Beharrlich für den Dialog

Seit mehr als einem viertel Jahrhundert verlegt Hans Schiler Bücher, die im weitesten Sinn den Orient zum Thema haben. Im Programm finden sich deutsch schreibende arabische Autoren, wissenschaftliche Untersuchungen und sogar zweisprachige Textausgaben.

Hans Schiler, Foto: privat
Hans Schiler

​​Seit dem Sturz des Schah im Iran und erneut seit dem 11. September wird mit dröhnender Vollmundigkeit davon geredet, wie wichtig der Dialog des "Westens" mit der "islamischen Welt" sei. Einer, der dies seit mehr als 25 Jahren mit Hartnäckigkeit ernst nimmt, ist der Berliner Verleger Hans Schiler. Christoph Burgmer besuchte den Verleger in Kreuzberg.

Hans Schiler ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Krisenmanagement, wie man heute im Verlagswesen wirtschaftsdeutsch angepasst alles das nennt, was mit dem Verkauf von Büchern zu tun hat, ist seit nunmehr fast dreißig Jahren der Alltag des Verlegers aus Berlin. Aus der Abstellkammer hat er einen zweiten Stuhl geholt, einige Kisten beiseite geschoben und auf dem Schreibtisch ein wenig Platz für ein Glas Wasser geschaffen. Erst vor einigen Wochen ist er mit seinem neuen Hans Schiler Verlag (www.verlag-hans-schiler.de) in ein Ladenlokal in die Fidicinstrasse 29 nach Berlin Kreuzberg umgezogen. Er ist derzeit der einzige Bewohner des mehrstöckigen Altbaus. Das Haus wird kernsaniert. Bohren, Hämmern, das Verlegen neuer Wasser- und Stromleitungen, nichts kann seine Konzentration stören. Das Herbstprogramm muss fertig werden, die Auslieferung an die Buchhändler steht vor der Tür. Einen "Ein-Mann-Verlag" zu betreiben ist Erfahrungssache. Niemand nimmt den Telefonhörer ab, als der Verleger selbst, bestimmt das neue Programm, verhandelt mit der Druckerei, den Autoren, den Buchhandlungen, schreibt Abrechnungen, Mahnungen, lektoriert in den wenigen ruhigen Stunden die Buchmanuskripte und durchforstet die unverlangt eingesandten Manuskripte nach zukünftigen Titeln.

Natürlich ist Hans Schiler ein Idealist. Aber sicher kein Fantast, wie so mancher Kleinverleger. Eitelkeiten kann er sich nicht leisten, ja, noch nicht einmal eine Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse ist finanziell möglich. Dabei hat Hans Schiler schon mehr zum Verständnis der arabisch-islamischen Welt beigetragen als manch anderer Verlag. Es ist wohl das Schicksal des Pioniers, niemals eine entsprechende Würdigung für sein Engagement zu bekommen. "Das ist mir nicht so wichtig", sagt er, "wir müssen weiter dafür arbeiten, dass der Austausch zwischen Orient und Europa intensiviert wird" - ein Projekt, dem sich Hans Schiler seit 25 Jahren verschrieben hat. Damals, 1977, gründete der studierte Islamwissenschaftler den Verlag "Das Arabische Buch", dem eine Buchhandlung angeschlossen war. Die Konzeption bestand darin, einen kulturellen Raum zu schaffen, in dem eine Begegnung, ein Austausch zwischen Europa und dem Orient, der arabischen, persischen, türkischen und indischen Welt möglich werden sollte.

