Neuer Vorsitzender des Zentralrates der Muslime

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat erstmals einen deutschstämmigen Vorsitzenden: Ayyub Axel Köhler wird Nachfolger von Nadeem Elyas, der dem Rat seit dessen Gründung 1994 vorstand. Rainer Sollich stellt den neuen ZMD-Vorsitzenden vor.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat erstmals einen deutschstämmigen Vorsitzenden. Der 1963 zum Islam konvertierte Ayyub Axel Köhler wird Nachfolger von Nadeem Elyas, der dem Rat seit dessen Gründung 1994 vorstand. Rainer Sollich stellt den neuen ZMD-Vorsitzenden vor.

Die Wahl von des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) hat hierzulande ein großes Medienecho erzeugt. Und das aus zwei Gründen: Erstens ist Köhler der erste deutschstämmige Muslim, der es an die Spitze einer großen islamischen Dachorganisation in Deutschland gebracht hat.

Zweitens fiel die Wahl des 67-jährigen zeitlich mitten in den Konflikt um die Mohammed-Karikaturen. Im ersten deutschen Fernsehen wurde ihm daher schon kurz nach seiner Ernennung die Frage gestellt, wie er als Muslim über die Mohammed-Karikaturen denke. Köhler - in den letzten fünf Jahren bereits Generalsekretär des ZMD - bewies dabei, dass er Medienprofi ist und zu differenzieren versteht.

Gegen Hass und Gewalt

"Wir verurteilen natürlich diese abscheulichen Darstellungen. Sie verletzen die Würde der Muslime", so Köhler. "Zu der Menschenwürde gehört ja auch die Religion - und das ist ein sehr intimer Bereich, den man eigentlich nicht verletzen sollte. Aber auf der anderen Seite, wenn ich die Bilder aus islamischen Ländern sehe, wo ein blinder Mob durch die Straßen geht und Häuser anzündet und sogar auch Kirchen beschädigt, da breitet sich auch bei uns in Deutschland ein Entsetzen aus, was dort an Ausbruch von Wut und Hass plötzlich zu sehen ist."

Geboren wurde Köhler in der Stadt Stettin, die heute zum polnischen Staatsgebiet gehört. Seine Familie flüchtete dann zunächst in das Gebiet der späteren DDR, 1956 siedelten die Köhlers in den Westen Deutschlands über.

Ayyub Axel Köhler landete schließlich als Student der Geowissenschaften in Freiburg, wo er erste Kontakte zu ausländischen Studenten muslimischen Glaubens knüpfte. 1963 trat er dann selbst zum Islam über.

In Interviews mit deutschen Medien begründete er dies mit der "Brüderlichkeit und Mitmenschlichkeit" seiner muslimischen Mitstudenten sowie mit der Erkenntnis, im Islam eine - so wörtlich - "aufklärerische Religion" gefunden zu haben, in der "Vernunft und Wissen eine der Grundlagen der Frömmigkeit" seien.

Ayyub Axel Köhler weiß freilich, dass das Image des Islam in Deutschland und anderen westlichen Ländern spätestens seit dem 11. September 2001 ein ganz anderes ist: das einer Religion, die zu Gewalt und Fanatismus neigt. Gegen diese Art von Pauschalisierung, die durch den Karikaturen-Konflikt in einigen deutschen Medien erneut Hochkonjunktur hat, möchte er sich in seinem neuen Amt mit Nachdruck einsetzen.

Plädoyer für Rechtstaatlichkeit und Toleranz

Zugleich appelliert er aber auch an die mehr als drei Millionen Muslime in Deutschland, im Karikaturen-Streit nicht dem Beispiel der Proteste im Nahen Osten zu folgen, sondern nach anderen, gewaltfreien Formen des Protests zu suchen.

"Wir können das hier in Deutschland machen, indem man appelliert an die Muslime: 'Bitte, lasst Euch nicht provozieren!' Mit Gewalt können wir sowieso nichts ausrichten. Wir müssen uns auf rechtsstaatliche Mittel beschränken. Und wir müssen sehen, dass wir in dieser Gesellschaft etwas verändern im Umgang miteinander."

Beruflich war der inzwischen pensionierte Köhler stets als Wissenschaftler tätig: 1969 zunächst im Rechenzentrum der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt. 1970 - also noch zu Zeiten des Schah-Regimes - wechselte er für drei Jahre an die Universität Teheran. Danach arbeitete er bis zu seinem Ruhestand 1999 beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Als deutschstämmiger Muslim steht Köhler, der als FDP-Mitglied auch parteipolitisch aktiv ist, für ein vom arabischen Raum weitgehend unabhängiges, sozusagen europäisches Islam-Verständnis. Ihm liegen die Probleme, Integrationsdefizite und nicht zuletzt die oftmals so empfundene Diskriminierung von Muslimen in Deutschland am Herzen.

Bedeutung des Zentralrates

Allerdings ist der von ihm geführte Zentralrat zwar die bekannteste, aber nur eine von mehreren islamischen Großorganisationen, die sich um die Vertretung muslimischer Interessen in Deutschland kümmern. Laut eigenen Angaben vertritt der Zentralrat rund 800.000 Muslime. Nicht wenige Experten veranschlagen die Anzahl jedoch weitaus geringer und sprechen von 20.000 bis 30.000 Mitgliedern überwiegend arabischer Herkunft.

Die Mehrzahl der Muslime in Deutschland ist jedoch türkischer Herkunft und neigt insofern eher zur größeren, aber weniger bekannten "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB), die organisatorisch eng mit dem türkischen Staat verbunden ist.

Türkische Muslime mit konservativ-islamischen oder ausgesprochen islamistischen Tendenzen hingegen werden zumeist von der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" und dem von ihr dominierten "Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland" vertreten.

Rainer Sollich

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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