Rückblick auf ein konfliktreiches Verhältnis

Das schwierige Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran wird häufig auf einen konfessionellen Konflikt zwischen sunnitischen Wahhabiten und militanten Schiiten reduziert. Doch die Beziehung ist komplizierter. Von Joseph Croitoru

Von Joseph Croitoru

Der konfessionelle Konflikt ist nur einer der Gegensätze zwischen Saudi-Arabien und Iran. Schon gar, wenn man auf die langen Beziehungen zwischen den modernen Staaten Saudi-Arabien und Iran zurückblickt. Als sie in den 1920er Jahren Form annahmen, ging es ihren Herrschern - Schah Reza Pahlavi und König Ibn Saud - vor allem um die Modernisierung ihrer Länder. Diese wurde gegen den Widerstand des iranischen Klerus und den der saudischen Rechtsgelehrten betrieben, was die beiden Staatschefs einander näher brachte.

Bereits 1929 schlossen beide Länder ein Freundschaftsabkommen. Das Verhältnis wurde noch enger, als etwa ein Jahrzehnt nach Riad auch Teheran 1941 mit der Einsetzung von Mohammed Reza Pahlavi als Schah unter amerikanischen Einfluss kam. An der Seite Washingtons verfolgten beide Regierungen das gleiche Ziel: die Eindämmung sowohl des sozialistisch beeinflussten Panarabismus als auch des Einflusses der kommunistischen Sowjetunion in der Region.

Als der Schah von Persien 1979 gestürzt und die Islamische Republik gegründet wurde, wurde sie von den Saudis gleich anerkannt. Riads Hoffnung, die guten Beziehungen würden auch weiterhin bestehen bleiben, erfüllte sich jedoch nicht. In Ayatollah Khomeinis Vision von einer globalen islamischen Revolution hatte das konservative saudische Königshaus, dem solche revolutionären Ambitionen fernlagen, keinen Platz; vom iranischen Revolutionsführer wurde es gar als Bremsfaktor betrachtet.

Khomeini und König Fahd - ein schwieriges Verhältnis

Khomeini versuchte Angehörige der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien aufzuwiegeln. Allerdings berief man sich dabei weniger auf den jahrhundertealten Streit zwischen Schiiten und Sunniten, sondern griff eher zur Parole von der "Befreiung der Unterdrückten", mit der Teheran genauso auch Islamisten in der sunnitischen Welt für seine Sache zu gewinnen suchte.

Ayatollah Khomeini; Foto: picture-alliance/AP
Zäsur im saudisch-iranischen Verhältnis: In Ayatollah Khomeinis Vision von einer globalen islamischen Revolution hatte das konservative saudische Königshaus, dem solche revolutionären Ambitionen fernlagen, keinen Platz; vom iranischen Revolutionsführer wurde es gar als Bremsfaktor betrachtet. Khomeini versuchte Angehörige der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien aufzuwiegeln.

Das Islamische blieb - jenseits des sunnitisch-schiitischen Zwists - ein verbindendes Moment. Auch dann, als Khomeini mehr Mitsprache bei der Verwaltung der Pilgerfahrt nach Mekka forderte, wo jetzt demonstrierende iranische Wallfahrer immer wieder den Pilgerbetrieb störten. Dies bewog den saudischen König Fahd 1986, den in Vergessenheit geratenen Titel "Hüter der heiligen Stätten" wieder anzunehmen. Dass Riad keine weitere Einmischung seitens Teherans dulden würde, wurde klar, als im Folgejahr die saudische Polizei auf randalierende iranische Pilger in Mekka das Feuer eröffnete.

Für und gegen Saddam

Iran antwortete darauf mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das Verhältnis war damals ohnehin an einem Tiefpunkt angelangt. Denn im seit 1980 andauernden Iran-Irak-Krieg unterstützen die Saudis - mehr als Solidaritätsgeste gegenüber der arabischen Welt denn aus Überzeugung - den irakischen Diktator Saddam Hussein. Anfang der 1990er Jahre aber änderte sich die politische Großwetterlage in der Region. Saddam erwies sich, besonders nach seinem Einmarsch in Kuweit 1990, als immer unberechenbarer und wurde nun nicht mehr nur vom Iran, sondern auch von der saudischen Königsfamilie gefürchtet.