Zur Erinnerung: 1977, nach der überwundenen sogenannten Ölkrise und noch zwei Jahre vor dem Schock im Westen nach der islamischen Revolution im Iran, fanden sich kaum Titel arabischer oder persischer AutorInnen in den Sortimenten der deutschen Buchhändler. Sachbücher zur Region wurden für die Studenten an den Fachinstituten der Universitäten verfasst, Islam, Koran, Scharia, islamischer Fundamentalismus waren Fremdwörter in öffentlichen Diskussionen zur weltpolitischen Situation. Die gesamte innerarabische Literaturdiskussion war bestenfalls eingeweihten Kreisen bekannt. Hans Schiler sollte dies ändern helfen. Einerseits wurden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen veröffentlicht, die sonst keinen Verlag gefunden hätten, andererseits brachte man literarisch prämierte Frühwerke heraus, wie zum Beispiel von Rafik Schami oder auch den damals noch unbekannten Autor Salim Alafenisch. Auch zweisprachige Texte und Übersetzungen klassischer arabischer oder persischer Texte fanden sich im Programm. Als der Verlag "Das Arabische Buch" im Sommer vergangen Jahres schließen musste, weil insbesondere die Etats der Universitäten für Ankauf von Fachbüchern zusammengestrichen worden waren, übernahm Hans Schiler einen Teil der Titel in die Backlist des nach ihm benannten neuen Verlages. Lieferbar sind nur noch wenige ausgewählte Titel, wie eine exzellente Übersetzung des Rosengartens von Saadi oder die von dem in Köln im Exil lebenden irakischen Lyriker Khalid Al-Maaly herausgegebene Anthologie "Zwischen Zauber und Zeichen. Moderne Arabische Lyrik von 1945 bis heute" (die im übrigen ein Titel im Jahresprogramm 2000 des ANDEREn Literaturklubs war).

Manch eines der Bücher, die Hans Schiler heute noch betreut, hat weltweite Diskussionen hervorgerufen. Als sich 1999 kein Verlag für die wissenschaftliche Untersuchung mit dem schwierigen Titel "Die Syro-Aramäische Lesart des Koran" fand, war es Hans Schiler, der erkannte, welche Bedeutung die wissenschaftliche Untersuchung hatte und der das Risiko der Veröffentlichung auf sich nahm. Inzwischen fand das Buch weltweite Resonanz, wurde in Zeitungen wie der New York Times, der Los Angeles Times, La Stampa und im Guardian großseitig rezensiert. Welches deutsche Sachbuch hat schon ein solche Erfolgsstory hinter sich? In Deutschland, wie so oft in Bezug auf fundierte Werke zur islamisch-arabischen Welt, blieb die Reaktion weitgehend aus.

Eines wird auch an diesem Fall wieder mehr als deutlich. Ein Verleger mit der Fachkenntnis und Erfahrung wie Hans Schiler wäre im anglo-amerikanischen Raum oder in Frankreich eine bekannte öffentliche Person. Die Frage ist allerdings, ob der Kreuzberger Verleger dies überhaupt wollen würde. "Der neue Verlag nimmt jede Aufmerksamkeit in Anspruch", sagt er, "denn das Programm soll mit Titeln zum Rechtsradikalismus und zur Globalisierung erweitert werden." Anknüpfen will Schiler auch an die Tradition, Bücher arabischer Autoren zu veröffentlichen, die in deutscher Sprache schreiben. Ein Schatzsuche, mit allen Schwierigkeiten verbunden, die man kennt, aber mit der Gewissheit, hier und da eine Perle zu finden. Natürlich weiß Schiler, dass ihm – sollte er Erfolg haben – die großen Verlage den Autor abjagen werden. Denn einen jungen Schriftsteller im belletristischen Handel richtig zu vermarkten, dazu sind seine finanziellen Möglichkeiten zu gering. Der Buchmarkt ist eben kein Geschäft für Romantiker. Das aber immer noch Raum für kühle rechnende, kreative Kleinverleger ist, mag man als Glück bezeichnen. Für Hans Schiler ist es das Ergebnis konsequenten, hartnäckigen Bemühens. So bleibt dem unnachgiebigen Kreuzberger Verleger weiterhin jenes Fingerspitzengefühl zu wünschen, das in den vergangen 25 Jahren dazu beitrug, unsere Ansichten über "den Orient" im weitesten Sinne mit fundierten Sachbüchern und neuester Belletristik zu bereichern. Ohne Verleger wie Hans Schiler, das ist sicher, fehlte dem Meinungsaustausch zwischen Europa und der "islamischen Welt" einer ihrer wichtigsten Protagonisten.

Von Christoph Burgmer

Quelle: LiteraturNachrichten 74/2002; © 2002 LiteraturNachrichten

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