Qualm unerwünscht

Ob Wasserpfeife oder Zigarette: In Syrien ist das Rauchen in öffentlichen Räumen künftig nicht mehr gestattet - eine erstaunliche Entwicklung in dem Levante-Staat und ein Novum in der gesamten arabischen Welt. Alfred Hackensberger berichtet.

Wasserpfeife-Cafe in Syrien; Foto: DW
Schwere Zeiten für Genießer der Wasserpfeife: Wer sich in Syrien nicht an das Rauchverbot in öffentlichen Räumen hält, dem drohen mitunter hohe Geldstrafen.

​​ Mit Trommeln und Trompeten marschiert eine Musikgruppe der "Revolutionären Jugendunion" (RYU) durch die Straßen von Damaskus, militärisch imposant, in ihren blauen Uniformen, mit zackigem, rhythmischem Schritt. Doch diesmal gibt es nichts zu feiern, kein Präsidentengeburtstag, kein Jubiläum der regierenden Baath-Partei, der die Jugendorganisation angeschlossen ist.

Der Aufmarsch steht ganz im Zeichen der Aufklärung. Junge Mädchen und Jungen tragen selbst gemalte Bilder durch die Strassen, die auf die tödlichen Gefahren von Zigaretten und Wasserpfeife aufmerksam machen.

Grund dafür ist das neue Gesetz zum Rauchverbot, das am 21. April in Kraft trat. "Wir wollen das neue Gesetz unterstützen, damit alle Bürger sich von Tabak und allen anderen Drogen fernhalten", erklärt Wissam Khaddah von der RYU. "Wir wollen eine starke und gesunde Bevölkerung".

Drakonische Strafen

Bereits vor sechs Monaten hatte der syrischen Präsident Bashir Assad das Gesetz unterzeichnet, das ein striktes Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen vorsieht, die keine offene Decke oder Dach haben. Nun sind Krankenhäuser und Universitäten betroffen sowie alle Restaurants, Pubs und Cafes. Ausnahmeregelungen gibt es keine. Weder für das Sheraton und Vierjahreszeiten Hotel, noch andere Luxusherbergen oder Luxusrestaurants.

Die Strafen bei Zuwiderhandlung können drastisch werden. Sie reichen von umgerechnet acht bis zu 1.600 Euro. Wer sich nicht beherrscht und mehrfach beim Rauchen erwischt wird, dem droht sogar eine Gefängnisstrafe. Syrische Beamte können auch ihre Anstellung auf Lebenszeit beim Staat verlieren. Für die Einhaltung des Rauchverbots sorgt eine spezielle Polizeitruppe, die Cafes und Restaurants kontrolliert.

Zusätzlich wurde eine Telefonhotline mit einer prägnanten vierstelligen Nummer eingerichtet, bei der Verstöße gemeldet werden können. Das neue Gesetz ist ein letzter Schritt, nachdem 1996 bereits die Tabakwerbung und 2006 das Rauchen in allen öffentlichen Verkehrsmitteln verboten wurden.

Wasserpfeife rauchende Männer in einem Cafe in der Damaszener Altstadt; Foto:
"Wie eine Epidemie" - allein zwischen 1999 und 2007 sei bei Frauen der Wasserpfeifenkonsum um 200 Prozent gestiegen, bei Männern um 60 Prozent, meint Dr. Chaaya.

​​ Das "Nawfara"-Cafe liegt im Schatten der Umayyaden-Moschee von Damaskus, ein Betrieb der von Familie zu Familie seit 300 Jahren weitergegeben wird. Kaum ein Tourist, der durch die Altstadt läuft und hier nicht Halt macht.

Seit dem Rauchverbot sitzen Gäste nur mehr im Innenhof des Cafes. "50 Gäste könnten auch drinnen im Lokal sitzen", erklärt Manager Shadi Rabbat. "Doch jetzt ist dort alles leer". Er und auch andere Cafebesitzer hoffen, dass die Regierung das Rauchverbot doch noch überdenkt.

Nischen für Wasserpfeifen

Ahmad Kozoroch vom "Rawada"-Cafe, einem nicht minder bekannten Ort in der Nähe des syrischen Parlaments, hatte bereits letztes Jahr diese Entwicklung vorausgesehen, in dem Moment, als Präsident Assad das Gesetz unterzeichnete. "In Frankreich beispielsweise, ist ein Rauchverbot nicht so schlimm, da man für eine Zigarette mal schnell nach draußen gehen kann. Aber mit einer Wasserpfeife geht das leider nicht", meint der Cafebetreiber.

"Rawada"- und "Nawfara"-Cafe haben trotz allem noch Glück. Sie besitzen einen Hof, in dem die Gäste unter freiem Himmel weiter an ihrer Nargileh, wie die Wasserpfeife auch genannt wird, ziehen können. Für andere Cafes, die dies nicht haben, sieht es düster aus. Viele von ihnen waren eröffnet worden, nachdem in den 1990er Jahren die Nargileh zur großen Mode und zum großen Geschäft wurde. Immer mehr Leute trafen sich, um gemeinsam Wasserpfeife zu rauchen.

Wasserpfeife-Cafe in Bahrain; Foto: dpa
Im Rausch des Nargileh-Rauchs: Auch im Königreich Bahrain im Persischen Golf genießt man die Wasserpfeife

​​Nach einiger Zeit durfte das blubbernde Rauchgerät bei keiner Gelegenheit mehr fehlen: zuhause beim Fernsehen, nach dem Essen, bei Familientreffen, im Restaurant und Cafe und beim Sonntagnachmittagspicknick.

