Iran-Krise: Wie Trump die Europäer spaltet

US-Präsident Trump ist seit jeher auf Konfrontationskurs mit dem Iran. Bislang haben die Europäer vereint dagegengehalten. Doch vor der UN-Vollversammlung bröckelt diese Front. Von Can Merey und Michael Fischer

Der damalige britische Premierminister Tony Blair handelte sich den zweifelhaften Ruf eines «Pudels» der US-Regierung ein, als er Washington beim Irak-Krieg 2003 Gefolgschaft versprach. Auch seinem Amtsnachfolger Boris Johnson bescheinigen Kritiker eine fast schon beschämende Ergebenheit gegenüber US-Präsident Donald Trump.

Vor Beginn der Generaldebatte bei der UN-Vollversammlung am Dienstag gibt Johnson seinen Gegnern neue Munition: Standen die Europäer in der Krise zwischen den USA und dem Iran bislang geeint, ist das nun nicht mehr der Fall.

Trump ist seit seinem Amtsantritt auf Konfrontationskurs mit Teheran. Damit liegt der Präsident zwar auf Linie mit seinen Partnern Israel und Saudi-Arabien, nicht aber mit europäischen Verbündeten wie Deutschland. Im Mai vergangenen Jahres kündigte Trump das internationale Atomabkommen mit dem Iran auf, die Europäer bemühten sich bislang darum, den Vertrag zu retten. Nun bröckelt die europäische Front - weil Johnson ausschert.

In seiner Ansprache vor den versammelten Staats- und Regierungschefs am Dienstag machte Trump die Führung in Teheran für die Angriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien Mitte des Monats verantwortlich. Sein Außenminister Mike Pompeo vertritt diese Einschätzung schon seit dem Tag nach den Attacken. Die deutsche, die britische und die französische Regierung muss Trump nicht mehr überzeugen, sie sind Pompeos Einschätzung am Montag gefolgt. «Für uns ist deutlich, dass der Iran Verantwortung für diesen Angriff trägt», heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. «Es gibt keine andere plausible Erklärung.»

Wenige Stunden später übermittelte Pompeo dafür eine Dankesbotschaft an die drei «engen Freunde» - öffentlichkeitswirksam über Twitter. Das gemeinsame Signal der Europäer werde «die Diplomatie stärken und die Friedensbestrebungen». Pompeos Appell: «Wir fordern jedes Land dazu auf, sich dieser Verurteilung der Handlungen des Irans anzuschließen.»

Die drei Regierungen bekennen sich in ihrer Erklärung zwar zum bisherigen Atomabkommen mit dem Iran. Zugleich fordern sie das Land aber auf, sich auf Verhandlungen für ein langfristiges Abkommen einzulassen, das neben dem Atomprogramm auch Fragen der regionalen Sicherheit wie das iranische Raketenprogramm umfasst. Auch Trump fordert ein neues Abkommen, das viel weiter geht als das bisherige - und das unter anderem die destabilisierende Rolle des Irans in der Region und dessen ballistische Raketen behandelt.

Die gemeinsame Erklärung Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens ist in diplomatische Watte gepackt. Johnson findet dann allerdings deutlich Worte, was das bisherige Abkommen mit dem Iran und einen möglichen neuen Vertrag angeht. «Es war ein schlechter Deal», sagt Johnson dem Sender NBC nach dessen Angaben. «Lasst uns einen besseren Deal machen.» Wie das gelingen könne? «Ich denke, es gibt einen Typen, der einen besseren Deal machen kann (...), und das ist der Präsident der Vereinigten Staaten. Ich hoffe, dass es einen Trump-Deal geben wird.»

Für Trump ist das ein nicht unerheblicher Erfolg. Der US-Präsident bemüht sich seit langem darum, die EU zu spalten - nicht zuletzt, indem er Johnsons Brexit-Kurs unterstützt und den Briten nach dem EU-Austritt ein Handelsabkommen mit den USA verspricht. Einen ersten Erfolg hatte der US-Präsident schon vor einigen Wochen erzielt: Die Briten schlossen sich der US-Militärmission zur Sicherung der Handelsschifffahrt in der Straße von Hormus an.

Andere Europäer sind bisher nicht dabei. Die Bundesregierung sieht die Gefahr, dass die Mission zur Eskalation beitragen könnte und hält allenfalls einen europäischen Einsatz für denkbar. Befürchtungen, dass die Briten auch aus dem Atomabkommen aussteigen könnten, bewahrheiteten sich bisher nicht. Jetzt nimmt Johnson aber offensichtlich einen echten Kurswechsel vor.

Trump ist am Montag denn auch voll des Lobes für den Schwenk, er nennt Johnson einen «Gewinner». Entspannung in der Krise mit dem Iran dürfte Johnsons Kurswechsel allerdings nicht bringen: Ein «Trump-Deal» ist so ziemlich das Letzte, worauf sich die Regierung in Teheran einlassen möchte. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif schreibt am Montagabend auf Twitter, die Europäer müssten den Willen aufbringen, ihren eigenen Weg zu gehen – statt «absurde US-Behauptungen und Forderungen nachzuplappern».

Dabei ist es noch keinen Monat her, dass es Hoffnungen auf Entspannung gab: Beim G7-Gipfel in Biarritz hatte sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron um Bewegung im Konflikt zwischen den USA und dem Iran bemüht. Trump sah danach eine «sehr gute Chance» für ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani.

Spekuliert wurde, eine solche Zusammenkunft der beiden könne am Rande der UN-Vollversammlung in New York stattfinden. Trump machte am Montag aber klar, dass ein solches Treffen nicht geplant ist. Und so folgte erstmal nur ein Gespräch Macrons mit Rohani.

Die Spannungen könnten nun weiter eskalieren. Irans Außenminister Sarif meldete sich am Sonntag mit einer düsteren Prognose im US-Sender CBS zu Wort. Auf die Frage, ob er zuversichtlich sei, dass ein Krieg verhindert werden könne, sagte er: «Nein. Nein, ich bin nicht zuversichtlich, dass wir Krieg vermeiden können.» Trump selbst schlägt zwar harte Worte an, erst am Montag bezeichnet er den Iran wieder als «Terrorstaat Nummer Eins». Militärisch übt er sich allerdings in Zurückhaltung - noch.

Trump will keinen neuen Krieg, der vor der US-Präsidentenwahl im November kommenden Jahres womöglich amerikanische Soldaten das Leben kosten könnte, mit Sicherheit aber die Ölpreise steigen lassen und die Weltwirtschaft belasten würde. Die boomende US-Wirtschaft ist Trumps größter Wahlkampfschlager. Spätestens seit den Angriffen auf wichtige Ölanlagen in Saudi-Arabien wächst allerdings auch in seiner republikanischen Partei der Druck auf den Präsidenten, den Iran härter als nur mit Sanktionen in die Schranken zu weisen.

Zu den Scharfmachern gehört der einflussreiche US-Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham. «Der Iran wird sein Fehlverhalten nicht beenden, bis die Konsequenzen realer werden», mutmaßte Graham nach den Angriffen in Saudi-Arabien - und der Senator lieferte gleich einen Vorschlag mit: Ein Angriff auf iranische Ölraffinerien würde der Regierung in Teheran «das Rückgrat brechen». Vor wenigen Tagen legte Graham dann nach. In einem Tweet an Trump schrieb er: «Es gibt Schritte zwischen Schwäche und totalem Krieg.» (dpa)