Sich engagieren oder auswandern

Die Lieberale Türkisch-Deutsche Vereinigung, die der FDP nahe steht, ist vor 10 Jahren gegründet worden. Im Juli 2003 entstand der Kreisverband Köln der LTD. Qantara.de sprach mit Bilgehan Köhler, der stellvertretenden Vorsitzenden.

Wie sieht die Arbeit der LTD in Köln aus?

Bilgehan Köhler: Wir machen Lobbyarbeit und kooperieren bei vielen Dingen mit der FDP. Ein Beispiel: In Nordrheinwestfalen sind die Friedhofsgesetze gelockert worden. Das ist für Muslime besonders wichtig, weil der Sargzwang aufgehoben wurde. Aber für Köln soll das nach einer Absprache der regierenden Koalition von CDU und Grünen nicht gelten. Wir haben zur FDP in Köln gesagt, für uns Muslime ist es wichtig, die Freiheit zu haben, nach islamischem Ritus zu bestatten. Auf unsere Initiative hin wird der Fraktionsvorsitzende der FDP ein Hearing in der Fraktion machen. So kommt man in die Entscheidungsgremien hinein.

Obwohl wir der FDP nahe stehen, müssen unsere Mitglieder nicht das liberale Parteibuch haben. Nicht alle bei uns haben einen türkischen Hintergrund. Wir engagieren uns für die Bürgerrechte, die auch für Minderheiten gelten sollen.

Sie sind Mitglied der FDP. Seit wann?

Köhler: Seit dem Brandanschlag gegen eine türkische Familie in Solingen. Das hat mich sehr erschreckt. Für mich war klar, entweder, du wanderst aus oder engagierst dich in der Politik.

Und warum gerade in der FDP?

Köhler: Man hat in Deutschland nicht viel Auswahl. Sozialistisch ist nicht so mein Ding. Die CDU eher, weil die Leute dort religiös sind. Aber in einer Massenpartei geht man als Minderheit unter. Da bleiben noch die Grünen und die FDP. Ich bin kein Fan der 68er Generation. Die große freie Liebe kommt für mich nicht in Frage, da bin ich doch ein wenig konservativ. Und ich hatte noch nie etwas gegen Atomkraft. Ja gut, ich esse ab und zu Müsli, aber das war´s schon. Für mich war die liberale Gesinnungshaltung wichtig: Dir dein Weg und mir mein Weg. Das gibt mir genug Freiheiten. Ich muss so leben dürfen, wie ich will.

Wie schätzen Sie das politische Engagement der türkischen Migranten in Deutschland ein?

Köhler: Die Türken kommen aus einem Land, in dem politische Mitbestimmung nicht üblich war. Und ich glaube, diese Mentalität hat man nach Deutschland mitgenommen. Auch wenn die Türken hier bleiben, sind sie sich nicht bewusst, dass sie Integration als Mitbestimmung in der Politik ansehen sollten. Ich weiß nicht, wie es in der Türkei funktioniert, aber hier kann man auf städtischer und kommunaler Ebene viel erreichen. Das ist vielen Türken nicht klar. Ich habe eher das Gefühl, dass sie sich ärgern, wenn Gesetze erlassen werden, die sie benachteiligen. Sie besprechen das innerhalb der Gemeinde und in der Nachbarschaft und sie fühlen sich permanent benachteiligt. Aber ihnen ist nicht klar, dass man Meinungsbildung für die eigene Gemeinschaft betreiben kann, wenn man sich in Vereinen und Parteien engagiert. Ich entdecke immer wieder Frust bei den Türken. Sie meinen, sie wären die Opfer. Ich bin ein aktiver Mensch, und mir fällt es schwer, so ein Schicksal hinzunehmen. Meine Arbeit wird es sein, in Zukunft die Türken zu motivieren, sich politisch zu engagieren, sonst werden negative Gesetze für sie gemacht.

Interview: Mona Naggar, Qantara.de

© 2003, Qantara.de

Bilgehan Köhler ist eine Kölnerin türkischer Abstammung. Sie promoviert im Fach Archäologie.

Mehr Infos zu der LTD-Vereinigung unter folgenden Links:
http://ltd-ev.de
http://de.groups.yahoo.com/group/ltd-info