Der Erfolg der Nargileh hatte sehr viel mit auf den Irrglauben zu tun, sie sei wesentlich gesünder, als die böse, krebserregende Zigarette. Wie kann ein Tabak, der mit Honig vermischt ist und nach Apfel, Vanille oder Erdbeeren schmeckt, schädlich sein, wo zudem alles durchs Wasser gereinigt wird?

Wachsender Tabakkonsum

Für Dr. Monique Chaaya, Professorin an der "Amerikanischen Universität in Beirut" (AUB), bedeutet dies eine katastrophale Entwicklung im Mittleren Osten. Die Verharmlosung der Wasserpfeife soll allein 60 Prozent der 16 bis 19jährigen verführt haben, sie auszuprobieren.

Zudem befanden sich unter den neuen Rauchern überdurchschnittlich viele Frauen. "Es ist wie eine Epidemie", meint Dr. Chaaya. Allein zwischen 1999 und 2007 sei bei Frauen der Wasserpfeifenkonsum um 200 Prozent gestiegen, bei Männern dagegen nur um 60 Prozent.

Den Grund für die Beliebtheit der Wasserpfeife sieht Dr. Widem Hizem Ben Ayoub vom "Salah Azaiez Krebsinstitut" in Tunesien vor allem darin, dass "junge Leute in der Region wie Europäer sein wollen und das Rauchen als Zeichen der Unabhängigkeit betrachten, insbesondere junge Frauen."

Aber zumindest erklärt sich damit der Anstieg des Tabakkonsums in den letzten Jahren. Nicht nur im Mittleren Osten, sondern in der gesamten MENA-Region, die Nordafrika mit einschließt. "Es ist eine herausfordernde Region", sagt Dr. Fatimah Al-Awa, die Regionalberaterin der Anti-Tabak Initiative der Weltgesundheitsbehörde (WHO).

"Soziale Akzeptanz des Rauchens, kulturelle Diversität und neue Trends, wie die Frauenemanzipation, haben zum Anstieg des Tabakkonsums beigetragen", so Al-Awa.

Laut einem WHO-Bericht rauchen in Syrien und Jordanien etwa 60 Prozent der Männer, in Tunesien um die 50 Prozent. Im Jemen sollen es sogar 77 Prozent der Männer sein, die irgendeine Form von Tabak konsumieren. Arabische Staaten sind erst in den letzten Jahren dem WHO-Abkommen zur Kontrolle von Tabak (FCTC) beigetreten und haben danach langsam Gesetze zum Werbe- und Rauchverbot erlassen.

Zigaretten seien ein sozialer Imperativ und für junge Männer ein Schritt ins Erwachsenenleben. "Es ist nicht leicht, Leute vom Nicht-Rauchen zu überzeugen, wenn Lehrer und Ärzte rauchen und die Schachtel Zigaretten nur 50 Cents kostet."

Ärgerliches Laissez Faire

Nach den leeren Cafes in Syrien zu urteilen, scheint das Rauchverbot zu funktionieren. Ein Resultat staatlicher Überzeugungsarbeit oder des Aufklärungsmarsches der "Syrischen Revolutionären Jugendunion" ist das allerdings nicht.

Die Frage bleibt, wie sich Syrien unzufriedene Lokalbesitzer und Raucher leisten kann. Doch vielleicht wird es bald eine Kompromisslösung wie etwa in Spanien geben, wo Eigentümer, je nach Fläche ihres Lokals, selbst entscheiden können, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherschild an die Tür hängen.

In anderen arabischen Staaten wurde das Rauchverbot kaum oder gar nicht durchgesetzt. Ob jemand am Flughafen raucht, der auf seinen Koffer wartet, im Taxi oder vor der Toilette in der Bahn, wen kümmert es?

Doch nur wieder einmal ein Gesetz, das ausschließlich auf dem Papier existiert. Ein Laissez Faire, das die Bewohner bisweilen auf die Palme bringt, jedoch ein anderes Mal mit Genugtuung erfüllt. In jedem Fall ist es Teil eines Laissez Faire, das die Region, gerade für westliche Besucher, so attraktiv macht.

Sollte das Beispiel Syrien Schule machen, kommen harte Zeiten auf die Raucher der MENA-Region zu, aber auch für rauchende Touristen aus dem Ausland, die es immer genossen, das tun zu können, was ihnen in ihrem Heimatland verweigert wird: das Rauchen, fast überall uneingschränkt und wann immer es ihnen gefällt.

Alfred Hackensberger

© Qantara.de 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

Qantara.de

Orient-Trend
Der Siegeszug der Shisha
Im arabischen Raum sorgt die Wasserpfeife – oder Shisha – bereits seit dem 17. Jahrhundert für traditionelle Geselligkeit. Doch nicht nur im Orient sondern auch in Deutschlands Cafés erfreut sich die Shisha großer Beliebtheit. Ariana Mirza mit einem Beispiel aus Berlin

Orientboom in Großbritannien
Der Orient als Kuschelecke
Das Interesse an Popmusik und Lifestyle aus der arabischen Welt ist im Westen deutlich gestiegen. Beispiel London: In trendigen Cafés ruht die britische Jugend auf weichen Kissen und raucht Wasserpfeife zu arabisierenden Sounds und Beats. Thomas Burkhalter hat sich dort umgesehen.

Tagebuch Udo Moll
Mit der Schäl Sick Brass Band durch den Orient
Im Herbst 2004 reiste die Kölner Schäl Sick Brass Band auf Einladung des Goethe-Instituts drei Wochen lang durch den Nahen und Mittleren Osten. Udo Moll, der Trompeter der Band, führte Tagebuch.