Vor diesem Hintergrund, und auch weil inzwischen Khomeini (1989) gestorben war, kamen sich Teheran und Riad jetzt wieder näher und tauschten schon bald Botschafter aus. Die erneute Annäherung des Iran an Saudi-Arabien, die damals vor allem der unlängst verstorbene Ayatollah Akbar Rafsandschani als Präsident vorangetrieben hatte, war auch Folge des politischen Ernüchterungsprozesses in Teheran: Man war von der einst propagierten islamischen Weltrevolution abgerückt und konzentrierte sich nun außenpolitisch verstärkt auf die eigene Region.

Der saudische Außenminister Adel bin Ahmed Al-Jubeir und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017; Foto: AFP/Getty Images
Neue Konfrontation zwischen Teheran und Riad: Saudi-Arabiens Außenminister Al Dschubeir hatte jüngst Forderungen der neuen US-Regierung begrüßt, wieder einen härteren Kurs gegenüber Teheran zu fahren. Irans Außenminister Sarif hatte den Führern der sunnitisch-arabischen Monarchie Saudi-Arabiens vorgeworfen, Eigensinnigkeit, Idiotie, Fanatismus und unendlicher Reichtum habe aus dem Saudi-Regime eine brutale und unlogische Herrschaft gemacht.

Diese Prioritätenverschiebung trug allerdings nicht nur zur Besserung des bilateralen Verhältnisses bei. Sie brachte für die Saudis auch neue Probleme mit sich. Beide Länder vereinbarten zwar 2001 eine Sicherheitskooperation. Aber die ständige Aufrüstung der proiranischen libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah durch Teheran beunruhigte Riad, das als Antwort darauf das konkurrierende sunnitisch-christliche Lager zu unterstützen begann.

Saudisch-syrische Annäherung

Mit Sorge erfüllte die Saudis auch das Beharren des Iran auf seinem Atomprogramm. Auch jetzt trennte beide Länder - einst Verbündete der USA im Kampf gegen den Kommunismus - nicht etwa der uralte religiöse Streit. Es war vielmehr der doktrinäre Hass des iranischen Regimes auf Washington, der durch die amerikanische Intervention im Irak 2003 zusätzlich genährt wurde. Als der Iran, der den amerikanischen Vorstoß als einen Eingriff in seine unmittelbare Einflusssphäre begriff, sich nach dem weitgehenden Abzug der US-Truppen aus dem Irak in dessen Belange einmischte, begann Saudi-Arabien als Reaktion darauf, den mit Teheran verbündeten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu hofieren.

Die schnelle saudisch-syrische Annäherung von 2010 wurde jedoch ebenso rasch durch den Arabischen Frühling und den syrischen Bürgerkrieg beendet. Diesen Krieg, in dem Saudi-Arabien und der Iran unterschiedliche Lager unterstützen, als innerislamischen Konfessionskrieg zu deuten, ist nicht ganz zutreffend. Das Bündnis zwischen Teheran und der alawitischen Herrschaftselite in Damaskus war niemals rein religiös, sondern hauptsächlich durch die gemeinsame Feindschaft zu Israel und zu Saddam Hussein begründet. In Syrien bekämpfen sich heute auch Sunniten gegenseitig; und für die radikalsunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sind Schiiten ebenso ein Todfeind wie die mit ihr rivalisierenden sunnitischen Dschihadisten.

Gerade weil Letztere von Iran wie auch von Saudi-Arabien derzeit als die gefährlichste Bedrohung angesehen werden, vermeiden es beide Regime - zumal sie intern unter zunehmendem Säkularisierungsdruck stehen - tunlichst, bei ihrem rhetorischen Schlagabtausch religiöse Hetzparolen zu verwenden.

Terrorismus, Terrorunterstützung oder Expansionsgier lauten denn auch hier meist die gängigen offiziellen Vorwürfe. Und die entsprechen keineswegs der religiösen Optik, die den westlichen Blick auf die saudisch-iranische Rivalität zurzeit prägt. So deutete auf der jüngsten Sicherheitskonferenz in München der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir an, dass der Iran sich heimlich mit dem - bekanntlich extrem anti-schiitischen - IS verbündet habe.

In den Augen der iranischen Revolutionsgarden wiederum ist der IS ein Handlanger Israels. Und damit Teil einer zionistisch-amerikanischen Verschwörung, in die je nach Propagandabedarf gerne auch Riad einbezogen wird.

Joseph Croitoru

© Deutsche Welle 2017