Licht und Schatten

Das Diaspora-Museum in Tel Aviv zeigt als erstes Museum weltweit in einer Sonderausstellung die wechselvolle Geschichte der Juden im Iran. Gundula Madeleine Tegtmeyer hat sich dort umgesehen.

Exponat Bahram-o Goldanam, Illuminated Manuscript, Iran, 17. Jahrhundert; Foto: &copy Beit Hatfutsot
Die Ausstellung "Licht und Schatten"</wbr> gibt mit ihrer sorgfältigen Auswahl der Exponate einen einzigartigen Einblick und Überblick in die Geschichte der persischen Juden, einem Leben zwischen Integration und starker Ausgrenzung.

​​Die Juden im Iran blicken auf Zeiten voller Licht aber auch Schatten zurück. Die Geschichte der persischen Juden reicht 2.700 Jahre zurück. Sie beginnt mit der Befreiung aus dem babylonischen Exil durch den persischen König Kyros den Großen. Im Jahr 636 n. Chr. fallen die Araber in das Persische Reich ein. Es ist der Beginn der Islamisierung der persischen Bevölkerung. Seit nunmehr 1.400 Jahren leben die Juden im Iran unter muslimischer Herrschaft.

In zweijähriger Vorbereitungsarbeit wurden 260 Exponate aus Museen und Privatsammlungen zusammengetragen. Viele archäologische sowie kulturelle Artefakte werden zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt.

Fotografien sowie Kurzfilme mit Interviews geben dem Besucher dokumentarische Einblicke in jüdisches Leben von einst und heute. Darüber hinaus wurden Arbeiten zeitgenössischer iranischer Künstler in das Ausstellungskonzept gelungen integriert.

Die Ausstellung verläuft nicht chronologisch, sondern ist in zwei Galerien mit jeweiligen Themenkomplexen eingeteilt. Getreu dem neuen Motto des Museums, wird dabei ein Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart geschlagen.

In der ersten Galerie wird der Besucher durch vier Themenkomplexe geführt. Unter "Wurzeln und Identität" wird eine Reproduktion des Kyros-Zylinders ( Babylon 538 v. Chr. – das Original befindet sich im British Museum) mit seiner berühmten Deklaration gezeigt.

Religiöse Toleranz unter Kyros dem Großen

Nach dem Sieg über die Babylonier hatte Kyros der Große den Juden erlaubt, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Auch wurde ihnen die freie Ausübung ihrer Religion in seinem Reich garantiert. Besonders bemerkenswert ist seine Unterstützung für den Bau des zweiten Tempels in Jerusalem. Viele Juden blieben nach der Befreiung und wurden somit eine religiöse, aber tolerierte Minderheit im Persischen Reich. Bis heute wird Kyros der Große unter den iranischen Juden für seine Toleranz verehrt.

Mit dem Aufstieg der Sassaniden, des zweiten persischen Großreichs (von etwa 224 n. Chr. bis 651 n. Chr.), zeigten sich jedoch auch die Schattenseiten: Juden wurden unterdrückt und verfolgt.

Das Buch der Esther, Iran, 18. Jahrhundert; Foto: &amp;copy Meragi Family, USA
Von zentraler historischer Bedeutung für die jüdische Gemeinde im Iran: das "Buch der Esther" aus dem 18. Jahrhundert

​​Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelangte die Dynastie der Safawiden an die Macht. Ihre Könige erklärten die Schia zur Religion in ihrem Reich. Unter den Safawiden galten Nichtmuslime als unreine Ungläubige. In der Folgezeit kam es auch zu Zwangskonvertierungen. So geschehen auch in der Jüdischen Gemeinde von Mashad.

Zum Schutz gegen Mischehen führten die Juden die Kinderehe ein. In einer Vitrine sind Hochzeitskleider dekoriert. Trotz oder vielmehr als Antwort auf das neue feindliche Umfeld bewahrten sich die Juden ein hohes Maß an Kreativität. Und mehr als jemals zuvor mussten sie ihre Identität bewahren und ihr Selbstwertgefühl fördern.

