Zwischen Teheran und Mülheim

Roberto Ciulli pflegt den "Dialog der Kulturen": Er organisiert Austauschprogramme von Theatergruppen aus Deutschland und islamischen Ländern - und hat dabei gelernt, kreativ mit politischen Auflagen umzugehen. Von Peter Philipp

Roberto Ciulli, Foto: Theater an der Ruhr
Roberto Ciulli

​​Seit nahezu 20 Jahren betreibt Roberto Ciulli einen kulturellen Austausch mit verschiedenen Ländern der islamischen Welt. Dem Leiter des Mülheimer "Theaters an der Ruhr" ist es im Laufe der Jahre gelungen, einen regen Austausch mit Theatergruppen in der Türkei in Gang zu bringen, vor allem aber auch mit dem Iran.

Ciulli hat sein Ensemble außerdem noch zu Zeiten Saddam Husseins als erstes westliches Theater nach Bagdad gebracht und plant auch mit Afghanistan einen ersten Austausch.

Guter kultureller Export

"Wir haben schon in den achtziger Jahren das Goethe-Institut und deutsche Ministerien zu überzeugen versucht, dass eine gute kulturelle Exportpolitik unbedingt zusammen gehen muss mit einer sehr starken Import-Politik", erklärt der aus Italien stammende Roberto Ciulli.

Leicht war solche Überzeugungsarbeit nicht, denn oft standen seinen Plänen politische Bedenken entgegen. Doch über alle Politik hinaus, besteht - nach Meinung Ciullis - ein Bedürfnis, die Kultur der Gegenseite kennen und verstehen zu lernen.

In Teheran zum Beispiel sei immer viel mehr Publikum gekommen als der Saal fassen konnte - und auch in Bagdad seien die Aufführungen ausverkauft gewesen.

Wobei der "Verkauf" der Karten nicht das erste Anliegen gewesen sei: Man habe überall auch noch Leute ohne Bezahlung in den Saal gelassen, weil klar war, dass hier ein sehr starkes Interesse bestand. Und auch in Deutschland seien die Vorführungen der Ensembles aus dem Iran und dem Irak sehr gut besucht gewesen.

Andeutungen und Gestik

Etwas problematisch seien zunächst die Auflagen gewesen, die man bei den Aufführungen im Iran erteilt bekommen habe. Unter anderem, weil Frauen und Männer sich auch auf der Bühne nicht berühren dürfen.

Diese Probleme, so Ciulli, habe man dann aber in enger Zusammenarbeit mit den Iranern gelöst - und das manchmal auf recht ausgefallene und originelle Weise: Durch Andeutungen und Gestik, die den Vorschriften entsprachen, aber dennoch vom Publikum voll verstanden wurden und den Stücken keinen Abbruch taten.

Im Gegensatz dazu habe man im Irak Saddams keinerlei Auflagen erteilt bekommen, hier aber sei auch kein Interesse von offizieller Seite für die Aufführungen gezeigt worden. Das Interesse der Bürger hingegen habe alle Erwartungen überstiegen.

Schule der Demokratie

Ciulli will mit dem Austausch auch dem Eindruck in den islamischen Ländern entgegenwirken, der Westen betreibe ganz gezielt einen kulturellen Imperialismus gegenüber der muslimischen Welt. Nach einem Vierteljahrhundert am "Theater an der Ruhr" träumt Ciulli davon, dass sich seine Überzeugung durchsetzt: dass das Theater auch eine Art Schule der Demokratie sein kann.

Ciulli hält wenig davon, den westlichen Demokratiegedanken unbesehen und unmodifiziert exportieren zu wollen. Statt dessen solle man eng zusammen arbeiten und konkrete Projekte entwickeln.

Im Fall seines Theaters heißt das: Junge Leute aus islamischen Ländern für mehrere Monate in Deutschland arbeiten zu lassen, damit man gemeinsam einander näher kommen und einander besser verstehen lernt. Nicht allein im Dialog, sondern in der praktischen Arbeit.

Peter Philipp

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