Justiz auf dem Prüfstand

Werden Ägyptens Gerichte im Fall Mubarak und im Fall Mursi mit zweierlei Maß messen? Tatsächlich ist es möglich, dass am Ende Mubarak freigesprochen wird, während Mursi ins Gefängnis wandert. Ein Kommentar von Karim El-Gawhary aus Kairo

Von Karim El-Gawhary

Nun ist der einst demokratisch gewählte und vom Militär verschleppte Präsident Mohammed Mursi also nach vier Monaten Gefangenschaft an einem unbekannten Ort endlich aufgetaucht: auf der Anklagebank eines ägyptischen Strafgerichtes.

Egal wie fair oder unfair die Richter mit diesem Fall umgehen, die Umstände sind hochpolitisch. Das machten schon die ersten Worte Mursis deutlich, welcher sich den Richtern als rechtmäßiger Präsident des Landes vorstellte, der durch einen Putsch aus seinem Amt gejagt wurde. Symbolisch dafür, dass Mursi die Richter herausfordert, ist der Streit ob er eine Gefängnisuniform oder zivile Kleidung tragen darf.

Ganz Ägypten vor Gericht

Mohammed Mursi; Foto: Reuters
"Ich bin der legitime Präsident von Ägypten, und ich bitte das Gericht, diese Farce hier zu beenden", erklärte Mursi zu Beginn des Verfahrens. Nach dem turbulenten Prozessauftakt hatte der Richter das Verfahren gegen den ägyptischen Ex-Präsidenten auf Beginn nächsten Jahres verschoben.

Hier steht nicht nur Mursi, sondern ganz Ägypten vor Gericht. Das alte Regime, das unter der Herrschaft der Muslimbrüder und das heutige. Denn mit Mursi wird zeitgleich auch dessen Vorgänger Mubarak der Prozess gemacht. Die Justiz steht damit auf dem Prüfstand, ob sie in beiden Fällen mit zweierlei Maß messen wird.

Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass am Ende Mubarak freigesprochen wird, während Mursi ins Gefängnis wandert. Das liegt auch daran, dass die staatlichen Institutionen den Fall Mubarak stets sabotiert, aber im Falle Mursis sicherlich freudig mit dem Gericht zusammenarbeiten werden. Ein Hinweis darauf, wie sehr vor allem der Sicherheitsapparat noch im Griff des alten Systems ist.

Selektive Rechenschaft

So wird am Ende vielleicht der Muslimbruder Mursi für den Tod von Demonstranten verurteilt, während die Sicherheitskräfte und das Militär für die Taten der letzten Jahre nahezu strafffrei davonkommen. Zur Beruhigung des Landes wird diese selektive Rechenschaft sicherlich nicht führen.

Der Prozess ist nicht eine Lösung, sondern eine Reflexion der politischen Krise und der instabilen Lage. Die Muslimbrüder und die Koalition der Putschgegner ist nicht stark genug, das Ruder in Ägypten herumzureißen, aber sie sind stark genug, mit ihren Protesten seit Monaten das Land praktisch lahmzulegen.

Und das bringt uns zum größten Problem der Militärführung. Denn die weiß, dass die Zeit gegen sie spielt. Noch jubelt ein großer Teil der ägyptischen Bevölkerung dem Militärchef Abdel Fatah El-Sisi als Retter in der Not zu.

Was ihm passieren kann, wenn er es nicht schafft, die Probleme der Menschen in den kommenden Monaten auch nur ansatzweise zu lösen, das kann er jetzt im Gerichtverfahren gegen Mubarak und Mursi studieren.

Karim El-Gawhary

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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de