Frieden durch Umweltschutz

Die Umweltorganisation "Friends of the Earth Middle East" plant die Errichtung eines Friedensparks am Jordan und will damit den Umweltschutz und die wirtschaftliche Entwicklung in der Region fördern. Claudia Mende informiert.

Von Claudia Mende

Manchmal kämpfen sie noch mit der richtigen Wortwahl. Der Israeli Guidon Bromberg und der Jordanier Munqeth Mehyar sprechen über ihr Projekt eines Friedensparks am Jordan unterhalb des Sees Genezareth.

"Dieses Land hat Israel im Friedensvertrag mit Jordanien 1994 aufgegeben", sagt Guidon Bromberg. "Nicht aufgegeben, zurückgegeben", protestiert Munqeth Mehyar. "Okay, dann eben zurückgegeben", gibt Bromberg nach. In der Umweltorganisation "Friends of the Earth Middle East" arbeiten Israelis, Jordanier und Palästinenser gleichberechtigt zusammen.

Der Jordan markiert hier die Grenze zwischen Israel und Jordanien. Er fließt die 200 Kilometer vom See Genezareth durch den Jordangraben und ergießt sich weiter südlich ins Tote Meer. Wo sein wichtigster Zufluss, der Yarmouk, aus Syrien dazu stößt, ist durch ein System von Menschen gemachten Kanälen eine Insel entstanden. "Bakoora" nennen die Jordanier diese kleine Insel, "Naharayim" heißt sie bei den Israelis.

Wenn es nach Bromberg und Mehyar geht, soll das Gelände zwischen Yarmuk, dem Eingang zum Kibbuz Naharayim bis zum weiter südlich gelegenen Kibbuz Gesher bald den Namen "Jordan River Peace Park" tragen.

Ruine des Rotenberg-Kraftwerks auf Bakoora; Foto: Claudia Mende
Relikte der Vergangenheit: Bis 1948 erzeugte hier ein Wasserkraftwerk, erbaut von dem russischen Wasseringenieur Rotenberg, Strom aus den beiden Flüssen für Israel und Jordanien.

​​Der Grenzzaun liegt in Sichtweite, das Gelände ist weitgehend unberührt, weil es seit Jahrzehnten militärisches Sperrgebiet ist. Bis 1948 erzeugte hier ein Wasserkraftwerk, erbaut von dem russischen Wasseringenieur Pinchas Rotenberg, Strom aus den beiden Flüssen für Israel und Jordanien. 1948 hat es die jordanische Luftwaffe zerbombt, danach wurde das Gelände verlassen.

Jetzt steht das ehemalige Rotenberg-Kraftwerk als Industrieruine in der Landschaft und wird nur noch von Fledermäusen bewohnt. Aus seinen Überresten soll nach den Vorstellungen von "Friends of the Earth" das Besucherzentrum des neuen Parks entstehen. Doch das ist alles noch Zukunftsmusik.

Länderübergreifende ökologische Probleme

Seit fünf Jahren karren der Israeli, der Jordanier und ihr palästinensischer Kollege Nader Khatib Busladungen von Journalisten, Lokalpolitikern, Touristen und Militärs in diese brachliegende Graslandschaft am Jordan. Unermüdlich wollen die Umweltschützer die Verantwortlichen von ihrer Idee eines Friedensparks auf beiden Seiten des Flusses überzeugen. Unterstützt werden sie mit Mitteln von Usaid und der Europäischen Union.

Frieden, Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung gehören für sie zusammen. Auf der jordanischen Seite werden dringend Jobs benötigt, denn in dieser Grenzregion nahe der Stadt Shouna Shemeiliya sind 40 Prozent der Menschen arbeitslos. Man braucht eine Menge Phantasie um sich vorzustellen, wie aus diesem Brachland ein Park mit Öko-Lodges, Wanderpfaden, Radwegen und einem Café auf dem Hügel mit Blick über das Jordantal entstehen soll.

Aber Bromberg und Mehyar haben diese Phantasie und die nötige Hartnäckigkeit für das Projekt. "Wir können nicht warten, bis irgendwann der Frieden kommt", betont der Jordanier. "Dafür sind die Probleme der Umwelt und der Menschen, die hier leben, zu dringend."

Ökologische Probleme machen nicht vor den Landesgrenzen halt. Der Jordan als Lebensader für die Menschen in der Region ist nicht nur stark verschmutzt, seine Wassermenge ist um 98 Prozent zurückgegangen. Dadurch könnte das Tote Meer in einigen Jahrzehnten sogar völlig austrocknen.

"Umweltschutz ohne Arbeitsplätze macht keinen Sinn"

Der Klimawandel wird die Wasserknappheit noch verschärfen. Nach Prognosen des Weltklimarats für den Nahen Osten soll die Wassermenge bis 2050 um weitere 20 Prozent zurückgehen. Gleichzeitig ist das Feuchtgebiet am Jordan auch für rund 500 Millionen Zugvögel lebenswichtig, die hier zweimal im Jahr auf ihrer Migrationsroute von Europa nach Afrika einen Zwischenstopp einlegen.

