Rückkehr der Diktatoren

Wie die Nahostpolitik von Trumps Administration im Detail aussehen wird, ist noch nicht abzusehen. Doch soviel steht bereits fest: Seine Nichteinmischungspolitik und "pragmatischen" Bündnisse mit autoritären Herrschern drohen die Rückkehr von repressiven Diktaturen zu bestärken. Von René Wildangel

Von René Wildangel

Donald Trump wird zu einem Zeitpunkt als amerikanischer Präsident antreten, in dem die Lage im Nahen und Mittleren Osten katastrophaler nicht sein könnte. Zerstörerische Gewalt, zerfallende Staaten, ethnische und religiöse Konflikte und als vermeintliches Heilmittel eine Rückkehr zur Autokratie: Das ist die Lage vor dem Wechsel im Weißen Haus.

Die Bilanz seiner beiden Vorgänger ist ernüchternd: George W. Bush und seine neokonservativen Ideologen wollten mit militärischen Interventionen und "Regime Change" den Nahen Osten demokratisieren. Aber Bush und sein Vize-Präsident Dick Cheney hatten auch handfeste wirtschaftliche Eigeninteressen. Im sogenannten "Krieg gegen den Terrorismus" nach dem 11. September gingen zudem alle völkerrechtlichen Maßstäbe verloren. Unter US-amerikanischer Besatzung entstanden im Irak ein erbitterter gewaltsamer Widerstand und ein neues Schlachtfeld für den internationalen Terrorismus.

Präsident Obama trat 2008 an, um einen Neuanfang zu wagen. Mit seiner Grundsatzrede in Kairo 2009 ("A new beginning") weckte er in der gesamten islamischen Welt riesige Hoffnung: "Ich bin hier her gekommen, um einen Neuanfang zwischen den USA und den Muslimen in der Welt zu beginnen; basierend auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt; und basierend auf der Tatsache dass Amerika und Islam (...) gemeinsame Prinzipien teilen; Toleranz und die Würde aller Menschen."

Obamas Haltung war zweifellos aufrichtig, und während seiner Präsidentschaft versuchte er immer wieder seine persönliche Wertschätzung auszudrücken: Schon lange vor dem Atomabkommen mit Iran schickte er per Videonachricht Nouruz-Grüße nach Iran, wünschte Muslimen in der ganzen Welt zu Ramadan "Eid Mubarak". Vor allem aber zog er nach dem Amtsantritt Truppen aus dem Irak und Afghanistan ab.

Keine Abkehr vom "Krieg gegen den Terror"

Ein Ende des gescheiterten "Krieges gegen den Terror" bedeutete das jedoch nicht. Die Anwendung des berüchtigten "Waterboardings" seitens der CIA beendete Obama, Guantanamo zu schließen gelang ihm nicht. Die Terrorbekämpfung wurde mit Luftangriffen und Drohnenangriffen fortgeführt, denen auch weiterhin zahlreiche Zivilisten zum Opfer fielen.

Jüngste Wikileaks-Enthüllungen zeigen zum Beispiel das Ausmaß des militärischen Engagements im Jemen-Krieg. Der US-Thinktank POMED sieht anhand der drastisch gesunken Ausgaben für Demokratisierungsmaßnahmen und Rekord-Waffenlieferungen von 100 Milliarden Dollar nach Nahost am Ende der Obama-Ära einen Trend zu "engen Verbindungen mit repressiven Regierungen und noch weitergehender Militärhilfe."

Als die arabischen Revolutionen scheiterten, war der Präsident nur noch ratloser Zuschauer. Als seine selbst definierte rote Linie, der Giftgaseinsatz in Syrien, vom Assad-Regime überschritten wurde, handelte er nicht. Die jungen Menschen, die in der Region auf die Straße gegangen waren und ihn als Hoffnungsträger sahen, sitzen heute zu Tausenden in ägyptischen oder syrischen Gefängnissen. Obama hat die riesigen Erwartungen seiner Kairorede, die ein wichtiger Grund für die Verleihung des Friedensnobelpreises 2009 waren, enttäuscht.

