände und Hintergründe, die den bewaffneten Widerstand in Syrien geformt haben und begutachtet die verschiedenen Oppositionsgruppen. Dabei werden zwei Hauptströmungen ausgemacht: Islamistische Gruppen und solche, die Demokratie und Pluralismus anstreben. Erstere würden von verschiedenen islamistische Quellen finanziert – sowohl von Privatleuten, als auch von Regierungen der Golfstaaten. Pro-demokratische Gruppen hingegen erhielten oft keinerlei Unterstützung und hingen von der Logistik der islamistischen Brigaden ab, die zunehmend die Führungsrolle im Kampf gegen das Regime übernehmen.

Entfachter Dreieckskrieg

Rebellenkämpfer in Aleppo; Foto: Javier Manzano/AFP/Getty Images
Jeder gegen jeden: Die Strategie des Assad-Regimes, das soziale Gefüge des Landes zu spalten, indem es das Gespenst des sunnitisch-fundamentalistischen Wahabismus heraufbeschwört und die Opposition pauschal als Terroristen bezeichnet, hat den Volksaufstand zunehmend in einen sektiererischen Konflikt verwandelt, bei dem Sunniten, Schiiten und andere Glaubensgemeinschaften gegeneinander kämpfen.

Das Motto, dem Regime als geschlossene Einheit entgegenzutreten, galt lange als unabdingbar für den Erfolg der Opposition, hat sich aber der Studie zufolge als kontraproduktiv erwiesen. Es habe dem Image der Revolution erheblich geschadet. Seitdem extremistische Gruppen in immer mehr Gebieten die Oberhand gewinnen, sei ein Kampf innerhalb der Opposition zwischen Demokraten und Dschihadisten entbrannt.

Das Ergebnis sei de facto ein Dreieckskrieg. Die Bevölkerung sei von den Fundamentalisten eingeschüchtert. Die Strategie des Assad-Regimes, das soziale Gefüge des Landes zu spalten, indem es das Gespenst des sunnitisch-fundamentalistischen Wahabismus heraufbeschwört und die Opposition pauschal als Terroristen bezeichnet, hat den Volksaufstand zunehmend in einen sektiererischen Konflikt verwandelt, bei dem Sunniten, Schiiten und andere Glaubensgemeinschaften gegeneinander kämpfen.

Die ARI-Publikation warnt, dass Unterstützung selbst für moderat-islamistische Gruppen bedeute, dem Regime in die Hände zu spielen. Westliche Staaten sollten hingegen jene Gruppen stärken, die für Demokratie eintreten. So könnten sie die Spaltungsstrategie durchkreuzen.

Schlaglicht auf die demokratischen Organisationen

Basierend auf Feldstudien identifiziert die Studie Widerstandsgruppen, die sich nach wie vor zu den ursprünglichen Forderungen des zunächst friedlichen Aufstands für ein freies, demokratisches und pluralistisches Syrien bekennen. Die Autoren beschreiben den jeweiligen lokalen Kontext, der die einzelnen Widerstandsgruppen geformt hat, und analysieren deren Schlüsselmerkmale, Fähigkeiten und Stärken sowie die Spannungen zwischen ihnen.

Die ARI-Studie schlägt einen Leitfaden vor, um die Demokraten zu stärken. Internationale und arabische Medien sollten ihnen demnach mehr Aufmerksamkeit schenken. Es sei wichtig, zivile Institutionen wie Justiz und Verwaltung in Syrien zu stärken. Zudem bräuchten die Pro-Demokratie-Gruppen Nahrung, medizinische Versorgung und militärische Unterstützung. Dann könnten sie die Islamisten zurückdrängen.

Die Studie endet mit einer Liste demokratischer und autonomer Gruppen innerhalb der Freien Syrischen Armee (FSA). Sie benennt deren Führer, die geschätzte Zahl der bewaffneten Kämpfer und zeigt ihr jeweiliges Einsatzgebiet auf. Einige Namen und Gruppen fehlen, wie die Autoren einräumen. Manche könnten aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden, andere müssten noch identifiziert werden. Die Studie sei als "Work in Progress" zu sehen und soll regelmäßig aktualisiert werden.

Dagmar Wolf

© Zeitschrift Entwicklung & Zusammenarbeit 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de