Auch der Westen muss sich bewegen

Im Westen werden die jüngsten Avancen des iranischen Präsidenten im Atomstreit mit großem Interesse verfolgt. Doch herrscht die Haltung vor, nun müsse der Iran auf Worte Taten folgen lassen. Für den Erfolg der Verhandlungen ist es aber notwendig, dass auch der Westen Entgegenkommen signalisiert, meint Ulrich von Schwerin.

Von Ulrich von Schwerin

Normalerweise ist im Rahmen staatlicher Beziehungen eine Zusammenkunft von Außenministern oder ein Telefonat zwischen Präsidenten ein recht gewöhnlicher Vorgang. Doch zwischen den USA und dem Iran, die seit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 jeglichen Kontakt scheuen, war das Telefongespräch Rohanis mit US-Präsident Barack Obama ein geradezu revolutionärer Schritt.

Als Abschluss einer Woche, in der beide Seiten in einer ganzen Reihe von Interviews und Reden ihre Bereitschaft zur Annäherung betonten, stärkt das Gespräch die Hoffnung auf einen Durchbruch im verfahrenen Atomstreit.

Doch so groß die Hoffnungen auf eine Einigung auch sein mögen, so real bleibt doch die Gefahr des politischen Scheiterns. Und dies nicht nur, weil weiter offen ist, wie weit Rohani wirklich zu nötigen Kompromissen bereit und wie stabil seine Machtstellung im Iran ist. Sondern auch, weil im Westen weiter die problematische Haltung vorherrscht, nun müssten den vielversprechenden Worten auch Taten folgen, bevor man selbst zu Konzessionen bereit ist.

Telefonat Obamas mit Rohani; Foto: rtr
Historische Chance für eine Einigung im Atomstreit? Nach dem ersten direkten Gespräch zwischen den Präsidenten des Irans und der USA richten sich die Hoffnungen auf die geplanten Atomgespräche Mitte Oktober. Irans Präsident Hassan Ruhani hattte erklärt, die aktuelle Gelegenheit müsse für eine Lösung des Konflikts genutzt werden. Das Außenministerium in Teheran äußerte die Bereitschaft, über das Ausmaß der Urananreicherung zu verhandeln.

Diese Position ist jedoch nicht nur taktisch unklug, sondern auch ungerechtfertigt, wenn man sich den historischen Verlauf der Atomverhandlungen mit dem Iran vor Augen hält.

Perlen für Peanuts

Taktisch ist sie unklug, da der Iran sich nur bewegen wird, wenn er eine konkrete und sofortige Gegenleistung erhält. Schon 2003 war diese Binsenweisheit diplomatischer Verhandlungen missachtet worden, als die Europäer im Gegenzug für die Aussetzung der Urananreicherung und die Zulassung unangekündigter Kontrollen nur vage Versprechen gaben. Rohani, früher selbst Atom-Chefunterhändler, wurde daraufhin im Iran vorgeworfen, Perlen für Peanuts gegeben zu haben. Nochmal wird er diesen Fehler daher wohl nicht machen.

Historisch verkehrt ist diese Haltung auch insofern, da sie impliziert, dass bisher eine Einigung allein am Iran gescheitert sei. Doch daran ist der Westen durchaus mitverantwortlich, da er aufgrund ideologischer Vorbehalte und überzogener Forderungen wiederholt Lösungschancen leichtfertig verspielt hat.

Auch nach dem Amtsantritt des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad im August 2005, der zum Rücktritt Rohanis als Atomunterhändler und zur Wiederaufnahme der Urananreicherung führte, machte Teheran mehrfach Avancen, um eine Lösung des Konflikts zu erreichen.

Unter anderem bot der Iran im Februar 2010 an, Uran nur bis zu einem Grad von fünf Prozent anzureichern, wenn es im Gegenzug Brennstäbe für den Forschungsreaktor in Teheran erhielt. Im Mai 2010 schloss der Iran eine Vereinbarung mit Brasilien und der Türkei, welche die Ausfuhr des niedrig angereicherten Urans im Austausch für Brennstäbe vorsah.

Grundsätzliche Blockadehaltung

Auch später, als der Iran bereits in der Lage war, Uran bis zu 20 Prozent anzureichern, bot er noch die Begrenzung der Anreicherung im Tausch für Brennstäbe an. Doch alle diese Vorschläge wurden vom Westen vom Tisch gewischt.

Atomverhandlungen mit dem Iran im Jahr 2005: Hassan Rohani (r.) gemeinsam mit dem früheren deutschen Außenminister Joschka Fischer, Großbritanniens Außenminister Jack Straw, dem französischen Außenminister Michel Barnier und dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana; Foto: dpa/picture-alliance
Dialogbereitschaft gegenüber dem Westen: Als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats führte Hassan Rohani in den Jahren 2003 bis 2005 die Atomverhandlungen mit dem Westen. Damals willigte er in die Aussetzung der Urananreicherung ein und stimmte unangekündigten Inspektionen zu.

