"Gläubige leben länger" - Neue Studien zum Zusammenhang von Religion und Lebenserwartung

Professor Marino Bruce von der renommierten Vanderbilt-University in Nashville, Tennessee, hat in einer breit angelegten Studie Zusammenhänge zwischen Erkrankung und dem sozialen Umfeld der betroffenen Menschen erforscht. Dafür untersuchte sein Team zehn biologische Stress-Marker bei 5.500 Erwachsenen zwischen dem fünften bis siebten Lebensjahrzehnt.

Er kategorisierte die Befragten nach sozialen Status, Krankenversicherung, aber auch ihrer Haltung zu Gott und Kirche. Das Ergebnis überraschte Bruce wegen seiner Eindeutigkeit. Demnach sind Nicht-Gläubige doppelt so häufig gefährdet, früher zu sterben als religiöse Menschen. Seine Zahlen bestätigen die aus früheren Studien abgeleitete These, nach der religiöse Menschen weniger Stress haben und deshalb ihr Todesdatum nach hinten verschieben können.

Bruce, der nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Baptisten-Pfarrer ist, betont, das Ergebnis treffe nicht nur auf Christen zu. Es gehe nicht um einen bestimmten Glauben, sondern um Glauben generell. Auch Muslime, Juden oder Hindus seien als Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaft sozial gefestigter als nichtgläubige Individualisten. Die soziale Unterstützung in der Gemeinschaft, das Mitgefühl mit anderen und auch die Erkenntnis, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst, wirke beruhigend auf das Immunsystem und baue Stress ab.

Das deckt sich mit Erkenntnissen einer Studie von 2013, in der Wissenschaftler aus North Carolina die deutlich engeren sozialen Kontakte zwischen regelmäßigen Kirchgängern als gesundheitsfördernd ausgemacht haben.

Tanya Marie Luhrmann, Anthropologin an der Stanford-University, sieht aber auch andere Faktoren. Der durchschnittliche religiös lebende Zeitgenosse trinke weniger, rauche weniger, halte sich mit Drogenkonsum zurück und lebe sexuell häufiger in monogamen Beziehungen als andere. Beste Voraussetzungen, um ein biblisches Alter zu erreichen.

Das Potenzial des Glaubens sieht Luhrmann auch beim berühmten "Placebo-Effekt" am Werk. Die "symbolische" Einnahme von Medikamenten, die keinerlei krankheitsmindernde Substanzen enthalten, kann tatsächlich physikalische Auswirkungen haben. Nämlich durch die Fähigkeit, auf etwas zu vertrauen, von dem man glaubt, es sei gut für einen. "Wir verstehen den Placebo-Effekt nicht, aber wir wissen, dass er real ist."

Ob Kirche gesund macht oder Kirchgänger länger leben, bewertet die Kolumnistin Yonat Shimron vom "Religion News Service" deutlich kritischer. Menschen gingen aus allen möglichen Gründen in die Kirche, schreibt sie. Könnte es nicht sein, dass sie allein wegen der sozialen Kontakte oder Kaffee und Kuchen kommen?

Ihren polemischen Einwand treibt sie mit der Frage auf die Spitze, ob denn jemand schon untersucht habe, ob Tierfreunde, Strick-Kreise oder Poker-Runden ebenfalls Aussicht auf ein längeres Leben haben? Wenn nicht, so Shimron, sollten "die Ärzte ihre Patienten einen wöchentlichen Kirchgang verschreiben."

Auch Neal Krause, pensionierter Professor für öffentliche Gesundheit an der University of Michigan, bleibt skeptisch. "Religion ist unglaublich komplex", meint Krause. Übertriebene religiöse Hingabe könne sogar das Gegenteil bewirken, nämlich Krankheit, geistige Not, Depression und sogar Selbstmord verursachen.

Einig sind sich viele Forscher, dass frühere Studien zum Verhältnis von Gebet und Krankheit methodisch, ethisch und theologisch ungenügend waren. Das könnte sich mit der großen Vanderbilt-Studie nun ändern. Das alte englische Sprichwort, "Ich bin zu gesegnet, um gestresst zu sein!" lässt sich durch die Empirie nun recht gut absichern. Gesundbeten hilft. (KNA)