Neue Allianz für den Dialog der Kulturen

Vom 6. – 7. April 2009 fand in Istanbul das zweite Forum der "United Nations Alliance of Civilizations" statt. Die Veranstalter bezeichneten es als das "weltweit wichtigste Ereignis für die Unterstützung der Verständigung zwischen den Kulturen". Über diese Organisation und ihre Aktivitäten informiert Manfred Ewel.

Gruppenbild der Konferenzteilnehmer; Foto: dpa
Gruppenbild der hochrangigen Konferenzteilnehmer: Zu dem Treffen in Istanbul waren mehrere Staatsoberhäupter und über 50 Minister angereist.

​​ Unter den zahlreichen internationalen Initiativen für den Dialog der Kulturen hat sich die Alliance of Civilizations (AoC) in kurzer Zeit zur hochrangigsten Organisation entwickelt. Ihre Aufgaben liegen im Bereich der Netzwerkbildung und der Unterstützung für interkulturelle Projekte sowie für die auf diese Thematik ausgerichtete Medienarbeit.

Weiterhin fördert sie Bildungsmaßnahmen im breitesten Sinne, indem sie erfolgreiche Erfahrungen für Verständnis und Toleranz vermittelt, wobei der Schwerpunkt auf dem Verhältnis zwischen den westlich und den islamisch geprägten Ländern liegt.

Die Partner und Zielgruppen reichen von internationalen Organisationen bis zu den Massenmedien, von Regierungen bis zur Zivilgesellschaft und von religiösen Persönlichkeiten bis hin zur Jugendarbeit.

Eine übergreifende Organisation für den Dialog der Kulturen

Mit Unterstützung der Vereinten Nationen sowie auf Initiative der Regierungen Spaniens und der Türkei wurde eine hochrangige Expertengruppe gebeten, ein Aktionsprogramm zu erstellen, und der ehemalige Präsident Portugals, Jorge Sampaio, als höchster Repräsentant der AoC durch Generalsekretär Ban Ki-Moon ernannt.

Neben dem AoC Sekretariat in New York besteht die Organisationsstruktur aus einer "High Level Group" mit namhaften Persönlichkeiten aus Religion, Bildung, Kultur und Politik sowie einer so genannten "Group of Friends" von bereits 100 Regierungen bzw. multilateralen Organisationen.

Weiterhin zählen wichtige Organisationen wie ALECSO, der Europarat, die Europäische Union, ISESCO, die Liga der Arabischen Staaten, UNESCO, u. a. zu den Partnerorganisationen der AoC.

Netzwerk für Stiftungen, NGOs, Bildung und die Medien

Erdogan, Ki-Moon und Zapatero bei der Konferenz in Istanbul; Foto: AP
Shake hands: Unter der Schirmherrschaft der UN hatten die Premiers von Spanien und der Türkei, Zapatero und Erdogan, die Allianz 2005 ins Leben gerufen.

​​Die Allianz möchte nationale oder internationale Organisationen im Dialog der Kulturen vernetzen. Sie definiert ihre Rolle als weltweit tätige Fürsprecherin für mehr Respekt und Verständnis zwischen den Kulturen, als Plattform, um konkrete Aktivitäten besser sichtbar zu machen, sowie als Tauschbörse, die Zugang zu Informationen und Materialien über erfolgreiche Initiativen verschafft.

Neben ihrer Rolle als Fürsprecherin für den Dialog der Kulturen in internationalen Debatten und Organisationen wendet sich die AoC an NGOs, Stiftungen oder internationale Kulturorganisationen bis hin zu Basisgruppen oder dem privaten Sektor: Sie bietet ihnen Unterstützung für Projekte in ihren zentralen Arbeitsgebieten Jugend, Medien, Bildung und Migration an.

Um wichtige Stiftungen und deren Projekte noch besser zu vernetzen, hat die AoC z.B. ein internationales "Network of Foundations" eingerichtet. Hierdurch fördert sie den Austausch von erprobten Praktiken in Form von "online clearing houses" zur Medienbildung oder für Erziehung zu Religionen und Ethik und bietet Zugang zu Experten, die Beiträge zu interkulturellen Themen leisten können.

Die AoC Foren in Madrid und Istanbul

Foto: ec.europa.eu
Seit April 2007 Generalsekretär der Allianz der Zivilisationen: der ehemalige portugiesische Präsident Jorge Sampaio

​​Aufgrund von früheren internationalen Konferenzen sowie persönlichen Beziehungen kommt den Regierungen Spaniens und der Türkei das Verdienst zu, das erste bzw. zweite internationale Forum der AoC in Madrid 2008 bzw. in Istanbul 2009 ausgerichtet zu haben.

