Dialog statt Isolation

Eine neue Studie des "Gallup Center for Muslim Studies" zeigt, dass anti-islamische und anti-semitische Ressentiments in den USA verbreitet sind. Doch gibt es auch zahlreiche US-Bürger, die einen Dialog und eine Verständigung mit den Muslimen wünschen. Von Dalia Mogahed

Eine neue Studie des "Gallup Center for Muslim Studies" zeigt, dass anti-islamische und anti-semitische Ressentiments in den Vereinigten Staaten verbreitet sind. Doch gibt es auch zahlreiche US-Bürger, die einen Dialog und eine Verständigung mit den Muslimen wünschen. Von Dalia Mogahed

US-Präsident Obama lädt Muslime aus Politik und Gesellschaft anlässlich des Fastenmonats Ramadan ins Weiße Haus; Foto: AP
Politik des gesellschaftlichen Wandels und der Toleranz: Im vergangenen September lud Präsident Obama während des Ramadans Muslime aus Politik und Gesellschaft ins Weiße Haus ein.

​​ Der Erfolg von Präsident Obamas "Global Engagement Initiative", die er in seiner Inaugurationsrede vor nunmehr einem guten Jahr ankündigte und der "neue Weg in die Zukunft", den er gemeinsam mit den Muslimen beschreiten will, werden in besonderer Weise von der amerikanischen Bevölkerung und ihrer Offenheit gegenüber der muslimischen Gemeinschaft abhängen.

Für den immer wieder versprochenen "Wandel" kommt es eben auch darauf an, was die Amerikaner denken. Und deshalb ist es wichtig, ihre Wahrnehmung der Muslime und des Islams zu kennen und zu verstehen.

Was und wie viel wissen die Amerikaner vom Islam und von den Muslimen? Welche Charakteristika definieren Muslime in den Augen der Amerikaner? Und, vielleicht am Entscheidendsten, welche Faktoren sind es, die zu Vorurteilen oder auch zu mehr Toleranz führen?

Verbreitete Vorurteile gegenüber Muslimen

Eine neue Studie, die vor kurzem vom "Gallup Center for Muslim Studies" veröffentlicht wurde, vermag diese und viele andere Fragen zu erhellen.

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchung vorgestellt. Befragt wurden dabei 1.000 repräsentativ ausgewählte US-Amerikaner zu ihrer Wahrnehmung verschiedener Glaubensgemeinschaften, unter besonderer Berücksichtigung des Islams und der Muslime.

US-Bürger hegen gegenüber den Muslimen mehr Vorurteile als gegen Angehörige jeder anderen von Gallup untersuchten Glaubensgemeinschaft: 43 Prozent geben zu, zumindest einige Vorurteile gegenüber den Muslimen zu haben. Dieser Wert ist damit mehr als doppelt so hoch als der, der ermittelt wurde, als es um die Einstellung gegenüber Juden, Buddhisten und Christen ging.

Außerdem konnten wir erfahren, dass, wenn eine Person Vorurteile gegenüber Juden hegt, er mit größerer Wahrscheinlichkeit diese auch gegenüber Muslimen hat.

Anti-islamische und anti-semitische Ressentiments

Unter allen Variablen, die wir betrachteten, vom Alter bis zur Ausbildung, war der Faktor mit dem stärksten Einfluss auf den Grad der Voreingenommenheit gegenüber den Muslimen nicht der Bildungsstand oder ob jemand einen Muslim persönlich kennt, noch nicht einmal wie gut man mit dem Islam vertraut ist –, vielmehr war es die Abneigung gegen Juden.

Muslime in den USA; Foto: AP
Laut aktueller Studie des "Gallup Center for Muslim Studies"</wbr> geben 43 Prozent der US-Bürger zu, zumindest einige Vorurteile gegenüber den Muslimen zu haben.

​​ Dieser Befund deutet darauf hin, dass anti-semitische und anti-islamische Einstellungen Hand in Hand gehen und dass Organisationen, die sich die Bekämpfung dieser sozialen Krankheiten auf die Fahne geschrieben haben, eng zusammenarbeiten sollten, kämpfen sie doch für ein gemeinsames Ziel.

