Deutscher Leuchtturm am Bosporus

Berlin und Ankara gründen eine gemeinsame Universität in Istanbul. Schon seit den Neunziger Jahren wird die Hochschule am Bospurus geplant - 2009 sollen endlich die Studenten kommen. Informationen von Christiane Schlötzer

Berlin und Ankara gründen eine gemeinsame Universität in Istanbul. Schon seit den Neunziger Jahren wird die Hochschule am Bospurus geplant - 2009 sollen dann endlich die Studenten kommen. Informationen von Christiane Schlötzer

Wer möchte, kann in der Türkei längst an renommierten Universitäten studieren, die ihren Unterricht in englischer und auch französischer Sprache anbieten. Nun will Deutschland sich ebenfalls auf dem türkischen Bildungsmarkt engagieren, mit einer Deutsch-Türkischen Universität (DTU). Sie soll in Istanbul entstehen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein türkischer Kollege Ali Babacan unterzeichneten jüngst in Berlin den Gründungsvertrag für die neue Hochschule am Bosporus, die noch vor 2010 die ersten Studenten aus beiden Ländern aufnehmen soll.

"Dies ist ein glorreicher Tag für die deutsch-türkischen Beziehungen", sagte der 80-jährige Edzard Reuter, sichtlich bewegt. Der frühere Daimler-Benz-Vorstandsvorsitzende wuchs in Ankara auf, wo sein Vater Ernst Reuter vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten von 1935 bis 1946 Zuflucht gefunden hatte.

Die "Ernst-Reuter-Initiative"

Später wurde Ernst Reuter Regierender Bürgermeister von Berlin. Nach ihm ist die 2006 von den Außenministern beider Staaten gegründete "Ernst-Reuter-Initiative" benannt. Sie sollte - nach dem Streit über die dänischen Mohammed-Karikaturen - neue Wege der Verständigung der Kulturen suchen. Die DTU ist nun ihr ehrgeiziges Vorzeigeprojekt.

Der türkische Außenminister Ali Babacan; Foto: dpa
Neue Bildungschancen am Bosporus - der türkische Außenminister Ali Babacan bei der Unterzeichnung der Gründungsvereinbarung in Berlin.

​​Die Idee zu einer deutsch-türkischen Universität ist aber viel älter, und es gibt auch eine längere Geschichte vergeblicher Mühen. Schon Anfang der neunziger Jahre plante die Regierung Kohl ein solches, letztlich an den Kosten gescheitertes Projekt. Es war nicht das einzige.

Auch die aktuellen Pläne müssen noch vom türkischen Parlament gebilligt werden. "Die türkische Bildungsbürokratie ist für ihre Hartnäckigkeit bekannt, wenn Fragen nationaler Unabhängigkeit zu klären sind", weiß der Politikprofessor Claus Leggewie, der zu den vielen Vätern der DTU gehört.

So weit wie das jetzige Vorhaben hat es aber noch keines gebracht. Grundsteinlegung und Baubeginn sind für 2009 vorgesehen, allerdings nannte Babacan in Berlin kein genaues Datum. Bereits im Herbst desselben Jahres sollen sich die ersten Studenten einschreiben. In der Türkei wird gewöhnlich rasch gebaut.

Deutschland stellt Dozenten

Die türkische Seite stellt das Gelände zur Verfügung und trägt laufende Kosten, die deutsche will die Dozenten entsenden, Lehrpläne entwickeln und Stipendien bezahlen. Derzeit geht man von 3,5 Millionen Euro jährlicher Kosten für Berlin aus.

Studenten vor der Istanbul Üniversitesi; Foto: dpa
75 Jahre Istanbul Üniversitesi - ein Ereignis, das in diesem Jahr noch groß gefeiert wird.

​​Vier Fakultäten sind zunächst geplant: Ingenieurwissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Jura und Kulturwissenschaften. Gelehrt werden soll vorwiegend auf Deutsch.

Wer einen Bachelor, Master oder einen Abschluss mit Doktorgrad macht, soll möglichst ein Zertifikat für beide Länder in der Tasche haben. 5000 Studenten sollen die DTU einmal besuchen. Die Universität wird für "exzellente Absolventen aus der Türkei", aber auch aus Deutschland offenstehen.

In der Türkei gibt es mehrere Gymnasien, in denen auf Deutsch unterrichtet wird oder die ein deutsches Lehrprogramm haben. In Deutschland ist es an einigen Gymnasien möglich, Türkisch als Fremdsprache zu lernen.

Der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan hatte im Februar einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, als er bei einem Deutschlandbesuch Türken vor "Assimilation" warnte und in diesem Zusammenhang auch mehr türkische Gymnasien vorschlug.

Steinmeier, Babacan und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) fanden Worte wie "Leuchtturm", "Signal" und "neue Phase" für das Projekt. Schon einmal hatten deutsche Professoren bei der Gründung einer Universität am Bosporus geholfen.

1933 hatte Staatsgründer Kemal Atatürk die vor den Nazis aus Deutschland Vertriebenen gerufen, um die erste westlich orientierte Universität am Bosporus zu schaffen. Es wurde ein langlebiges Projekt. Das 75-jährige Bestehen der Istanbul Üniversitesi wird in diesem Jahr noch groß gefeiert.

Christiane Schlötzer

© Süddeutsche Zeitung 2008

Qantara.de

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Weitere Informationen über die Ernst-Reuter-Initiative auf der Website des Auswärtigen Amtes