In dieser Hinsicht sind die Erwartungen an Donald Trumps Nahostpolitik äußerst gering: Angesichts seiner islamophoben Tiraden und seinem Lob für Diktatoren wie Baschar al-Assad, Abdel Fattah al-Sisi oder Saddam Hussein, aber auch angesichts seines offensichtlichen Desinteresses und Unverständnisses der Dynamiken in der Region.

Bekennende Islamhasser an der Macht

Im Wahlkampf schürte er massive Ängste vor "dem Islam" und stellte Muslime unter Generalverdacht. Obama bezeichnete er gar als „Gründer von ISIS“, weil dessen Regierung nicht genug im Kampf gegen den Terror des Islamischen Staates tue. Aber außer brachialer Rhetorik blieb er Antworten in Richtung einer eigenen Strategie schuldig. Mehrere Mitglieder seiner zukünftigen Administration – wie etwa sein designierter Sicherheitsberater Michael Flynn – sind bekennende Islamhasser. Der bezeichnete "Islamismus als ein Krebsgeschwür im Körper von 1,7 Milliarden Menschen, das herausgeschnitten werden muss."

Michael Flynn, designierter Nationaler Sicherheitsberater unter Trump; Foto: picture-alliance/dpa
Hass und Vorurteile gegenüber Muslimen: Seine islamkritische Äußerungen haben dem designierter Sicherheitsberater Michael Flynn unter Kollegen einen zweifelhaften Ruf eingebracht. Anfang des Jahres twitterte Flynn, es sei "rational", Angst vor Muslimen zu haben. "Der Islam ist eine politische Ideologie", so Flynn, "wie ein bösartiger Krebs".

Trumps Kalkül, mit islamophoben Klängen bei den Wählern zu punkten, ging auf. Details über die Zusammenhänge in Nahost, über die Ursachen der Krisen und Kriege, über Millionen muslimischer Flüchtlinge, die selbst vor Terror fliehen, mutete er seinen Anhängern nicht zu. Stattdessen wies er nach Deutschland, wo angeblich ein Land im Flüchtlingschaos versinke.

Seine islamophobe und rassistische Forderung, Muslimen willkürlich die Einreise in die USA zu verbieten, hat Trump seit Ende des Wahlkampfs klammheimlich entsorgt. Allerdings wurden bereits unter der Obama-Administration die Einreiseregeln für Menschen aus Ländern wie Iran oder Syrien verschärft und hilfsbedürftige Flüchtlinge hatten kaum Möglichkeiten in die USA zu gelangen. Gerade einmal 10.000 syrische Flüchtlinge kamen 2015/16 ins Land. Unter Trump könnte das Aufnahmeprogramm endgültig beendet werden.

Auch gegenüber dem Iran schlug Trump einen harten Ton an. Er wetterte gegen das weltweit als außenpolitischen Erfolg gefeierte Nuklear-Abkommen und kündigte an er werde neu verhandeln sowie neue Sanktionen gegen Iran verhängen.

Auch der designierte CIA-Chef Mike Pompeo und UN-Botschafterin Niki Haley sind überzeugte Gegner des Abkommens mit dem Iran. Eine Rückkehr zu Kriegsdrohungen vergangener Jahre ist zwar unwahrscheinlich, eine Verbesserung der US-iranischen Beziehungen in den nächsten vier Jahren scheint aber angesichts der iranfeindlichen Haltung in Trumps Kabinett und dem republikanisch beherrschten Kongress ebenfalls ausgeschlossen.

Im Widerspruch zu dieser harten Haltung gegenüber Iran stehen Trumps Äußerungen zu Syrien: Er will zu einer Verständigung mit Russland kommen und scheint bereit, die russische Strategie einer Friedhofsruhe unter Assad – dem iranischen Verbündeten – zuzustimmen. Assad selbst begrüßte die Wahl von Trump, den er als einen "natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus" bezeichnete.

Während die US-Administration mit der Transition beschäftigt ist, nutzt Russlands Präsident Putin den Zeitpunkt für eine Großoffensive auf Aleppo, von der noch immer Hundertausende Zivilisten bedroht sind und zu der der gewählte Präsident Trump noch kein einziges Wort verloren hat. So könnte es in der Tat auf einen baldigen militärischen Sieg Assads herauslaufen, der so für seine brutalen Menschenrechtsverbrechen belohnt wird. Aber solange er an der Spitze steht, wird Syrien nicht zur Ruhe kommen.

