Zwischen Nomadenzelten und Kasbahs

Die Ausstellung "Leben unter dem Halbmond. Wohnkulturen der arabischen Welt" im Vitra Design Museum Berlin will mehr Verständnis für die arabische Welt wecken. Silke Bartlick hat sich die Ausstellung angesehen.

Die Ausstellung „Leben unter dem Halbmond. Wohnkulturen der arabischen Welt“ im Vitra Design Museum Berlin will mehr Verständnis für die arabische Welt wecken. Bis zum 18. Januar 2004 zeigen Architekturmodelle, Filme, Fotos, Keramiken und begehbare Räume, wie unterschiedlich die Menschen in Marokko, Syrien oder Ägypten wohnen.

Foto: Pressestelle Vitra Design Museum
Ausstellung, Vitra Design Museum Berlin

​​Unter dem Schutz eines Zeltdaches servieren Tuareg-Frauen in der Abendsonne der Sahara Tee. Teppiche in warmem Rot liegen auf dem Wüstenboden und Männer wie Kinder haben es sich auf prächtig bestickten Kissen bequem gemacht. Großformatig ist das Foto, das diese Szenerie ausbreitet, und auf einer vorgelagerten Rampe sind ein paar jener hölzernen und metallenen Gerätschaften ausgestellt, mit denen die Frauen auf dem Bild hantieren. Klug zwischen sie drapiert drei, vier zusätzliche kleine Fotos, die die Weite der Landschaft zeigen sowie Aufbau und Transport der mobilen Lebenswelt dieser nordafrikanischen Wüstenbewohner. Man hat die schwere Eingangstür des Vitra Design Museums wirklich kaum hinter sich geschlossen, da ist man auch schon unterwegs auf einer imaginären Reise zu den Wohnkulturen der arabischen Welt, deren erste Station die Nomaden Nordafrikas sind.

Faszination arabische Lebenswelten

„Man glaubt sehr viel zu wissen über arabische Wohnkulturen. Man kriegt gerade aufgrund der politischen Entwicklung im Moment sehr viel mit, meint der Kurator Mateo Kries. „Aber wenn man näher hinschaut, dann merkt man, dass einem so Vieles über diese Welt eigentlich gar nicht bekannt ist.“

Arabische Klänge, immer wieder neu, immer etwas anders, begleiten den Besucher von Station zu Station, auf in die Wand eingelassenen Videogeräten wechselt die Landschaft ihr Aussehen, und Fotos sowie immer neue Objekte - Bettgestelle, Teppiche in den warmen Farben der Wüste, Taschen und Krüge - gruppieren sich dann um die Modelle von Wohnhäusern, wie sie in ländlichen arabischen Regionen und in den Städten zwischen Marrakesch und S'anaa typisch sind.

Foto: Pressestelle Vitra Design Museum
Ausstellung, Vitra Design Museum Berlin

​​Mateo Kries meint, dass das arabische Haus nach außen immer völlig abgeschirmt ist, sei es das städtische oder das ländliche Haus. „Es hat meistens sehr kleine Fenster, damit natürlich wenig Wärme hineinkommt, und entfaltet die eigentliche Pracht des Hauses nach innen“, so der Kurator. Das traditionelle Haus in der arabischen Stadt ist ein Hofhaus, dort gibt es sehr häufig Brunnen, einen kleinen Garten. „Aber auch das ländliche Haus ist von außen sehr geschlossen, und man kommt dann in dieses Haus hinein und entdeckt drinnen etwas, was das Haus von außen nicht zeigt“, so Kries - nämlich prächtige Ornamente, Wandteppiche und eine in aller Regel zurückgenommene Möblierung. „Im traditionellen Bereich haben wir zum Beispiel die syrischen Kuppelbauten präsentiert, wo aus Lehmziegeln Kuppeln aufgeschichtet werden. Das ist eine weltweit einzigartige Bauweise, die unheimlich funktional ist, die hervorragende klimatische Möglichkeiten des Wohnens bietet“, meint der Kurator. Es werden auch marokkanische Kasbhas gezeigt, mehrstöckige Wohnburgen im Süden Marokkos, die so faszinierend sind, dass sie auf der Ausstellung präsentiert werden.

Vielen Besuchen, die er auf seinen Recherchereisen gemacht hat, sagt Mateo Kries, haftete freilich etwas Nostalgisches an. Denn oft hatten er und die Fotografin Deidi von Schaewen das Gefühl, die letzten Zeugen dieser faszinierenden Wohnkultur zu sein. Schließlich werden immer größere Teile der arabischen Welt von Trabantenstädten mit anonymen Betonbauten geprägt. Dass sich die ausgeklügelten arabischen Wohnkulturen aber gerade dank ihres reichen Erbes modernisieren können, zeigt das Vitra Design Museum am Ende seiner Schau - mit Neubauten in Casablanca, Beirut und Saudi-Arabien, die den Traditionen verhaftet bleiben.

Silke Bartlick, © 2003 Deutsche Welle

Weitere Informationen über die Ausstellung finden Sie hier