Opernstar hält Hof in Baalbek

Der spanische Opernstar Placido Domingo war einer der Gäste des diesjährigen Musikfestivals im libanesischen Baalbek. Christina Förch hat den Star begleitet.

Placido Domingo in Baalbek, Foto: Christina Förch
Placido Domingo in Baalbek

​​Die Reifen der vier Jeeps quietschen, als sie vor dem kleinen, aber feinen Palmyra-Hotel im libanesischen Baalbek halten. Sicherheitsleute springen heraus, sichern den kurzen Weg zum Eingang. Doch weit und breit sind keine Fans zu sehen, die den Opernstar bedrohen könnten.

Auch das Hotelpersonal scheint sich nicht besonders auf den Besuch von Placido Domingo vorbereitet zu haben, der am folgenden Tag in den Römerruinen eine Aufführung gibt.

Kein Hotelmanager, der den Maestro mit einem Glas Sekt begrüßt. Kein Boy, der ihm das Zimmer zeigt. Es ist alles sehr ungezwungen – ziemlich ungewohnt für Domingo, der mit seiner Entourage normalerweise in ausgewählten Fünf-Sterne-Hotels logiert.

Internationale Stars im Libanon

Die Ruinen von Baalbek sind jedes Jahr der Schauplatz von Libanons renommiertestem Musikfestival. Stars wie Sting oder Charles Aznavour sind im größten Römertempel der Welt schon aufgetreten. Dieses Jahr war das Konzert von Opernsänger Domingo der Höhepunkt des Musiksommers.

Viertausend kamen zu der Show, darunter viel Lokalprominenz – eine beachtliche Zahl an Zuschauern für ein so kleines Land wie den Libanon.

Die Baalbeker sind einerseits stolz darauf, jeden Sommer ein bisschen vom internationalem Glanz und Glamour abzubekommen, doch andererseits machen sie – wie eben das Hotelpersonal – nicht viel Aufhebens um Prominenz.

Hisbollah nutzt den Rummel

Gleichzeitig ist die Stadt in der Bekaa-Ebene eine Hochburg der Hisbollah. Und die schiitische Miliz hat gelernt, den Medienrummel für sich zu nutzen.

So schossen schiitische Milizionäre im Jahre 2000 während einer Darbietung aus Protest in die Luft. Der Grund der Aufregung: Dargeboten wurde ein klassisches Chorstück; der Text stammte aus dem Alten Testament, also nach der Interpretation der Hisbollah aus dem Buch der Juden.

Auch wenn der zionistische Feind erfolgreich aus dem Land vertrieben worden sei, sei das noch lange kein Grund, ihn zu feiern, so damals die Miliz. Das Pro und Kontra einer derartigen Aufführung ging wochenlang durch die libanesische Presse.

Im Sommer darauf hatte die Hisbollah im Vorhof des Römertempels eine Ausstellung über den "Widerstand" aufgebaut. Und auch dieses Jahr machte sie wieder auf sich aufmerksam: Am Eingang zum Tempel stand eine drei Meter hohe Statue in Uniform, mit Hisbollahfahne in der Hand, den Fuß auf einen israelischen Helm gestützt.

Keine Angst vor Anschlag

Ob jedoch der Opernstar Domingo von dieser Statue und ihrer Bedeutung überhaupt Notiz nahm, ist eher fraglich – er schien mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. Der Sänger, welcher nach seinem Auftritt im Libanon schon wieder in San Diego und Los Angeles ist, war angeblich zu sehr im Stress, um auf solche Lappalien zu reagieren.

Auch die Bilder von Ayatollah Khomeini, dem iranischen Religionsoberhaupt Khatami oder dem Hisbollahführer Nasrallah am Ortseingang müssen ihm entgangen sein.

Angst jedenfalls hatte er keine. Dafür spricht auch, dass er in Baalbek Hof hielt und dort übernachtete – nicht etwa wie Elton John, der es letztes Jahr vorgezogen hatte, aus Zypern einzufliegen.

"Für mich ist die Welt eben die Welt. Ich liebe es, zu reisen. Wenn ich Bedenken gehabt hätte, wäre ich einfach nicht gekommen", so der Opernstar. Auch sein persönlicher Bodyguard hatte keinerlei Befürchtungen.

"Wir arbeiten eng mit libanesischen Sicherheitsleuten zusammen, und denen vertraue ich", meinte Sicherheitschef Thomas Görgens. Er selbst halte sich immer in der Nähe des Meisters auf.

"Doch es gibt ein Restrisiko." Das resultiere nicht gerade aus dem Bekanntheitsgrad Domingos, sondern eher aus "Sekundärpersonen", wie eben den hochrangigen libanesischen Politikern oder Botschaftern, die zur Aufführung kommen.

Beeindruckt vom Tempel

Domingo war schon vor zwei Jahren im Libanon aufgetreten, damals im Schlosshof von Beiteddine. "Ich liebte das libanesische Publikum, es war eine einzigartige Atmosphäre. Schon damals versprach ich ihnen, das nächste Mal nach Baalbek zu kommen."

Die riesigen Dimensionen des Römertempels hatten ihn offensichtlich beeindruckt. "Es ist ein magischer, phänomenaler Ort", so der Sänger. "Ich habe noch nie einen Tempel mit so vielen gut erhaltenen Säulen gesehen."

Und es war der perfekte Ort für eine Aufführung von Opernarien und Stücken der von Domingo so geliebten spanischen Volksoper Zarzuela.

Zusammenarbeit mit libanesischen Orchester

Eine weitere Besonderheit war, dass der Star mit dem jungen und international gänzlich unerfahrenen libanesischen Symphonieorchester auftrat. Domingos Lieblingsdirigent Eugene Kohn hatte die Musiker ordentlich zurechtgestutzt, bevor es zur Generalprobe mit Domingo kam. Doch während der Probe entschlüpfte dem Amerikaner begeistert ein "perfect! perfect!"

"Es ist doch wunderbar, die künstlerischen Kapazitäten eines Landes zu nutzen", so Domingo. "Und ein Auftritt wie dieser ist ein Weg, diese künstlerischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und neue Musiker heranzubilden."

Am Tag nach dem Konzert gab es vom Maestro selbst ein anerkennendes Kopfnicken – ein großes Lob für ein erst fünf Jahre altes Orchester, das noch sehr unbekannt ist.

Und die Baalbeker können mal wieder einen Superstar mehr zu den Persönlichkeiten einreihen, die es gewagt haben, in die Hisbollahhochburg zu kommen und dort das Beste zu geben.

Christina Förch

© Qantara.de 2004