Im gegenseitigen Interesse

Während die katholische Kirche den Papst-Besuch als Chance begreift, ihr beschädigtes Verhältnis zu den Muslimen aufzubessern, nutzt die türkische Regierung die Gelegenheit, den Papst als Kronzeugen zu präsentieren, dass die Türkei zu Europa gehöre. Von Ömer Erzeren

Papst Benedikt XVI. zu Besuch bei Recep Tayyip Erdogan; Foto: AP
Freundlicher Empfang für den Papst in der Türkei - Proteste gegen den Besuch Benedikt XVI. blieben die Ausnahme

​​Viele Medien prophezeiten, dass die Türkei-Reise des Papstes den Konflikt zwischen dem geistlichen Oberhaupt der katholischen Kirche und den Muslimen, der vor fast drei Monaten nach der Regenburger Rede entfacht worden war, nicht entschärfen werde.

Man ging von einem "hohen Risiko" aus. In einer vielbeachteten Rede hatte der Papst damals einen byzantinischen Kaiser mit den Worten zitiert, der Islam sei gewaltätig und kenne keine Toleranz. Eine Anti-Papst Demonstration in Istanbul im Vorfeld des Besuches, zu der sich rund 10.000 Menschen einfanden, fand in der internationalen Presse große Beachtung.

Auch das Gezerre darum, ob überhaupt ein Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan stattfinden werde, verstärkte den Eindruck, dass ein ungebetener Gast erwartet werde. Hinzu kommt, dass Kardinal Ratzinger sich mehrfach gegen eine türkische Mitgliedschaft in der Europäischen Union ausgesprochen hatte. Bei der Papst-Wahl wurde in der Türkei immer wieder auf dieses Detail in der Biographie hingewiesen.

Unberechtigte Befürchtungen

Doch die Befürchtungen, der Papst werde eiskalt in der Türkei empfangen, erwiesen sich schon in den ersten beiden Tagen der Reise als grundlos. Der türkische Ministerpräsident Erdogan, der zum NATO-Gipfel nach Riga reiste, traf sich am Flughafen mit dem Gast aus dem Vatikan. Versöhnliche Worte wurden ausgetauscht.

Als Erdogan auch noch davon sprach, dass der Papst die Türkei auf dem Weg in die EU unterstütze, war das Eis endgültig gebrochen. Nach dem Eklat in Regensburg hatte der Vatikan offensichtlich gründliche Vorbereitungen dafür getroffen, dass die Reise auf ein positives Echo bei den türkischen Muslimen stößt. Es folgte eine Geste nach der anderen.

Beim Besuch des Mausoleums des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk schrieb Benedikt XVI. das Atatürk-Zitat "Frieden in der Heimat – Frieden in der Welt" in das Kondolenzbuch. In Ephesus, wo Maria als Mutter Jesus verehrt wird, sprach er gar ein paar Worte auf Türkisch und schwenkte eine türkische Flagge.

Er zitierte Papst Johannes XXIII, der zwischen 1935 und 1944 Nuntius des Vatikan in Ankara war, mit den Worten "Ich liebe die Türken". In seiner Predigt wurden die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum in den Vordergrund gerückt. Das Haus Marias ist auch für Muslime, die Maria verehren, ein Wallfahrtsort.

Positives Medienecho

Entsprechend sorgte der Papst fast ausschließlich für positive Schlagzeilen in den türkischen Medien. "Wider Erwarten in der westlichen Welt begann die Reise des Papstes in herzlicher Stimmung", schrieb das Massenblatt Hürriyet. In ihrer Online-Ausgabe beklagte die Zeitung die Rezeption in der christlichen Welt, dass der Papst angeblich ein ungern gesehener Gast sei.

So wurden viele positive Zuschriften von Lesern, die den Papst willkommen hießen, veröffentlicht. "Welch ein schöner Auftakt: Der Papst verkündet der Welt aus Ankara, dass der Islam eine Religion des Friedens ist", hieß es in der Hürriyet.

"Der Papst ruft zum Dialog auf", titelte die liberale Tageszeitung Milliyet und führte aus: "Alle Sorgen sind umsonst gewesen. Der Papst-Besuch hat einen guten Anfang genommen. Der Dialog zwischen den Kulturen und Religionen ist ein lebenswichtiges Bedürfnis, von dem unsere Zukunft abhängt."

Einzig den unbedeutenden Blättern, wie der rechtsextremen, islamistischen Vakit war der Papst in der Türkei ein Dorn im Auge. Auch Kritik an der eigenen Regierung fand sich in den türkischen Medien. Der eigenen Regierung wurde die anfänglich reservierte Haltung vorgeworfen. Es sei ein großer politischer Fehler gewesen, dass lange Zeit nicht feststand, ob es zu einem Treffen zwischen dem Papst und dem türkischen Ministerpräsidenten kommen werde.

Imagepflege

Doch spätestens seit der Äußerung Erdogans, dass es sich bei den Anti-Papst-Demonstranten um "marginale Gruppen" gehandelt habe, war klar, dass die türkische Regierung die Papst-Reise als außenpolitischen Erfolg verbuchen will.

Und auch der Vatikan war fest entschlossen nach den Irritationen und den Massenprotesten in islamischen Ländern im Anschluss an die Regensburger Rede mit der Papst-Reise positive Signale an die islamische Welt zu senden.

Die Reise unter dem geistlichen Motto "Christus ist unser Friede" entwickelte sich bald zum Ereignis, von dem beide Seiten politisch profitierten. Die katholische Kirche ergriff die Gegelgenheit, ihr beschädigtes Verhältnis zu den Muslimen aufzubessern. Die türkische Regierung nutzte die politische Chance den Papst als Kronzeugen zu präsentieren, dass die Türkei zu Europa gehöre.

Ömer Erzeren

© Qantara.de 2006

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