Zweifellos bot keiner der Vorschläge eine umfassende Lösung und zweifellos gab es auch Anlass zum Misstrauen angesichts der Weigerung Teherans, uneingeschränkt mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu kooperieren. Vor allem aber lehnten die westlichen Staaten – allen voran die USA - die Vorschläge ab, weil sie nicht ihrer Forderung nach einem vollständigen Verzicht auf Urananreicherung nachkamen. Damit will der Westen sicherstellen, dass der Iran gar nicht erst über die Technik verfügt, um waffenfähiges Uran herzustellen.

Der Iran verweist aber zu Recht darauf, dass er gemäß Atomwaffensperrvertrag Brennstoff für seine Reaktoren herstellen darf. Für die Regierung in Teheran ist die Beherrschung des kompletten Brennstoffkreislaufs inzwischen eine Frage der nationalen Ehre. Und in diesem Punkt wird Rohani auch nicht einlenken.

Anstatt weiter auf die Aufgabe der Urananreicherung zu bestehen, sollte der Westen eher darauf drängen, dass der Iran endlich die bestehenden Zweifel am friedlichen Charakter des Atomprogramms ausräumt. Hier hat der Iran zweifellos eine Bringschuld.

Unverhältnismäßige Sanktionen

Doch auch der Westen steht in der Pflicht. Denn angesichts der Tatsache, dass zwar legitime Zweifel am alleinigen zivilen Charakter des Atomprogramms bestehen, es bis heute aber keinerlei Beweis für dessen militärische Zielsetzung gibt, sind die verhängten Sanktionen unverhältnismäßig.

In ihrer Schärfe und Breite kommen sie einem Wirtschaftskrieg gleich - mit verheerenden humanitären Folgen. Spätestens seit Inkrafttreten des Ölembargos im Sommer 2012 und der Unterbrechung der Finanztransaktionen treffen sie mehr die Bevölkerung als das Regime.

Mann mit Rial-Geldbündel in Teheran; Foto:Vahid Salemi/AP/dapd
Landeswährung im freien Fall, verschärfte Versorgungskrise der Bevölkerung: Irans Präsident Rohani plädiert für eine Annäherung an den Westen im Atomstreit, um eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Diese führten seit dem vergangenen Jahr zu einer dramatischen Wirtschaftskrise mit stark steigender Inflation, einem massiven Wertverlust der Währung und einer erheblichen Störung des Handels.

Infolge des Ölembargos sind die Staatseinnahmen eingebrochen, zugleich hat die Währung massiv an Wert verloren. Trotz einer leichten Erholung seit Rohanis Amtsantritt liegt der Rial noch immer bei einem Drittel seines Werts vor zwei Jahren.

Infolge des Kurssturzes des Rial hat die Inflation massiv zugenommen. Nicht nur sind Auslandsreisen damit für viele Iraner unerschwinglich geworden, sondern auch im Inland reicht ihr Geld oft kaum noch für das Nötigste. Selbst besser Situierte sagen, das Leben sei noch nie so schwer gewesen, wie in den vergangenen zwei Jahren.

Hinzu kommt, dass durch die Finanzsanktionen der gesamte Handel extrem erschwert ist. Viele Unternehmen haben sich ganz aus dem Geschäft mit dem Iran zurückgezogen- teils weil sie fürchten, möglicherweise gegen die verhängten Sanktionen zu verstoßen, teils weil sie schlicht nicht mehr an das Geld für ihre Waren kommen. Die Folge ist unter anderem eine akute Arzneimittel-Knappheit – obwohl diese explizit von den Sanktionen ausgenommen sind. Die Behauptungen, die Sanktionen richteten sich nicht gegen das Volk, klingen da wie Hohn.

Ende der Sanktionen in weiter Ferne?

Das Fatale an den Sanktionen ist auch, dass sie leichter verhängt als aufgehoben sind. Besonders in den USA bedarf es dafür vielfach der Zustimmung durch den Kongress. Klare Kriterien, welche Leistung der Iran für ihre Aufhebung erbringen muss, fehlen. Vielfach wird der Eindruck vermittelt, dass eine Aufhebung erst am Ende einer Einigung in Frage kommt.

Dies aber widerspricht dem Sinn von Sanktionen. Schließlich dienen sie nicht zur Vergeltung, sondern sind ein flexibel einzusetzendes Druckmittel, das selbstverständlich auch wieder zurückgenommen werden können muss.

Damit die Verhandlungen künftig zum Erfolg führen können, muss der Iran uneingeschränkt mit der IAEA kooperieren, um alle offenen Fragen zu klären. Doch auch der Westen muss – und kann – sich bewegen, damit die nötige Verhandlungsdynamik entsteht.

Die Sanktionen sind inzwischen so vielfältig und weitreichend, dass hier ein Entgegenkommen leicht möglich ist. Wenn der Westen dagegen wieder nur Versprechen, nicht aber konkrete und relevante Zugeständnisse macht, wird die aktuelle Chance ungenutzt verstreichen.

Ulrich von Schwerin

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de