Brückenbauer zwischen Islam und dem Westen: Karim Aga Khan IV. - Wohltäter, Lebemann und religiöses Oberhaupt

Was hat dieser Mann in seinem Leben eigentlich nicht bekommen, erreicht und gewonnen? Milliarden auf dem Konto, eine Insel in der Karibik, Yachten auf allen Weltmeeren und die religiöse Verehrung von Millionen. Dazu schöne Frauen für jede Jahreszeit und den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing. Die Welt kennt Karim Aga Khan IV. als Menschenfreund, Magnat und Mäzen - nur der Titel des unbändigen Playboys ist inzwischen leicht geblichen. Schließlich vollendet das geistliche Oberhaupt der ismailitischen Muslime an diesem Dienstag das 80. Lebensjahr.

Die Startbedingungen waren dank der religiösen Überhöhung seiner Familie noch günstiger als bei Superreichen üblich: Geboren 1936 nahe Genf als Enkel des dritten Aga Khan der Ismailiten, verbrachte der junge Karim seine Schul- und Studentenjahre in den Nobelschmieden westlicher Bildung und schloss das Studium der Geschichte in Harvard ab.

Prinz Ali, sein Vater, hatte sich 1949 von Karims Mutter, einer englischen Baronesse, scheiden lassen und den Hollywood-Star Rita Hayworth geheiratet. US-Soldaten klebten damals das Foto der "Sexgöttin" vor einem Nukleartest im Pazifik auf die Bombe. Die unkontrollierbaren Umbrüche der Zeit waren denn auch der Grund dafür, dass Aga Khan III. bei seinem Tod 1957 den verlebten Sohn überging und stattdessen den zielstrebigen Enkel zum Nachfolger bestimmte.

Mit gerade 20 trat Karim ein legendäres Erbe an. Als Aga Khan - "Herr und Beherrscher" - steht er seitdem an der Spitze fast aller Schiiten, die sich auf Ismail, einen Nachfahren der Prophetentochter Fatima und seines Cousins Ali berufen. Rund 20 Millionen Ismailiten in Pakistan, Indien, Zentralasien, Afrika und der westlichen Welt verehren den Aga Khan heute als direkten Abkömmling des Propheten Mohammed und als 49. Imam.

Aus den Reihen der Ismailiten stammten einst die berüchtigten Assassinen, die mit heimtückischen Mordanschlägen gegen Kreuzritter und feindliche Muslime Angst und Schrecken verbreiteten. Im 19. und 20. Jahrhundert boten sich die Aga Khane dagegen als Handlanger des britischen Imperialismus an und wurden dafür von London in die High Society aufgenommen. Heute gelten die Ismailis als eher liberaler Zweig des Islam, dabei sehr bildungsaffin und wirtschaftlich erfolgreich.

Karim selbst ist britischer Staatsbürger und residiert in einem Schloss nördlich von Paris. Zu den Vorzügen seines Amtes gehört, dass Ismailis ein Zehntel ihrer Jahreseinkünfte direkt an den Aga Khan abtreten. Sein Vermögen von geschätzt zehn Milliarden Euro gründet daneben auf dem Besitz von Hotelketten, Banken, Rennpferdzuchten, Edelsteingruben, Airlines, Golfplätzen und und und.

Doch die eigentliche Bestimmung Seiner Hoheit ist die gute Tat. Das Aga Khan Development Network ist die größte private Entwicklungsorganisation der Welt. Projekte wie der Bau von Schulen, Krankenhäusern und Bewässerungsanlagen sollen auch Nicht-Ismailis zugutekommen. Es gebe keinen echten Konflikt zwischen den Religionen, sagte Karim einmal, dafür hätten sie zu viel gemeinsam. "Wichtig ist, dass wir uns um eine globale Ethik kümmern, die uns alle vereint." Dazu zählt für ihn auch die Förderung von Mädchen und Frauen. Daneben stiftet er den weltweit wichtigsten Preis für Architektur und fördert die islamische Kunst.

Ach, wäre diese inkarnierte Brücke zwischen Orient und Okzident doch nur so eine Art islamischer Papst, mag sich mancher denken. Die umstrittene Regensburger Rede von Benedikt XVI. 2006 bezeichnete er damals als möglichen "Beginn einer aufregenden Debatte, die sich als äußerst konstruktiv für das Verhältnis zwischen islamischer und nichtislamischer Welt auswirken könnte".

Daraus ist bekanntlich wenig geworden. Der Islam bietet weiter ein kritisches Gesamtbild und scheint seinen Frieden mit der modernen Welt einfach nicht zu finden. Bedauerlich findet das Aga Khan IV. Er glaubt, der Islam lege von allen abrahamitischen Religionen den größten Wert auf Wissen und Vernunft. Der Terrorismus wurzele vor allem in ungelösten politischen Konflikten und mangelnder Bildung. Mehr Wissen über den Islam verlangt er aber auch von den Menschen im Westen.

Zweimal war der Vater von vier Kindern verheiratet. Nach der Ehe mit einem britischen Model nahm er 1998 die Deutsche Gabriele Prinzessin zu Leiningen zur Frau. Wegen einer von Karim offen zur Schau getragenen Affäre mit einer Stewardess seines Privatjets reichte sie die Scheidung ein. Angeblich nahm Nicolas Sarkozy dann dubiosen Einfluss auf den Prozess vor einem französischen Gericht und bewahrte den Aga Khan so vor allzu saftigen Unterhaltszahlungen. Das Altenteil dürfte er auch als erneuter Junggeselle genießen. (KNA)