"Und wenn ich keine Muslimin werden will?"

Arabisch für Grundschüler? Dieses Angebot konnten eine Woche lang Teilnehmer der Kinderakademie für Hochbegabte in Anspruch nehmen. Stefanie Gsell, ihre Lehrerin, berichtet über ihre Erfahrung.

"Ashhadu anna la ilaha illa llah wa Muhammadan …" Leise hat die neunjährige Saskia für sich noch einmal die Zeilen der Shahada, des islamischen Glaubensbekenntnisses, gelesen: "Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott außer Gott und Muhammad …" Die letzten Worte: "… ist sein Prophet" scheut sich Saskia auszusprechen, denn gerade hat sie erfahren, dass, wer zum Islam konvertieren will, nur diesen Satz sprechen muss, und schon gehört er zur Gemeinschaft der Anhänger des islamischen Propheten Muhammad.

"Und wenn ich keine Muslimin werden will? Jetzt hab´ ich aber diesen Satz schon gesprochen!" Macht nichts, beruhige ich Saskia, sie muss dabei schon ganz fest die Absicht haben, zum Islam überzutreten. Wenn sie die Shahada einfach so liest, passiert nichts. Auch die anderen zwölf Kinder, alle zwischen acht und zehn Jahren, sind erleichtert und sprechen leise die Zeilen auf dem Blatt vor ihnen nach. Die Worte stammen aus dem Gebetsruf, den wir gerade von einer Kassette gehört haben, um uns vorzustellen, wie die Muslime im Fastenmonat Ramadan das Fasten brechen.

Zufällig ist der Beginn des Ramadans in diesem Jahr mit dem Beginn der dritten Kinderakademie zusammen gefallen, die die Hochbegabtenstiftung der Kreissparkasse Köln im Ursulinengymnasium veranstaltet. 70 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen drei und vier wurden eine Woche lang in sechs Gruppen unterrichtet. Wie bei früheren Akademien gab es Kurse in Mathematik, Chemie, Biologie und Informatik. Doch dieses Mal wurde außerdem Arabisch angeboten. Dies war kein Zufall, sondern ist dem Gespür der Organisatoren der Kreissparkasse Köln und des Hochbegabten Zentrums in Brühl zu verdanken. Sie vermuteten, dass der hohe Schwierigkeitsgrad des Arabischen sowie die derzeitige Bedeutung der arabischen Länder für die Weltpolitik diese Sprache zu einem idealen Lernfeld für hochbegabte Schüler machten.

Arabisch als intellektuelle Herausforderung

Die Zeit in der Kinderakademie sollen die Grundschüler als intellektuelle Herausforderung erleben, als Chance, etwas anderes zu lernen als im normalen Schulunterricht. Tatsächlich gab es auch in der Arabisch-AG Außergewöhnliches zu lernen, zu hören, sehen, sagen, zählen und schmecken: besonders lecker fanden die Kinder die kleinen roten Granatapfelperlen; das arabische Wort für Granatapfel, rumman, werden sie wohl behalten. Sie lernten verschiedene Formen der Begrüßung und Verabschiedung in ägyptischem Dialekt, sich nach dem Befinden zu erkundigen und wie man bekommt, was man will. Auch wie man mit jemandem schimpft, wollten sie lernen, um den störenden Sitznachbarn als "Esel" betiteln zu können.

Arabisches Alphabet in Andalus-Schrift

​​Schwierig zu bewältigen war die Aufgabe, in einer Woche das ganze arabische Alphabet schreiben zu lernen. Aber nachdem die Schüler sich dies am ersten Tag vorgenommen hatten, hielten sie tapfer durch, bis sie die 28 Buchstaben mit den dazugehörenden Schreibregeln einen nach dem anderen durch hatten. Große Begabung zeigten fast alle bei der Aussprache der für manche Europäer schwierigen arabischen Laute; Kinder sind eben zumeist großartige Imitatoren. Und sie sind prinzipiell erst einmal an allem interessiert: auch die Heilsgeschichte des Propheten Muhammad fanden sie spannend. Obwohl keiner mitmachen musste, haben alle einmal ein islamisches Gebet durchexerziert, mit eigens mitgebrachten Gebetsteppichen. Es war interessant zu sehen, wie viel die Kinder bereits wussten, zum Beispiel, als es darum ging, die Namen der arabischen Länder und ihre Hauptstädte in eine leere Karte einzuzeichnen.

Auch für mich war die Arabisch-AG mit den 13 acht bis zehnjährigen hochbegabten Schülern eine außergewöhnliche Erfahrung, die großen Spaß machte. Eigentlich waren sie wie alle Kinder; Spielen ist eben das Größte, und wenn der Unterricht nicht abwechslungsreich ist, machen sich Unruhe und Ärger breit. Aufgefallen ist mir aber doch, wie gut die Kleinen mitgedacht haben, was für ein hervorragendes Durchhaltevermögen sie hatten. Und ich war wirklich erstaunt, wie offen diese Kinder waren. Liegt das nun an ihrer Hochbegabung oder an der Schönheit des Arabischen, der Faszination beispielsweise, die die islamische Kalligraphie auf sie ausübte? Ich nehme einmal an: Beides.

Stefanie Gsell

© Qantara.de 2003

Hochbegabten-Stiftung der Kreissparkasse Köln
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