In diesem geschichtlichen Kontext spielt das "Buch der Esther" und die Identifizierung mit Mordechai und Esther, den Protagonisten der Purim-Geschichte, für die jüdische Gemeinde im Iran eine zentrale Rolle. Wer des Hebräischen mächtig ist, kann in den original Esther-Rollen, die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen, über deren mutigen Einsatz für ihr jüdisches Volk lesen.

Und noch ein weiterer Höhepunkt in diesem Teil der Ausstellung erwartet den Besucher: die Lehmtafeln aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Sie gehören zu den ersten historischen Beweisen für die Diaspora und das jüdische Leben in Iran. In akkadischer Schrift wird mitunter in aramäischen und hebräischen Wörtern der rege Handel sowie das Alltagsleben der Juden in der Stadt Al-Yahudu, dem heutigen Isfahan, ausführlich beschrieben.

Moderne Arbeiten von zeitgenössischen iranisch-stämmigen Künstlern korrespondieren in diesem Abschnitt gekonnt mit den Artefakten und spiegeln ihre starke Verbundenheit mit ihrem jüdisch-persischen Erbe wider.

Die besondere Rolle der Musik

Die drei weiteren Themenblöcke sind der Musik und Poesie, den Bräuchen und Ritualen sowie dem Thema "Kulturen innerhalb von Kulturen" gewidmet. Musik spielt eine große Rolle im Leben der iranischen Juden. Mit der Etablierung des schiitischen Glaubens durch die Safawiden, galt das strenge Verbot, säkulare Musik zu komponieren und zu spielen – ein Verbot, das allerdings nicht für religiöse Minderheiten galt.

Astrolabe, Iran, Isfahan, 17. Jahrhundert; Foto: &amp;copy Collection of Alisa and Shlomo Mossaieff, Israel
Das wohl bemerkenswerteste Stück in diesem Teil der Ausstellung ist das sogenannte Astrolab</i> - ein Sternhöhenmesser. Der jüdische Astronom und Künstler Ali Al-Saruna hat dieses präzise Navigationsgerät, mit dem auch die Uhrzeit abgelesen werden kann, im 17. Jahrhundert entwickelt.

​​ Die persischen Juden spielen eine zentrale Rolle in der Bewahrung der klassischen persischen Musik. Menashe Sassoon, selbst ein Meister auf dem Santur, hat eine Reihe von traditionellen iranischen Musikinstrumenten aus seiner Privatsammlung zur Verfügung gestellt.

Die Einspielung klassischer persischer Musik entführt sanft in eine andere Welt. Die Diaspora-Juden konnten sich kulturellen Einflüssen ihres Umfeldes nicht entziehen. Ein anschauliches Beispiel dafür sind die ausgestellten Schutzamulette. Islamischen Einfluss finden wir auch in der Ausschmückung von jüdischen Gebetsbüchern.

Im zweiten Saal beschäftigen sich die Themenblöcke mit der jüngeren Geschichte der Juden im Iran und sind in "westliche" und "zionistische Winde", "Winde des Wohlstands" und nicht zuletzt "Revolutions-Winde" eingeteilt. Der zunehmende westliche Einfluss im Iran führte letztendlich zur konstitutionellen Revolution (1905 – 1911) und stärkte die Rechte und den Status religiöser Minderheiten.

Mozzarfar al-Din Shah wurde gezwungen, ein Parlament zu bilden. Juden konnten zum ersten Mal in ihrer Geschichte im Iran einen jüdischen Repräsentanten in das Abgeordnetenhaus, die madschlis wählen. Ein Foto aus der Sammlung der Großfamilie zeigt Juden in Teheran bei der ersten Jahresfeier der Revolution.

Spirituelle Verbundenheit mit Israel

Iranische Juden fühlten immer eine große spirituelle Verbundenheit mit dem Land Israel. Diese Sehnsucht findet Ausdruck in ihren Gebeten und Poesie. Bis heute pilgern Juden an die Höhle von Serah Bat Asher in Isfahan. Einer alten Überlieferung nach führt von dort ein geheimer Tunnel direkt nach Jerusalem.

1919 wird "Das Zentralkomitee der Zionistischen Vereinigung Irans" gegründet. Ihre Mitglieder kommen 1920 in Hamadan zu einem Gruppenfoto zusammen. Ein weiteres Exponat aus dieser Zeit in eine original Mitgliederkarte der Zionistischen Vereinigung.

