Kein Feind Israels

Saudi-Arabien steht bezüglich seiner Politik gegenüber Israel vor einem Dilemma: Es ist neben Israel der wichtigste US-Verbündete im Nahen Osten. Andererseits erhebt es Anspruch auf eine Führungsposition in der arabischen Welt, in der antiisraelische Positionen weit verbreitet sind. Von Guido Steinberg

Saudi-Arabien steht bezüglich seiner Politik gegenüber Israel vor einem Dilemma: Einerseits ist es der neben Israel wichtigste amerikanische Verbündete im Nahen und Mittleren Osten. Andererseits erhebt es Anspruch auf eine Führungsposition in der arabischen und islamischen Welt, in denen radikal antiisraelische Positionen weit verbreitet sind und die USA als Patron der Israelis scharf kritisiert werden. Von Guido Steinberg

Saudi-arabischer König Abdallah; Foto: AP
Startete im Februar 2002 eine Friedensinitiative: der damalige saudi-arabische Kronprinz und heutige König Abdallah

​​Nicht zuletzt in der saudi-arabischen Innenpolitik gerät die Regierung in Riad wegen dieses Spagats in der Außenpolitik immer wieder unter Druck.

Diese Ausgangslage hat dazu geführt, dass saudi-arabische Politik immer wieder Bemühungen zu einer friedlichen Lösung des israelisch-arabischen Konfliktes unterstützt hat und selbst zweimal (1981 und 2002) Pläne zu seiner Beilegung vorlegte.

Andererseits verlangte die saudi-arabische und darüber hinaus die regionale öffentliche Meinung wiederholt, Saudi-Arabien solle seine Position als wichtigster Erdölproduzent der Welt nutzen, um auf arabischer Seite zu intervenieren.

Wunsch nach Friedenslösung

Seit dem Scheitern des Friedensprozesses im Jahr 2000 jedoch tritt der saudi-arabische Wunsch, durch eine Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern das eigene Dilemma aufzulösen, immer stärker hervor.

Für Saudi-Arabien wird eine Lösung zudem immer dringlicher, da der eigentliche Schwerpunkt seiner Außenpolitik seit spätestens 1979 in der Golfregion liegt. Zum Schutz vor dem zunehmend aggressiven Iran benötigt Saudi-Arabien sein Sicherheitsbündnis mit den USA heute mehr denn je, und nur deutliche Fortschritte im Nahostkonflikt können der Kritik an diesem Bündnis den Wind aus den Segeln nehmen.

Ölembargo gegen USA und Niederlande

Nur einmal, 1973, ließ sich Saudi-Arabien unter dem Druck der arabischen öffentlichen Meinung in den israelisch-arabischen Konflikt hineinziehen. Saudi-Arabien war aufgrund der steigenden Öleinnahmen zu einer Führungsmacht in der arabischen Welt geworden.

Als die USA in der zweiten Woche des Yom-Kippur-Krieges im Oktober 1973 zusätzliche Finanzhilfen für Israel bewilligten, beschloss die "Organisation Arabischer Erdölexportierender Länder" (OAPEC) unter der Führung Saudi-Arabiens ein Ölembargo gegen die USA und die Niederlande.

Die saudi-arabische Regierung hatte sich nur zögerlich zu diesem Schritt entschieden, weil sie negative ökonomische Folgen fürchtete. Tatsächlich trugen die hohen Preise der 1970er Jahre maßgeblich zur Nachfragekrise der frühen 1980er Jahre bei, die den saudi-arabischen Staat in eine bis 2002 anhaltende wirtschaftliche und politische Krise stürzten.

Zudem soll der damalige König Faisal (regierte 1964-1975) nur widerwillig und auf enormen internen Druck hin gehandelt haben, da er eine offene Parteinahme gegen die USA und Israel vermeiden wollte.

Insgesamt war das Embargo ein Fiasko für die saudi-arabische Politik, denn auch die regional- und innenpolitischen Gegner der saudi-arabischen Regierung ließen sich durch den Boykott nicht besänftigen.

Bedrohung durch Nachbarn am Golf

Die saudi-arabische Außenpolitik konzentriert sich seit den 1970er Jahren auf den Konflikt mit seinen mächtigen Nachbarstaaten Irak und Iran. Trotz aller anders lautenden Rhetorik aus Riad fühlt sich die saudi-arabische Regierung weniger durch Israel als durch seine Nachbarn am Golf bedroht.

Der saudi-arabische Außenminister Faisal in Washington; Foto: AP
Der saudi-arabische Außenminister Faisal bei einem Besuch in Washington

​​Nach der Islamischen Revolution 1979 fürchtete die Familie Saud zunächst den Iran Ayatollah Khomeinis, misstraute aber auch dem Irak Saddam Husseins – zu Recht, wie die Invasion Kuwaits durch irakische Truppen im August 1990 zeigte.

Zum Schutz vor seinen aggressiven Nachbarn verbündete sich die saudi-arabische Regierung seit den 1980er Jahren immer enger mit den USA. Die USA stellten in Saudi-Arabien eine moderne militärische Infrastruktur bereit, die schon 1990 die amerikanischen Truppen in die Lage versetzte, innerhalb weniger Wochen mehrere hunderttausend Soldaten einschließlich Material nach Saudi-Arabien zu verbringen.

In Aufbau und Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur besteht bis heute der Kern der amerikanisch-saudischen Sicherheitspartnerschaft. Die offensichtliche Abhängigkeit von den USA als dem wichtigsten Verbündeten Israels ist dabei vor allem aus innenpolitischen Gründen höchst problematisch.

Die saudi-arabische Regierung versucht dieses Dilemma aufzulösen, indem sie sich antiisraelisch gibt, gleichzeitig aber bemüht ist, zu einer Lösung des israelisch-arabischen Konflikts beizutragen.

Saudi-arabische Friedensinitiative

Im Februar 2002 legte der saudi-arabische Kronprinz Abdallah (König seit August 2005) seine Friedensinitiative vor. Er bot Israel die Normalisierung der Beziehungen zu den arabischen Nachbarstaaten gegen eine Rückgabe aller 1967 besetzten Gebiete einschließlich Ostjerusalems an. Die Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga übernahmen die Initiative in ihrer Beirut-Deklaration im folgenden Monat.

Abdallahs Initiative machte zum wiederholten Male deutlich, dass Saudi-Arabien dringend an einer Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern interessiert ist.

König Abdallah bestätigte seinen Wunsch, zu einer Lösung beizutragen, als er Hamas und Fatah im Januar 2007 zu Vermittlungsgesprächen nach Mekka einlud. Da Riad den Aufstieg Iran zur Führungsmacht fürchtet, sucht es zu verhindern, dass die Regierung Mahmud Ahmadinedschads über die Hamas Einfluss auf den israelisch-palästinensischen Konflikt gewinnt.

Daraus erklärt sich die auf den ersten Blick vielleicht überraschende Interessenkonvergenz Saudi-Arabiens und Israels: beide bekämpfen die Ausweitung des iranischen Führungsanspruchs auf die arabische Welt.

Guido Steinberg

© Qantara.de 2007

Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und arbeitet seit Herbst 2005 für die Stiftung Wissenschaft und Politik, wo er sich mit der arabischen Welt und dem islamistischen Terrorismus beschäftigt. Zuvor war er Referent im Bundeskanzleramt und Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.

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