Trump und die Kosmopoliten

Für die Regierung Trump ist Kosmopolitismus ein Schimpfwort. Sie verwendet damit die Redeweise von rechten Bewegungen, die sich gegen liberale Eliten und Minderheiten richten. Damit bewegen sich Trunmp und manche Berater in einem gefährlichen gedanklichen Umfeld, schreibt Ian Buruma in seinem Essay.

Von Ian Buruma

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, dass sie die legale Einwanderung in die USA halbieren und dabei gut ausgebildete Einwanderer bevorzugen will, die gut Englisch sprechen. Ein CNN-Korrespondent namens Jim Acosta, Sohn eines kubanischen Einwanderers, stellte dieses Vorhaben gegenüber Trumps leitendem politischen Berater Stephen Miller in Frage.

Er erklärte, dass die USA traditionell die Armen der Welt bei sich aufnehmen, von denen viele kein Englisch sprächen. Daraufhin beschuldigte Miller den Korrespondenten der „kosmopolitischen Voreingenommenheit“.

Acosta hatte gefragt, ob die neue politische Linie bedeute, dass nur noch Menschen aus Großbritannien oder Australien die Einreise erlaubt würde. Er war möglicherweise etwas provozierend. Doch die in Millers Antwort implizierte Schlussfolgerung war, dass in Acostas „Voreingenommenheit“ eine Art von Rassismus stecke.

Bedenkt man, dass diese Äußerung von einer Regierung stammt, die sich zumindest gelegentlich bei weißen Rassisten anbiedert, war dies gelinde gesagt bemerkenswert.

Man fragt sich, ob Miller irgendeine Vorstellung von der historischen Verwendung des Wortes „kosmopolitisch“ als Schimpfwort hatte.

Als Abkömmling armer Juden, die vor mehr als einem Jahrhundert aus Weißrussland eingewandert sind, sollte er das.„Wurzellose Kosmopoliten“ war die von Joseph Stalin verwendete, verklausulierte Bezeichnung für Juden. In den frühen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begann der sowjetische Diktator eine Kampagne gegen jüdische Intellektuelle, Wissenschaftler und Schriftsteller. Man beschuldigte sie eine Neigung zum Westen zu haben und sich der Sowjetunion gegenüber illoyal zu verhalten.

Kosmopoliten galten als illoyal

Juden galten nicht als gebürtige Russen sondern als Mitglieder internationaler Seilschaften und daher per se als verräterisch.

Aber Stalin war nicht der Erfinder dieser Idee. In den 1930er Jahren schwärzten Faschisten und Nazis die Juden (neben Marxisten und Freimaurern) als „Kosmopoliten“ oder „Internationalisten“ mit zweifelhafter Loyalität war.

USA. Ku-Klux-Klan und andere Gruppen demonstrieren im US-Staat Virginia. Foto: picture-alliance/dpa/AA/abaca/S. Corum
Demonstration des Kukluxklan in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia. Nachdem ein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten gerast war, hatte sich Trump in den Augen vieler Amerikaner nicht eindeutig genug von Neo-Nazis, Mitgliedern der Alt-Right-Bewegung und sog. White-Supremacists distanziert.

Es ist die Art Vokabular von Bewegungen, die sich an der eigenen Nation orientieren und ethnischen oder religiösen Minderheiten sowie der geistigen und der Finanzelite feindselig gegenüberstehen, weil diese sich angeblich verschworen hätten, um den „wahren“ Söhnen und Töchtern der Nation zu schaden.

Für die Faschisten der Vorkriegszeit galten die USA häufig als Symbol kosmopolitischer Dekadenz. Der beleidigende Gebrauch des Wortes „kosmopolitisch“ hat daher eine zutiefst antiamerikanische Herkunft.

Zu den Merkwürdigkeiten der Trump-Regierung gehört es, dass mehrere ihrer wichtigsten Vertreter eine traditionell antisemitische Rhetorik neu belebt haben, obwohl einige von ihnen selbst Juden sind, wie der politische Berater Stephen Miller. Der (inzwischen entlassene, Anm. der Red.) Chefideologe des ethnischen Nationalismus im Zeitalter Trumps, Steve Bannon, ist ein reaktionärer Katholik.

Bannon hat eine Vorliebe für faschistische, französische und italienische Denker aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts wie Charles Maurras (von der Action Française) und Julius Evola, eine düstere Gestalt, die Heinrich Himmler bewunderte und im Zweiten Weltkrieg für die deutsche Polizei arbeitete.

