Omans "Tausendsassa" unter Druck

Die Unruhen in der arabischen Welt machen auch vor dem Sultanat Oman nicht halt. Dies ist insofern bemerkenswert, zumal Omans Herrscher Qabus sich stets um das Wohlergehen seines Volkes bemüht hat. Robert D. Kaplan informiert.

Sultan Qabus bin Said; Foto: dpa
In der Kritik: Sultan Qabus musste inzwischen auf die Forderungen nach mehr Demokratie reagieren. Er kündigte an, einer bisher nur beratenden Abgeordnetenversammlung gesetzgeberische Vollmachten sowie Kontrollrechte gegenüber der Regierung einzuräumen.

​​Die demokratischen Erhebungen in der arabischen Welt haben ein so tiefgreifendes und überwältigendes Niveau erreicht, dass nun auch die wohl am wenigsten repressive Autokratie der Region davon eingenommen wird: der Oman.

Verglichen mit anderen arabischen Staaten hat Oman in den letzten Jahren in den Berichten des US-amerikanischen Außenministeriums zur Lage der Menschenrechte relativ gut abgeschnitten. Auch wenn es keine politische Freiheit bei der Wahl des Staatsoberhauptes gibt, so konnten die Bürger sich zumindest an freien und fairen Wahlen zur "Madschlis al-Schura" (Konsultativrat) beteiligen, die Sultan Qabus bin Said beratend zur Seite steht.

Der ruhige und unauffällige Regent

Berichte über willkürliche Tötungen und Festnahmen sowie politisch motivierte Entführungen sind selten. Seit er vor vier Jahrzehnten seinen reaktionären Vater, Sultan Said bin Taimur, stürzte, hat Qabus das Land mit einem Minimum an Unterdrückung eigenhändig von der Schwelle der Anarchie und des Aufruhrs in ein modernes Land überführt. Niemals bin ich in der arabischen Welt auf einen Ort gestoßen, der so gut regiert wurde wie der Oman – und das auf eine so ruhige und unauffällige Weise.

Der Oman bestand ursprünglich aus zwei Gebieten: zum einen die Küstenstädte, denen jahrtausendelang der Kosmopolitismus des Indischen Ozeans eingeflößt worden ist, dank der Vorhersehbarkeit von dessen Monsunwinden der Oman mit dem kulturellen Reichtum von so weit entfernten Zivilisationen wie Ostafrika und den Ostindischen Inseln beschenkt wurde. Zum anderen ist da das Wüstenhinterland, in dem ein Wirrwarr von Nomadenstämmen um die knappen Wasserressourcen kämpft.

Als Qabus an die Macht kam, waren die Küste und die Wüste politisch voneinander getrennt. In Dhofar, im Südwesten der Wüste in der Nähe der Ölvorkommen, war ein separatistischer Aufstand ausgebrochen. Der Aufstand wurde von radikalen Marxisten für sich in Anspruch genommen. Die Briten stützten die Küsten-Omanis.

Verhandlungen mit Freund und Feind

Die Sultan Qabus Moschee in Maskat; Foto: DW
Sichtbarer Wohlstand im Golf-Sultanat Oman: Wenn man bedenkt, wie sehr sich Qabus um das Wohlergehen des Landes bemüht hat, wäre es traurig, wenn sein Ansehen im Zuge der historischen Proteste Schaden nehmen würde, schreibt Robert D. Kaplan.

​​Als der 29-jährige Qabus 1970 an die Macht kam, bot er den Stammesangehörigen von Dhofari einen allgemeinen Straferlass an. Stammeskämpfer, die sich ergaben, wurden in die von den Briten ausgebildeten Streitkräfte eingegliedert. Das Wüsteninnenland war wirtschaftlich entwickelt. Qabus rief eine Kampagne zu ununterbrochenen Verhandlungen mit Freund und Feind ins Leben, um das Land zu einen.

Es war ein klassischer Fall von Widerstandsbekämpfung kombiniert mit Nationenbildung und im Laufe der Zeit zeigte er Wirkung. Bis 1975 war der Wüstenaufstand beendet und der Oman war bereit, sich zu einem modernen Staat zu entwickeln.

Qabus ist ein Herrscher wie kein anderer in der arabischen Welt. Er ist unverheiratet, lebt alleine, spielt Orgel sowie Laute und komponiert. Der Absolvent der britischen Militärakademie Sandhurst ist wohl der weltgewandteste und am besten informierte Führer in der arabischen Welt, der sich sowohl mit israelischen als auch mit palästinensischen Standpunkten gründlich auskennt, während er gleichzeitig US-Amerikaner gegenüber Iranern ins Gleichgewicht bringt und US-Streitkräften die Nutzung von Stützpunkten gestattet.