Das Tote Meer; Foto: AP
Auf dem Rückzug: Bis 2020 wird ein Rückgang des Wasserstandes im Toten Meer auf 430 Meter unter dem Meeresspiegel prognostiziert.

​​Sie könnten Öko-Touristen aus aller Welt anlocken. "Umweltschutz ohne Arbeitsplätze macht für uns keinen Sinn", sagt Mehyar. "Was die Leute hier brauchen sind Zukunftsperspektiven."

Durch den palästinensisch-israelischen Konflikt geht hier seit Jahrzehnten nur wenig voran. Daran hat auch der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien im Jahr 1994 nur wenig geändert. Auf israelischer Seite stehen zwei Kibbuzim, die jordanisches Gelände bewirtschaften und Touristen hierher führen dürfen. Eine Zusatzregelung aus dem Friedensvertrag macht das möglich. Sie dürfen das Gelände ohne Visa betreten.

Für Jordanier gilt das allerdings nicht. "Wir wollen, dass endlich auch Jordanier das Gebiet ohne Formalitäten besuchen dürfen", sagt Mehyar und diesmal stimmt ihm sein israelischer Kollege sofort zu. Allerdings gibt es auf der jordanischen Seite bisher keinerlei touristische Infrastruktur.

Eine geschichtsträchtige Region

Dabei zeugt das Gebiet vom Potenzial der Region, wenn sich denn die Konfliktparteien endlich auf mehr Kooperation einigen könnten. Hier kreuzten sich früher die Handelswege zwischen Europa, dem Mittelmeerraum und Asien. Ein verfallener Bahnhof erinnert an die von deutschen Ingenieuren erbaute Hedschas-Bahn zwischen Damaskus und Haifa. Es sind noch die hebräischen und arabischen Graffitis zu sehen, in denen sich die Reisenden damals über die unpünktlichen Züge beschwerten.

Dann gibt es noch die Überreste von drei historischen Brücken aus der römischen, osmanischen und britischen Zeit. Für "Friends of the Earth" könnte eine Parkanlage auf beiden Seiten des Flusses das Gelände in ein attraktives touristisches Ziel verwandeln. Die Bürgermeister der angrenzenden Kommunen in Israel und Jordanien haben längst zugestimmt.

Aber auf Regierungsebene in Jordanien hakt es noch. In einer ersten Phase soll die Infrastruktur auf dem Gelände der jordanischen Seite aufgebaut werden. Erst danach will man mit den beiden Kibbuzim auf der israelischen Seite über eine Nutzung ihres Territoriums verhandeln.

Wassermangel und Umweltverschmutzung

Jordanische und israelische Fahnen am Fluss Jordan; Foto: AP
Ökologische Probleme machen nicht vor den Landesgrenzen halt: Der Jordan als Lebensader für die Menschen in der Region ist nicht nur stark verschmutzt, seine Wassermenge ist um 98 Prozent zurückgegangen.

​​Früher führte der Jordan 1,3 Millionen Kubikmeter jährlich an Wasser mit sich, heute wird damit gerechnet, dass einige Flussabschnitte künftig im Sommer völlig austrocknen. Außerdem leiten Israel, Jordanien und die palästinensischen Gebiete ihre Abwässer ungeklärt in den Jordan. Da der größte Teil des Flussufers auf beiden Seiten wegen des Militärs unzugänglich ist, dringen Informationen über die verheerende Wasserqualität kaum ins Bewußtsein der Öffentlichkeit.

Ein Lieblingssport im Nahen Osten sei doch "auf die anderen zu schimpfen, anstatt selbst etwas zu tun", sagt Bromberg. "Dabei wissen wir doch ganz genau, dass wir hier gemeinsam leben müssen." Er hat die Organisation nach dem Friedensvertrag von 1994 gegründet.

Gemeinsam haben sie sich in einem längeren Dialog auf politische Prinzipien für ihr Friedens- und Umweltengagement geeinigt: Sie arbeiten mit allen zusammen, nur nicht mit Siedlern, und fordern den Abbau der Siedlungen auf der Westbank. Wenn man Bromberg und Mehyar hört, dann klingt auch der mittlerweile über 50 Jahre alte Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn lösbar.

"Wir haben die Nase voll von einem Spiel mit den Leben der Menschen", sagt Bromberg. Er ist davon überzeugt, dass die Menschen auf allen Seiten längst miteinander auskommen wollen und nur die Politiker kein Interesse an einer friedlichen Lösung haben. Schließlich haben sie es ja auch bei "Friends of the Earth" geschafft, sich auf gemeinsame Ziele festzulegen.

Claudia Mende

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de