Während des Nazi-Terrors strandeten Tausende von Juden auf ihrer Flucht im Iran. Die Operation "The Children of Tehran" steht für eine der größten Rettungsaktionen, durchgeführt von iranischen Juden und der Jewish Agency. Die Gründung des Staates Israel 1948 erfüllt die iranischen Juden mit Stolz. Am 15. Mai 1948, einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung, lassen sich zwei Juden in Teheran im Hof der Jewish Agency mit der israelischen Nationalflagge fotografieren. Zwischen 1948 und 1953 fand die erste große Immigrationswelle nach Israel statt.

Logo Beit Hatfutsot in Tel Aviv
Nach einem umfangreichen Umbau trägt das Museum die Zusatzzeile "The Museum of the Jewish People"</wbr> in seinem Namen. Der Untertitel steht auch für ein neues Konzept: Neben historischen Aspekten wird von nun an auch die gegenwärtige Situation der jüdischen Gemeinden dokumentiert.

​​ Zum ersten Mal seit der Islamisierung Irans wurden unter der Herrschaft von Schah Reza Pahlavi und seinem Sohn und Nachfolger Muhammad Reza Pahlavi Minderheiten gesellschaftlich gleichgestellt. Juden durften von nun an ihre "Mahale", ihre rein jüdischen Stadtviertel verlassen.

Die jüdischen Gemeinden erlebten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Und mit der "Weißen Revolution" von 1963 begann für die iranischen Juden ein goldenes Zeitalter. Muhammad Reza Pahlavi pflegte gute Kontakte mit dem jungen Staat Israel.

Die Folgen der Islamischen Revolution

Ein Foto in der Ausstellung zeigt den israelischen General Moshe Dayan im Jahr 1960 während eines Iran–Besuchs im Eingang zu einer Moschee. In einer Vitrine liegt die beliebte Wochenzeitschrift "Tehran-e Musawar" aus. Die Ausgabe vom 16. Juni 1967 widmet ihm ein Titelfoto.

Doch die Umwälzungen durch die "Weiße Revolution" rufen in Teilen der Bevölkerung Widerstand hervor und bereiten schließlich den Boden für die Islamische Revolution. Eine Reihe von Fotos in diesem Teil der Ausstellung dokumentiert die große Solidarität der iranischen Juden mit dem Rest der Bevölkerung.

Am Vorabend der Islamischen Revolution marschieren Juden in Teheran auf einer Demonstration gegen den Schah. Auf einem ihrer Fotos tragen sie ein Banner mit der Aufschrift "unsere Bande mit dem iranischen Volk ist untrennbar!". Auch Oberrabbiner Yedidia Shofet schließt sich den Protesten an. Ein weiteres Foto zeigt ihn und seinen Sohn, den Rabbiner David Shofet, während einer Demonstration in Teheran.

Die Islamische Revolution im Jahr 1979 wirkte sich stark auf das jüdische Leben in Iran aus. Die Ausrufung der Islamischen Republik Iran zog eine zweite starke Immigrationswelle nach sich. Tausende von Juden verließen ihre Heimat Iran und gingen in die USA, nach Europa und nach Israel.

Gundula Madeleine Tegtmeyer

© Qantara.de 2011

Die Ausstellung "Light and Shadows. The Story of Iran and the Jews" ist noch bis zum 30. Mai 2011 im Diaspora-Museum (Beit Hatfutsot) in Tel Aviv zu sehen.

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

Qantara.de

Jüdische Minderheit im Iran
Dilemma zwischen Integration und Auswanderung
Seit der Machtübernahme durch Ayatollah Khomeiny 1979 ist über die Hälfte der iranischen Juden ausgewandert. Die im Land verbliebenen Juden üben ihre Religion unbehelligt aus, sind aber durch die antisemitischen Äusserungen von Präsident Ahmadinejad verunsichert. Kristina Bergmann informiert.

Jüdisches Leben in der islamischen Welt
Hebräer statt Juden
Bis heute ist jüdische Kultur ein fester Bestandteil vieler muslimischer Länder. Weder der Nahost-Konflikt, noch die anti-semitischen Äußerungen von Irans Präsident Ahmadinedschad konnten daran grundsätzlich etwas ändern. Alfred Hackensberger informiert.