Im Stile skandinavischer Premierminister

Proteste in Oman Ende Februar 2011; Foto: AP
Aufstand gegen Korruption und Vetternwirtschaft: Demonstranten in Oman verlangen eine Strafverfolgung der wegen Bestechung beschuldigten Minister und Regierungsbeamten des Golf-Sultanats.

​​Infrastrukturprojekte, Frauenrechte und die Umwelt sind die Kernaufgaben seiner Regentschaft und bisher hat er es vermieden, einen Personenkult zu etablieren, der typisch für die Region ist. Seine Zurückhaltung auf der Weltbühne ist mit der Bescheidenheit skandinavischer Premierminister zu vergleichen. Sie steht im deutlichen Gegensatz zum Auftreten von Tyrannen wie Irans Mahmud Ahmadinedschad oder Venezuelas Hugo Chávez.

Ein westlicher Experte nennt Qabus das einzige Staatsoberhaupt in der arabischen Welt, das man als "Tausendsassa" bezeichnen kann. 1979 war Oman der einzige arabische Staat, der den Friedensvertrag des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat mit Israel anerkannte.

Als ich im Jahr 2008 für mein Buch "Monsun" – über den Indischen Ozean – nach Oman reiste, beherrschte das Blutvergießen im Irak noch immer die Nachrichten. Demokratie nach westlicher Art war daher kein beliebtes Thema im Oman, denn es rief sofort Assoziationen an das missglückte Abenteuer Amerikas im nahe gelegenen Mesopotamien hervor.

Die vergessene Jugend

Aber während ich Qabus mit Lob überschüttete und dem Demokratieexport äußerst kritisch gegenüberstand, stieß ich gleichzeitig auf Herausforderungen, die sich mit einer zunehmend jugendlichen Bevölkerung, der Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, und den Wirren einer globalen Kultur stellten.

Ich habe diese Punkte in meinem Buch erwähnt, aber ich habe sie nicht hervorgehoben – ein großer Fehler! Ich warnte allerdings beiläufig: "Nicht-demokratische Länder wie der Oman erweisen sich als effizient – wenn alles gut läuft, aber wenn in solchen Systemen Probleme auftauchen, kann die Bevölkerung, besonders wenn sie jung ist, ziemlich widerspenstig werden."

Das ist exakt, was passiert ist. Qabus löste das Problem der Teilung von Küste und Wüsteninnerem, aber er war nicht dynamisch genug, um eine unruhige und arbeitslose, globalisierte Jugendkultur zufrieden zu stellen. Hinzu kam, dass der Anlass der Feiern zu seinem 40-jährigen Amtsjubiläum 2010 eine Art von Personenkult ausgelöst hat, der möglicherweise zu den aktuellen Unruhen beigetragen hat.

Elogen auf Sultan Qabus bin Said in omanischen Zeitungen zum 40-jährigen Amtsjubiläum; Foto: DW
Möglicher Anlass des Volkszorns gegen den Sultan: Die Feiern zu Qabus' 40-jährigem Amtsjubiläum 2010 haben eine Art von Personenkult ausgelöst, der möglicherweise zu den aktuellen Unruhen beigetragen hat, schreibt Robert D. Kaplan.

​​Qabus ist außerdem verletzlich, weil er keine Erben hat und daher Zweifel aufkommen, was seine politische Nachfolge betrifft. Omans System der absoluten Monarchie wird in seiner gegenwärtigen Form niemals besser funktionieren als es das heute tut, weil es unvorstellbar ist, dass ein anderer Monarch es ebenso geschickt lenken würde wie es Qabus jahrzehntelang getan hat.

Der Oman ist strategisch alles andere als unbedeutend. Das Land ist zwar mit einer Bevölkerung von weniger als drei Millionen Menschen recht klein, die tiefen Meeresstellen an der Straße von Hormuz, die für den Verkehr der Öltanker unverzichtbar sind, befinden sich allerdings ausschließlich in omanischem Gebiet.

Wenn man bedenkt, wie sehr sich Qabus um das Wohlergehen des Landes bemüht hat, wäre es traurig, wenn sein Ansehen im Zuge der historischen Proteste Schaden nehmen würde. Denn er sollte nicht im gleichen Atemzug genannt werden wie Despoten vom Schlage Muammar al-Gaddafis.

Robert D. Kaplan

© Foreign Policy 2011

Robert D. Kaplan ist leitender Mitarbeiter am "Center for a New American Security" und Korrespondent der Zeitschrift "The Atlantic". Zudem publizierte er das Buch "Monsun: Der indische Ozean und die Zukunft der amerikanischen Macht".

Übersetzt aus dem Englischen von Susanne Kappe

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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