Die Wahrscheinlichkeit, dass US-Amerikaner, die häufig religiöse Zeremonien besuchen, Vorurteile gegenüber Muslimen entwickeln, ist nur halb so hoch wie bei denen, die es nicht tun. Regelmäßige Kirchgänge etwa lassen Vorurteile unwahrscheinlicher, nicht wahrscheinlicher werden.

Die Untersuchung förderte außerdem zutage, dass Vorurteile enger mit der Einstellung gegenüber dem Islam zusammenhängen, als mit der Tatsache, dass man womöglich einen Muslim persönlich kennt. Keinen Muslim persönlich zu kennen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, extreme Vorurteile gegenüber den Muslimen insgesamt zu hegen.

Überraschen mag jedoch, dass auch im Falle persönlicher Bekanntschaften mit Muslimen, es nicht unbedingt wahrscheinlicher macht, dass man gar keine Vorurteile gegen sie hegt. Oder anders ausgedrückt: Diese Ergebnisse besagen, dass die persönliche Bekanntschaft mit Muslimen zwar helfen mag, extreme Vorurteile abzubauen, nicht aber, diese Ressentiments gänzlich abzulegen.

Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen zudem, dass die amerikanische Wahrnehmung dessen, was Muslime denken, zum Teil erheblich von dem abweicht, was in Muslimen auch wirklich vorgeht. So glauben etwa 80 Prozent der US-Amerikaner, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter von Muslimen nicht geachtet wird.

Die von Gallup in mehrheitlich muslimischen Staaten durchgeführten Studien belegen allerdings, dass die Mehrheit der Muslime (darunter 85 Prozent der Menschen in Saudi-Arabien und 89 Prozent der Iraner) meint, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte haben sollten.

Notwendigkeit des Dialogs

Foto: Dalia Mogahed
Dalia Mogahed arbeitet im Beraterstab des US-Präsidenten zu Glaubensfragen und Nachbarschafts-Partnerschaften. Sie ist außerdem Geschäftsführerin des "Gallup Center for Muslim Studies"</wbr>.

​​ Auch wenn diese Ergebnisse auf den ersten Blick ernüchternd wirken, so ist doch festzustellen, dass sich die US-amerikanische Sicht auf die Muslime in den letzten zwei Jahren insgesamt verbessert hat.

Zudem sagen etwa 70 Prozent der Amerikaner, dass ein intensiverer Dialog zwischen dem Westen und den muslimischen Gemeinschaften eher von Nutzen wäre, als dass er eine Gefahr darstelle. Eine Mehrheit der Menschen in Ägypten, Saudi-Arabien und Indonesien teilt diese Auffassung. Generell lässt sich konstatieren, dass das Ansehen der USA und ihrer Führung bei den Muslimen gestiegen ist.

Schließlich zeigt diese Studie, dass Einstellungen – wie die hier untersuchten – keine unveränderlichen Tatsachen sind, sondern durchaus einem Wandel unterliegen, was ein sehr positiver Befund ist.

Dennoch ist es notwendig, die Menschen über den Glauben der Muslime verstärkt aufzuklären. So ist beispielsweise festzustellen, dass US-Amerikaner, die meinen, dass die meisten Muslime für die Gleichberechtigung der Geschlechter sind, nur halb so oft Vorurteile gegenüber Muslimen ausdrücken.

Deshalb sollten wir größere Anstrengungen darauf verwenden, zu vermitteln, dass die Muslime in der Mehrheit die Forderung nach Gleichberechtigung unterstützen. Auch zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass Vorurteile nicht auf eine bestimmte Gruppe beschränkt bleiben – was den Schluss nahelegt, eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften anzustreben.

Die Mehrheit der US-Amerikaner und der Muslime in der Welt wollen keine Isolation, sondern einen Dialog, einen Prozess, der bei jedem zuhause beginnt – durch ein besseres Kennenlernen unserer eigenen Einstellungen.

Dalia Mogahed

© Common Ground News Service 2010

Übersetzt aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Qantara.de

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www

Gallup Center for Muslim Studies (engl.)