Das erste große Anti-Trump-Buch

In der Anthologie "Donʹt Panic, Iʹm Islamic" lässt Saqi Books-Herausgeberin Lynn Gaspard Künstler und Autoren aus dem Nahen Osten zu Wort kommen, die sich über Donald Trumps Einreiseverbot für Menschen aus mehreren muslimischen Ländern auslassen. Von Susannah Tarbush

Von Susannah Tarbush

Erst kürzlich ist der Sammelband "Don't Panic, I'm Islamic" bei Saqi Books in Zusammenarbeit mit dem Arts Council England und dem Arab British Centre erschienen, der wohl eine längst überfällige Antwort auf das unsägliche Einreiseverbot für Muslime durch die US-Administration im Januar 2017 darstellt.

Verlagschefin Lynn Gaspard erklärte hierzu: "Etwas in mir machte klick, als Trump das Einreiseverbot für Muslime verkündete und twitterte: Unser Land braucht starke Grenzen und penible Überprüfungen, JETZT. Seht, was in ganz Europa und überall auf der Welt geschieht – ein furchtbares Chaos! Daraufhin beschloss ich, einen Band mit satirischen Kunstwerken und Texten zu veröffentlichen, der vor allem den Stimmen aus dem Nahen Osten Gehör verleiht. Wir wollten ein Buch herausbringen, das mit diesen lächerlichen Stereotypen aufräumt, die sowohl im Osten als auch im Westen verbreitet werden."

Lufthoheit über das Narrativ

Gaspard verweist darauf, dass sich die Menschen in der Region eingekeilt fühlen zwischen den Faschisten und Rassisten im Westen, die behaupten, alle Muslime seien rückständig und gefährlich, und den Faschisten zu Hause, die jede Abweichung von der Norm brutal bekämpfen. Wie und wo äußern sich Kreative aus dem Nahen Osten in einem solchen Klima und wie werden sie tatsächlich gehört?

Die an der Anthologie beteiligten Künstler und Autoren sind Punks, Comedians, Drag-Tänzer und Grafiker. Sie alle setzen sich für Meinungsfreiheit und andere individuelle Freiheiten ein. Das Buch wurde mit dem Ziel herausgegeben, die Arbeit dieser "Outcasts" zu feiern und einen Raum zu schaffen, wo sie ihre eigenen Ausdrucksformen entfalten können.

In der Vorbereitung der Anthologie wandte sich Saqi Books an Künstler, Comedians und Schriftsteller aus der ganzen Welt, die seiner Meinung nach spannende, originelle und provokante Werke schaffen. Viele Mitwirkende waren dem Verlag bereits bekannt, entweder weil sie in der Vergangenheit bei Saqi Books erschienen sind oder weil die Herausgeber ihre Arbeit kannten.

Saqi Books-Herausgeberin Lynn Gaspard, Quelle: Saqi Books
Trumps Behördenwillkür und Xenophobie die Stirn bieten: Saqi Books-Herausgeberin Lynn Gaspard beschloss nach Trumps umstrittenen Einreiseverbot, einen Band mit satirischen Kunstwerken und Texten zu veröffentlichen, der vor allem den Stimmen aus dem Nahen Osten Gehör verleiht.

Gaspard legte Wert darauf, dass die Mehrheit der Beteiligten aus dem Nahen Osten stammt. Und tatsächlich kommen von den 34 Mitwirkenden 21 aus der Region. Die übrigen stammen aus Europa und den Vereinigten Staaten. Ihr Auftrag bestand darin, auf das Einreiseverbot für Muslime oder auf die weltweite Zunahme von Hass und Gewalt zu antworten.

Verwundbarkeit, Defizite und Vielfalt abbilden

Das Resultat ist u. a.: 'How Islam Taught me To Be A Drag Queen' von Amrou Al-Kadhi; 'White Like Me' von Jennifer Jajeh über Ausgrenzung und rassistische Zuschreibungen; 'Shade-ism' von Alex Wheattle, die über eine junge schwarze Frau erzählt, die den Hass auf sie so verinnerlicht hat, dass sie selbst eine furchtbare Gewalttat ausübt; oder 'Disposable Bodies' von Laila Shawa über weibliche Selbstmordattentäter. Die Arbeiten in 'Don't Panic' sind kraftvolle Äußerungen der Menschlichkeit. Sie spiegeln unsere Verletzlichkeit, Defizite und Vielfalt wider.

Zu den vielen eindrucksvollen Bildern des Buches zählt die zehnseitige Auswahl von Werken des syrischen Künstlers Tammam Azzam mit dem Titel "From Damascus, with Love". Mit seinen Fotos über Zerstörungen in Syrien weckt Azzam in uns irritierende Gefühle. In einem Bild schwebt ein zerstörter Wohnblock vorbei, aufgehängt an einer Gruppe von Partyballons. Ein weiteres Bild zeigt Gustav Klimts golden schimmerndes Gemälde "Der Kuss" als Projektion auf einer zerschossenen Fassade. In "Poker" zieren Motive aus Spielkarten ineinander verkeilte und zertrümmerte Gebäude.

Die dekorativen Bilder aus Marrakesch des britisch-marokkanischen Künstlers Hassan Hajjaj zeigen unter dem Titel "Kesh Angels" vermummte Gestalten in traditioneller Kleidung auf Motorrädern. Die libanesische Künstlerin, Fotografin und Schriftstellerin Chaza Charafeddine platziert extravagant gekleidete Männer vor dem Hintergrund historischer Kunstwerke des Nahen Ostens. Die in Kairo lebende Künstlerin Bahia Shebab ist auf Street Art spezialisiert.  Für ihre Schablonengraffitis aus der Sequenz "There are People: Cairo 2012" hat sie sich von der ägyptischen Revolution inspirieren lassen.

Fiktion übertrumpft Trump

Ein interessanter Aspekt  ist wohl auch die Tatsache, dass alle Veranstaltungen des bekannten Londoner "Festival of Muslim Cultures and Ideas" vom vergangenen April mit dem Sammelband in Verbindung stehen. Das erklärt auch, warum die Mitwirkenden ihre Auftritte zur Förderung des Buchs fortsetzen. So las Bidisha Ende Mai einen Beitrag aus dem Sammelband anlässlich der Veranstaltung "Fiction Trumps Trump" im Rahmen des einmonatigen Liverpooler "Festivals Writing on the Wall" (WoWFest). Schwerpunktthema des diesjährigen Festivals waren Grenzüberschreitungen (Crossing Borders). "Fiction Trumps Trump" will die Autoren der Sammelbände würdigen, die in irgendeiner Weise auf den mächtigsten Mandarin der Welt mit Toupet reagieren.

Die Sunday Times wählte "Don't Panic, I'm Islamic" zu einem ihrer Bücher des Jahres.  "Das Buch wurde sehr gut aufgenommen, vor allem online, aber auch in einigen Printmedien", so Gaspard. Die vielleicht beste Rezension stammt von Culture Trip. Das Online-Reisemagazin bezeichnete das Buch als 'das erste große Anti-Trump-Buch'."

Dennoch lehnten einige renommierte Blätter eine Besprechung des Buchs ab und verwiesen darauf, dass eine derartige Rezension bei ihnen 'nicht richtig aufgehoben' sei. "Ich frage mich, ob nur schwarze Kritiker die Werke schwarzer Autoren rezensieren, Schriftstellerinnen die Werke weiblicher Autoren und so weiter", so Gaspard. "Dass denen der Mut fehlte, sich auf das Buch einzulassen, fand ich enttäuschend."

Susannah Tarbush

© Qantara.de 2018

Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lammers