Das jüngste zweite Forum brachte mehr als 1000 Teilnehmende zusammen – darunter mehrere Regierungschefs, mehr als 50 Minister sowie Politiker, Vertreter internationaler Organisationen, Stiftungen, der Medien und Vertreter von Basisgruppen aus der ganzen Welt.

Während das Forum in Madrid auf die Vorbereitung der vielfältigen Aktivitäten und die Koordination mit Regierungen, Stiftungen und Expert/-innen konzentriert war, zielte das Forum in Istanbul deutlich auf eine schärfere Identität und innovative Projekte ab, die teilweise ausgefallene Ansätze und Methoden darstellen.

Ein neues Projekt namens "Dialogue Café" mag hier als Beispiel dienen: Es verbindet die Kommunikationsbereitschaft von Menschen in Cafés mit den Möglichkeiten einer Telekonferenz. Lebensgroße Bilder werden live über Bildschirme übertragen, die so den Eindruck eines direkten Gesprächs vermitteln. Durch diese Art von spontaner Interaktion finden interkulturelle Debatten statt, als ob die Beteiligten gleichzeitig im selben Café säßen, wobei persönliche Fragen zwischen Menschen aus verschiedensten Weltgegenden diskutiert werden.

An den beiden Tagen des Forums in Istanbul fanden neben den offiziellen Ansprachen drei Plenarversammlungen, 12 Arbeitssitzungen und 16 Arbeitsfrühstücke statt.

Frauen unterrepräsentiert

Aber selbst bei diesem anspruchsvollen Programm blieb eine wichtige Ressource ungenutzt: Obwohl eine Arbeitssitzung dem Thema "Empowerment of women und their role in a culture of peace" gewidmet war, sprachen die wenigen weiblichen Experten vor einem zahlenmäßig unbedeutenden Publikum in einem ziemlich kleinen Raum, und auf das Podium der Plenarversammlungen waren neben vielen männlichen Persönlichkeiten lediglich zwei Rednerinnen eingeladen worden.

Im Hinblick auf die zentrale Rolle von Frauen in Erziehung, Fürsorge oder in der Nachbarschaftsarbeit in allen Gesellschaften hätte die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auch hier berücksichtigt werden sollen.

Herausforderungen für die Zukunft

Die AoC möchte einen signifikanten Beitrag leisten, um die Zusammenarbeit zwischen Kulturen und Religionen zu verbessern und damit den Kräften entgegen zu wirken, die Polarisierung und Extremismus schüren. Die AoC ist sich der Verantwortung bewusst, die Rollenteilung mit den zahlreichen anderen Initiativen zu respektieren, die schon länger auf dem Gebiet des interkulturellen Dialogs zwischen dem Westen sowie der islamischen Welt arbeiten.

Des Weiteren stellen sich grundlegende Herausforderungen für die Zukunft dieser Organisation. Die erste betrifft das Kosten/Leistungsverhältnis ihrer Aktivitäten: Nachdem die finanziellen Beiträge zum Trust Fund der AoC auf freiwilliger Basis beruhen und sie somit beträchtliche Anstrengungen für ihre Finanzierung unternehmen muss, wird sie stets das Verhältnis zwischen Betriebskosten und Ergebnissen zu rechtfertigen haben.

Einerseits ist die AoC bereits sehr erfolgreich, indem sie große öffentliche Unterstützung bei ihren Mitgliedern und Partnern gefunden hat, z.B. für Medienaktivitäten, für einen "Youth Solidarity Fund" oder für "Silatech”, eine neue Beschäftigungsinitiative für junge Leute in der arabischen Welt. Anderseits erfordern internationale Konferenzen wie in Madrid oder Istanbul beträchtliche Budgets, die zumindest teilweise auch vielen kleinen Projekten zugute kommen könnten.

Tief greifende politische Konflikte und Machtkämpfe

In ihrem Ziel, möglichst viele junge Leute, Bildungspraktiker/-innen, Meinungsführer oder Medienangehörige zu erreichen, sind die AoC und ihre Partner weiterhin mit dem Problem konfrontiert, nicht nur Menschen mit einer offenen Einstellung zum interkulturellen Dialog und zur Toleranz ansprechen zu müssen.

Den Frustrationen von Menschen, die Polarisierung und Extremismus hervorrufen können, liegen jedoch oft tief greifende politische Konflikte und Machtkämpfe zugrunde. Auch sind weit verbreitete Vorstellungen über nationale, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit und traditionelle Erziehungssysteme oft auf Vorstellungen von Überlegenheit begründet, die nicht mit den allgemeinen Menschenrechten vereinbar sind.

Solange wir jedoch die wirklichen Wurzeln von Konflikten und Unrecht nicht beseitigen können, sollten wir alle verfügbaren Kräfte zur Stärkung der Menschenrechte versammeln, wie die AoC es sich zur Aufgabe gemacht hat.

Manfred Ewel

© Qantara.de 2009

Qantara.de

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