Doch die Ablehnung des Kosmopolitismus als eine spezielle katholische Pathologie zu betrachten, wäre ein Fehler. Die erste Verwendung des Begriffs „kosmopolitisch“ als Beleidigung erfolgte im Zusammenhang mit der protestantischen Rebellion gegen die katholische Kirche.

Die protestantischen Rebellen der Reformationszeit sahen den Vatikan in Rom als Zentrum eines weltweiten „kosmopolitischen“ Netzwerks, das nationale Bestrebungen unterdrückte. Spuren dieses Vorurteils lassen sich noch heute bei einigen Gegnern der Europäischen Union finden, die den Sitz der Europäischen Union in Brüssel als eine Art neues Rom betrachten.

Misstrauen gegenüber Intellektuellen und Eliten

Es ist unwahrscheinlich, dass Stephen Miller ein Antisemit ist. Immerhin wuchs er in einer liberalen Familie in Kalifornien auf. Vielleicht war seine frühe Neigung zum Rechtsextremismus ebenfalls eine Form der Rebellion, wenn auch einer Rebellion, die ihn bald in die Gesellschaft zweifelhafter Verbündeter führte.

Als Student an der Duke University freundete er sich mit Richard Spencer an, einem White-Supremacy-Aktivisten, der später für eine „friedliche ethnische Säuberung“ warb, um die „weiße Zivilisation“ zu bewahren – was immer das sein mag. Was viele Trump-Anhänger und Rechtspopulisten in anderen Ländern

Ian Buruma. Foto: Merlijn Doomernik
„Kosmopolitische Voreingenommenheit“: Dieser Vorwurf spiegelt „die gemeinsame Ablehnung von Muslimen und den liberalen Eliten, die häufig beschuldigt werden, diese zu verhätscheln“, schreibt Ian Buruma in seinem Essay. Diese Ablehnung eint viele Trump-Anhänger und Rechtspopulisten in anderen Ländern einschließlich Israels.

einschließlich Israels eint, ist ihre gemeinsame Ablehnung von Muslimen und liberalen Eliten, die häufig beschuldigt werden, diese zu verhätscheln. Wenn Miller von kosmopolitischer Voreingenommenheit" spricht, meint er vermutlich dies.

Doch Misstrauen gegenüber Muslimen ist nur ein Teil der Geschichte. Gesellschaftliche Eliten, liberale Intellektuelle und kritische Journalisten sind der Feind derer, die sich nach Macht sehnen. Denn sie glauben ständig, dass auf sie herabblickt, wer als kultivierter erscheint.

Dies ist nicht immer eine Frage der gesellschaftlichen Schicht. Präsident George W. Bush etwa verabscheute Französisch sprechende amerikanische Reporter. Auch dies ist kein neues Phänomen. In vielen Gesellschaften haben die oberen Schichten häufig eine Neigung, sich von der breiten Masse der Bevölkerung abzugrenzen, indem sie die Sprache und Manieren von Kulturen übernehmen, die als überlegen gelten.

Die europäischen Aristokraten im 18. Jahrhundert sprachen Französisch. Der moderne englische Nationalismus begann als Revolte gegen diese Art von Gehabe im Namen von John Bull, Roastbeef und Old England.

Nicht alle populistischen Rebellionen sind per se rassistisch oder faschistisch. Auch die Demokratie war ein Produkt des Widerstandes gegen die aristokratische Herrschaft. Doch es fällt schwer zu glauben, dass Trump und seine Ideologen wie Miller oder Bannon daran interessiert sind, demokratische Rechte auszuweiten. Auch wenn sie vorgeben, für das - wie sie es gern formulieren - „wahre“ Volk zu sprechen.

Bannon etwa ist antiliberal und stolz darauf. Er soll sich selbst als Leninisten beschrieben haben, der den Staat zerstören will.

Doch gönnen wir Miller einen Vertrauensvorschuss. Wenn er „kosmopolitisch“ als Schimpfwort benutzt, ist er sich vielleicht der Vorgeschichte des Begriffs nicht bewusst. Die Geschichte des faschistischen, nazistischen und stalinistischen Antisemitismus kann ihm unbekannt sein.

Nehmen wir an, dass diese Vergangenheit für ihn nicht wirklich existiert. Er ist einfach ein unwissender Kritiker dessen, was er als das liberale Establishment betrachtet. Doch Ignoranz kann genauso gefährlich sein wie Bösartigkeit, besonders wenn sie gewaltige Macht im Rücken hat.

Ian Buruma

© Project Syndicate 2017

Ian Buruma ist ein britisch-niederländischer Autor und Publizist. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen wie  etwa den Erasmus-Preis im Jahr 2008. Im September 2017 wird er neuer Chefredakteur der New York Review of Books.