Rückkehr zur unilateralen, isolationistischen Politik

In einem Interview mit der New York Times macht Trump deutlich, dass er weder Interventionen noch "Nation-Building" als Aufgabe der USA ansieht.

Er tendiert zu einer unilateralen, isolationistischen Politik, die sich stärker an amerikanischen und auch seinen ganz persönlichen Interessen ausrichten wird, aber keinen Anspruch an die USA mehr als Ordnungsmacht und globalen multilateralen Gestalter erhebt.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Russlands Präsident Putin; Foto: picture-alliance/dpa
Im Club der Autokraten: An Arrangements mit Diktatoren stört sich Trump nicht – solange man mit ihnen Geschäfte machen kann oder sie durch Geheimdienstapparate und Repressionen vermeintliche Sicherheit schaffen. Den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, unter dessen Herrschaft bereits mehr politische Gefangene verhaftet wurden als einst unter Mubarak, bezeichnete Trump als einen "fantastischen Typen", mit Russland Präsident Putin will er zu einer Verständigung kommen.

An Arrangements mit Diktatoren stört sich Trump nicht – solange man mit ihnen Geschäfte machen kann oder sie durch Geheimdienstapparate und Repressionen vermeintliche Sicherheit schaffen. Den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, unter dessen Herrschaft bereits mehr politische Gefangene verhaftet wurden als einst unter Mubarak, bezeichnete Trump bei einem Treffen am Rande der UN-Generalversammlung in New York als einen "fantastischen Typen".

Weniger eindeutig ist seine Haltung zu Israel. Aber die unter Obama zuletzt schwer beschädigten Beziehungen mit Netanjahu dürften sich verbessern. Die israelische Rechte feierte Trumps Sieg. Die Idee eines palästinensischen Staates soll nach ihrem Willen jetzt endgültig begraben werden. Für Trump seien Siedlungen "kein Hindernis für den Frieden" hieß es angeblich aus Beraterkreisen. Das wäre ein grünes Licht für die israelische Rechtsregierung, die Befürworter einer Annexion von Teilen der Westbank könnten triumphieren.

Auch die Einheit Jerusalems und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem könnte vollzogen werden, so wie das die Republikaner seit Jahren im Kongress einfordern. Damit würden sich die bisherigen roten Linien amerikanischer Außenpolitik im Nahostkonflikt verschieben und in ihrem 50. Jahr die israelische Besatzung endgültig zum Dauerzustand werden. Die viel zitierte dritte Intifada wäre ebenso eine mögliche Folge wie ein enormer Auftrieb für die weltweite Boykottbewegung gegen Israel.

Temporäre Scheinstabilität

Wie die Nahostpolitik von Trumps Administration im Detail aussehen wird ist noch nicht abzusehen. Auch Trumps ökonomische Eigeninteressen dürften eine Rolle spielen. Er macht seit Jahrzehnten Geschäfte am Golf. In Dubai baut er Luxus-Golfressorts. Diese Investments wird Trump nicht gefährden wollen. Ebenso wird er die unter Obama auf einen Rekordstand gestiegenen Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien fortsetzen, obwohl er Saudi-Arabien im Wahlkampf scharf kritisiert hatte.

Trumps Nichteinmischungspolitik und "pragmatische" Bündnisse mit autoritären Herrschern drohen die Rückkehr von repressiven Diktaturen zu bestärken, sie als vermeintliche Garanten von Sicherheit wieder salonfähig zu machen. Aber das derzeitige Chaos in der Region ist Folge ebendieses Paradigmas. So wird Trumps Rückzug höchstens eine temporäre Scheinstabilität schaffen. Derweil werden sich die sozialen, religiösen und ethnischen Gräben weiter vertiefen. Darunter leiden werden die Zivilgesellschaften und all jene demokratisch gesinnten Menschen in der Region, die noch immer auf einen Neuanfang hoffen.

René Wildangel

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