USA: Die Regierung liest mit!

Weltweit haben Regierungen den 11. September 2001 zum Anlass genommen, die Überwachung des Internets zu verschärfen. Das gilt auch für die USA - obwohl dort schon vorher versucht wurde, das Netz zu kontrollieren.

Wenn Amerika gegen das Böse kämpft, hat das häufig einen wohlklingenden Namen. Echelon ist so einer. Unter der Bezeichnung Echelon hat die US-Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg ein elektronisches System aufgebaut, das weltweit Telefon- und Faxverbindungen aufzeichnet, um dort nach verwertbaren Informationen zu suchen. Seit dem Siegeszug des Internets durchsucht Echelon auch den E-Mail- und Datenverkehr. Jahrzehntelang galt es als so geheim, dass Washington sogar die Existenz des Systems bestritt. Über die Fähigkeiten Echelons kursierten allenfalls wage Vermutungen, bis ein Untersuchungsbericht des EU-Parlamentes Ende der 1990er Jahre ein wenig Licht ins Dunkel brachte und auch der ehemalige Chef des Geheimdienstes CIA (Central Intelligence Agency) James Woolsey im März 2000 in einem Zeitungsinterview verkündete: "Ja, meine kontinentaleuropäischen Freunde, wir haben euch ausspioniert."

Echelon überwacht E-Mail- und Telefonverkehr

Die Überwachung europäischer Bürger und Unternehmen - sie existierte lange bevor sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Gedanken über die Zuverlässigkeit der Europäer machte, und den Kontinent in alt und neu - in gut und böse - aufteilte. Zudem stehen die europäischen Bürger und ihre Regierungen, glaubt man dem Bericht, der Sammelwut der USA und dem Angriff auf die Bürgerrechte hilf- und schutzlos gegenüber. Die einzige Möglichkeit, dem Verbündeten die Überwachung des Netzes etwas mühevoller zu machen, soll der flächendeckende Einsatz von Verschlüsselungsprogrammen für den E-Mail-Verkehr sein.

Massive Ausweitung der Netzüberwachung

Nur sechs Tage nach der Veröffentlichung des Echelon-Abschlussberichtes erlebten die USA mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein Fiasko ihrer bisherigen Aufklärungsarbeit. Die Suche nach verdächtigen Informationen im Netz wird seitdem massiv verstärkt, die Internet- und Telefonüberwachung ausgeweitet - weltweit, aber auch bei den rund 155 Millionen Internet-Nutzern im eigenen Land. Carnivore heißt das Programm, das dies erledigen soll - was auf Italienisch Fleischliebhaber bedeutet. Ein schöner Name für die von der Bundespolizei FBI (Federal Bureau of Investigation) entwickelte Technologie, die nach der Installation bei den Internet-Service-Providern (ISP) alle dort auflaufenden E-Mails aufzeichnen und nach Schlüsselwörtern durchsuchen kann. Nach Informationen der Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" installierten FBI-Beamten bereits wenige Stunden nach den Attentaten auf das World Trade Center die Software bei allen großen US-amerikanischen ISP. Die US-Regierung ist heute davon überzeugt, dass die Attentäter das Internet für die Absprache ihres Anschlages benutzt und dabei auf Verschlüsselungssoftware zurückgegriffen haben.

Carnivore scannt E-Mails nach Schlüsselwörtern

War bis zu diesem Zeitpunkt für den Einsatz von Carnivore ein Gerichtsbeschluss notwendig, so entfiel dies vorübergehend mit dem Combating Terrorism-Act - dem Anti-Terror-Gesetz - das das amerikanische Parlament zwei Tage nach den Attentaten verabschiedete. Mit dem USA PATRIOT Act (Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism) wurden die Befugnisse der Ermittlungsbehörden am 26. Oktober 2001 noch einmal deutlich erweitert und die Überwachung des Internets praktisch legalisiert.

Überwachung von Computerhackern

Das Gesetz gestattet den US-Behörden, den E-Mail-Verkehr sowie das Browsing im Netz ohne richterliche Anordnung zu überwachen, so dass Kritiker von einem Angriff auf die im Verfassungszusatz garantierte Redefreiheit sprechen. Computerhacker können von ISP und Universitäten ebenfalls ohne richterliche Anordnung überwacht werden. Darüber hinaus müssen die ISP in Verdachtsfällen deutlich detailliertere Informationen über Internet-Aktivitäten zur Verfügung stellen als bislang üblich. Die aus den Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen mit anderen Geheimdiensten ausgetauscht werden. Schließlich wurden auch die Hürden für die Telefonüberwachung verdächtiger Personen deutlich gesenkt.

Carnivore wurde mittlerweile umbenannt und firmiert nun unter dem unscheinbaren Kürzel DCS 1000. An neuen, noch leistungsfähigeren Überwachungsinstrumenten sollen nach Informationen von amerikanischen Bürgerrechtlern sowohl das FBI als auch das amerikanische Verteidigungsministerium arbeiten. Die Überwachung des Netzes geht weiter - die Bezeichnungen ändern sich.

Andreas Noll

© 2003, DW-online