Fastenbrechen mit Datteln und Meeresfrüchten

Besondere Zeit, besondere Ware: Wie erleben muslimische Geschäftsleute den Ramadan? Eine Reportage von Canan Topçu

Von Canan Topçu

Brahim Arrazki wirkt erschöpft. Er müsste lügen, wenn er abstreiten wollte, dass er es nicht ist, denn er fastet schon seit zwölf Stunden. An einem heißen Tag wie diesem fällt es besonders schwer, von frühmorgens bis spätabends aufs Essen und Trinken zu verzichten. Schwer, aber nicht unmöglich sei das, auch wenn er arbeiten müsse, meint Arrazki. "Die Energie für den Körper", ist er sich sicher, "kommt vom Geist".

Dass Arrazki ein frommer Mann ist, können Außenstehende an seinem langen Bart ablesen. Als praktizierender Muslim erfüllt er "selbstverständlich" seine Pflicht, während des Ramadans von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu fasten – und das unabhängig davon, wie viele Stunden dazwischen liegen. An dieses Gebot halten sich auch viele seiner Kunden, die wie er aus Marokko stammen.

Türkischer Süßigkeitenladen bietet Backwaren an; Foto: © dpa
Zuckersüße Verführung: Während des islamischen Fastenmonats Ramadan sind vor allem süße Backwaren für das tägliche Fastenbrechen am Abend, "Iftar" genannt, überaus gefragt.

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Arrazki betreibt ein Lebensmittelgeschäft in einer Seitenstraße der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil. Sein Laden ist zwar nicht besonders groß, aber es fehlt an nichts, was seine Kunden brauchen: Im Kühlregal lagern große Behälter mit eingelegten Oliven. Und gleich gegenüber der Kasse befindet sich ein provisorisch aufgestelltes Regal mit Blechen voller süßer Backwaren. Eine Fleisch- und eine Fischtheke gibt es ebenfalls.

Fastenzeit und Schulferien

In diesem Jahr überlappen sich in vielen Bundesländern die Schulferien mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan. Für Muslime in Hessen ist dies besonders günstig - zumindest wenn man es aus der Perspektive von Eltern betrachtet, die schulpflichtige Kinder haben. Die Fastenzeit begann nämlich zeitgleich mit den Schulferien. Für muslimische Migranten ist das insofern gut, als dass sie ins Herkunftsland reisen und die Tage des heiligen Monats sowie das anschließende dreitägige Fest mit Verwandten begehen können.

Muslime aus den Migrantengemeinden scheinen die Möglichkeit zum "Heimaturlaub" genutzt zu haben: Das jedenfalls ist der Eindruck von Arrazki und anderen Frankfurter Einzelhändlern, die viele Kunden aus den muslimischen Ländern haben. Vormittags plätschere das Geschäft, die eigentliche "rush hour" sei erst am Nachmittag, berichtet Alim Çoskun. "Insgesamt kommen weniger Leute." Zwar sei der Kundenschwund spürbar; die aber, die kämen, füllten dafür ihre Einkaufswagen weitaus mehr als sonst.

"Der Hunger ist schon groß, wenn sie im Laden sind", sagt der aus der Türkei stammende Geschäftsmann. Der 49-Jährige weiß, wovon er spricht. Auch er fastet. Und auch ihm ist am Nachmittag der Verzicht aufs Essen und Trinken anzumerken. Er ist müde, denn er ist sehr früh am Tag aufgebrochen, um Waren vom Großhandel zu holen.

Datteln hoch im Kurs

Im Ramadan hat Arrazki Produkte im Angebot, die er nicht das ganze Jahr über führt - etwa Chebbakia, in Honig getränkte Backwaren, wie er erläutert. Fast immer mit dabei im Warenkorb sind Datteln. Diese getrocknet und auch frisch erhältlichen Früchte gehen im Fastenmonat wie "warme Semmeln" - weil es zur Tradition gehört und als gute Tat zählt, das Fasten - wie zu Zeiten des Propheten Mohammed - mit einer Dattel zu beenden.

Ein Dattelverkäufer auf dem Stadtbasar von Urumqi in Chinas Xinjiangprovinz; Foto: © AFP/Getty Images
Fastenbrechen nach Art des Propheten: Datteln sind zweifelsohne die Frucht, die ihren Platz an der Tafel der Fastenbrechenden hat, schreibt Canan Topçu.

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Datteln gehören auch in den Alim-Märkten im Bahnhofsviertel zu den Waren, die im Ramadan viel mehr als sonst gekauft werden. Wie auch türkische Pide mit Ei, die ein türkischstämmiger Bäcker aus Frankfurt-Höchst nur in dieser Zeit anbietet. Anders als in der Türkei, wo Fladenbrot traditionell nur während des Ramadan auf dem Markt kommt, gibt es hierzulande die Teigware aus Weizen das ganze Jahr über – aber eben nicht das mit Ei gekrönte.

Während Çoskun, der zwei Lebensmittelgeschäfte und einen Fischladen an der Münchener Straße betreibt, im Fastenmonat weitaus weniger Fisch verkauft, steigt hingegen bei dem maghrebinischen Geschäftsmann an der Klingerstraße der Absatz von Meeresprodukten.

Auf die Frage, was sich im Ramadan mehr verkaufe als sonst, zeigt Arrazki auf Tütchen, die mit Sesam oder Fenchel gefüllt sind. Die deutschen Namen dieser Zutaten hat er gerade nicht parat, er weiß aber, dass sie vor allem für Süßspeisen verwendet werden. Was genau daraus gemacht wird, weiß er wiederum nicht. Fürs Kochen und Backen sei seine Frau zuständig.

Arabischer Lebensmittelladen; Foto: © Ben Belgacem/DW
Gewürze und Hülsenfrüchte aus 1001 Nacht: Getrocknete Früchte und Nüsse finden in allerlei Ramadangebäck Verwendung, können aber auch als Snack zum Tee gereicht werden.

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Wenn der 44-Jährige abends um 20 Uhr seinen Laden schließt und nach Hause fährt, hat sie schon alles für den Iftar - das Essen zum Fastenbrechen - zubereitet. Gegen 21.30 Uhr sitzt dann Arrazki mit seiner Frau und den vier Kindern am Esstisch, um nach mehr als 17 Stunden den ersten Bissen zu sich zu nehmen.

In diesem Jahr fällt der Fastenmonat nämlich auch ungünstig - bezogen auf die Zeitspanne zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Da sich der islamische Kalender am Mond orientiert, verschiebt sich der Ramadan im gregorianischen Kalender um zehn Tage, so dass in diesem Jahr die Fastentage besonders lang sind.

Die Tage im Ramadan beendet Arrazki mit dem Gang zur Abu-Bakr-Moschee in der Nähe seiner Wohnung. Denn wie das Fasten gehört auch das Nachtgebet in der Gemeinschaft - Teravi genannt - zum Ritual im heiligen Monat der Muslime, der in diesem Jahr am 8. August endet.

Canan Topçu

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de