Der Anfang ist getan

Die ehemalige Premierministerin Sheikh Hasina und ihre linksgerichtete Awami-Liga haben die Parlamentswahlen in Bangladesch gewonnen. Bangladesch braucht nun eine politische Kultur, die den politischen Gegner respektiert und den Interessen des Landes höchste Priorität einräumt, meint Grahame Lucas.

Bild Sheikh Hasina Wajid; Foto: Mustafiz Mamun
Sheikh Hasina war schon einmal Premierministerin, von 1996 bis 2001. Korruption und Armut konnte sie damals nicht eindämmen.

​​ Die von den Militärs unterstützte Übergangsregierung in Dhaka hat ihr Versprechen gehalten und nach zwei Jahren die Rückkehr zur Demokratie in Bangladesch ermöglicht. Das ist die wichtigste Botschaft dieser Wahl. Die zweite ist, dass der Wahlkampf und die Wahlen weitgehend friedlich und ohne Manipulation verlaufen sind und einen eindeutigen Sieger hervorgebracht haben.

Das alles war nicht selbstverständlich, als der Ausnahmezustand am 17. Dezember 2008 aufgehoben wurde. Damit bekommt der südasiatische Staat eine neue Chance, zu zeigen, ob demokratisch gewählte Kräfte auf Dauer die Geschicke des Landes friedlich und frei von Korruption bestimmen können.

Der demokratische Anfang ist getan

Ob das Land in den kommenden Wochen und Monaten die Chance nutzt, ist allerdings noch offen. Die Geschichte des Landes und die vergangene Erfahrung sprechen nicht gerade dafür. Traditionell hat der Wahlsieger in Bangladesch stets alle Macht an sich gerissen, alle Posten besetzt und versucht, den politischen Gegner gnadenlos auszugrenzen. Wie beispielsweise vor zwei Jahren.

Damals, vor den für Januar 2007 angesetzten Wahlen, hatten sich Regierung und Opposition solche gewalttätigen Auseinandersetzungen geliefert. Sie standen einander so unversöhnlich gegenüber, dass die Militärs sich gezwungen sahen, den Notstand auszurufen und eine Übergangsregierung einzusetzen.

Seitdem hat die Übergangsregierung viel unternommen, um die Korruption zu besiegen. Trotz 100.000 Festnahmen gelang es aber der Justiz nur teilweise, korrupte Politiker zu verurteilen und die Parteien zu säubern. Im Zuge solcher Aktionen wurden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen mit rund 300 ungeklärten Todesfällen bekannt.

Stimmabgabe bei den Wahlen in Bangladesch am 29. Dezember 2008; Foto: Mustafiz Mamun
Die Wahlen Ende Dezember verliefen weitgehend friedlich und ohne Manipulationen. Die Wahlbeteiligung lag bei 70 Prozent.

​​Darüber hinaus wurden religiöse und ethnische Minderheiten verfolgt, die nichts anderes taten, als für ihre Rechte in dem überwiegend muslimischen Land einzutreten. Da die Pressefreiheit eingeschränkt wurde, konnten die Opfer und ihre Angehörigen ihre Stimmen nicht erheben.

Die Gerichtsverfahren gegen die bitteren Rivalen Sheikh Hasina und Khaleda Zia führten zu keinem Ergebnis. Beide flüchteten in den ärztlich attestierten Krankenstand. Die Neubesetzung von Spitzenämtern in den Volksparteien Awami-Liga und BNP schlug fehl. Die Parteifunktionäre schlossen die Reihen um die Vorsitzenden. Am Ende hatten die mächtigen Familienclans die Übergangsregierung überlebt.

Doch die Bilanz der Übergangsregierung weist auch zahlreiche Erfolge auf, die für die Zukunft berechtigte Hoffnungen wecken. Die Überprüfung des Wählerverzeichnisses hat dazu geführt, dass die Namen von über 12 Millionen nicht existierenden Wählern gelöscht wurden.

Starke Führung ist gefragt

Dies war nur durch eine wesentliche Stärkung der Wahlkommission möglich. Darüber hinaus wurden wegen Korruption verurteilte Politiker von den Wahlen ausgeschlossen. Die erfolgte Trennung zwischen dem Regierungsapparat und der Justiz wird eine Fortsetzung der Antikorruptionspolitik auch in Zukunft ermöglichen. Die Gründung der Menschenrechtskommission wird helfen, künftige Übergriffe auf politische Gegner sowie auf Minderheiten zu verhindern. Und nicht zuletzt, aber fast unbemerkt, hat die Übergangsregierung durch zahlreiche Programme die Zivilgesellschaft in wesentlichen Punkten gestärkt.

Bild Grahame Lucas; Foto: DW
Grahame Lucas meint, dass sich Sheikh Hasina nun der ihr übertragenen moralischen und politischen Verantwortung stellen muss.

​​Nun ist die Führung des Landes, die weitgehend ohne personelle Änderung wieder die Verantwortung übernimmt, gefragt wie noch nie zuvor. Die Wahlbeteiligung von 70 Prozent zeigt, wie hoch die Erwartungen der Menschen jetzt sind. Eine Wiederholung vergangener Sünden, bei denen die eigenen Interessen der Familienclans im Vordergrund standen, kann es und darf es nicht geben, denn sonst werden die Militärs wieder einschreiten. Die Demokratie würde das nicht überleben.

Bangladesch braucht nun eine politische Kultur, die den politischen Gegner respektiert und den Interessen des Landes höchste Priorität einräumt. Ein Anfang ist getan, mehr nicht. Nur so kann die westliche Entwicklungshilfe effektiv eingesetzt, nur so kann die Massenarmut besiegt und dem Klimawandel begegnet werden.

Mit viel Wählervertrauen ausgestattet, muss sich der Wahlsieger der ihm nun übertragenen moralischen und politischen Verantwortung stellen. Europa sollte darauf achten, dass dies geschieht und entsprechend seine Hilfe ausrichten.

Grahame Lucas

© Deutsche Welle 2008

Grahame Lucas ist DW-Experte für Südasien, Großbritannien, die USA und die EU.

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