Philosophie als Bestseller

Insbesondere Bücher über und von Philosophen werden in Tunesien gerne verkauft und gelesen. Auch die deutsche Philosophie steht dort hoch im Kurs. Dies spiegelte sich auch auf der jüngsten Buchmesse in Tunis wieder, die am 6. Mai zuende ging.

Buchmesse in Tunesien

Die arabischen Verleger kamen mit großen Hoffnungen nach Tunesien. Nachdem der Irakkrieg den Buchmarkt in Beirut zum Stillstand gebracht hat und die letzte Buchmesse in Abu Dhabi ausfiel, waren die Erwartungen in Tunis groß. Über 700 Verlage aus 36 Ländern stellten ihr Sortiment zum Verkauf aus. Vom 24. April bis zum 6. Mai hatte das Publikum die Gelegenheit, sich über Neuerscheinungen zu informieren und vor allem Bücher zu kaufen, die in tunesischen Buchhandlungen nicht erhältlich sind. Da es in der arabischen Welt kein funktionsfähiges Vertriebssystem gibt, sind die Buchmessen die einzige Möglichkeit, sich über vorhandene Bücher zu informieren und möglicherweise zu erwerben.

Die Besonderheit der tunesischen Leser ist ihr großes Interesse an Philosophie. Auch dieses Jahr sind Bücher über und von Heidegger, Adorno oder Habermas, die in der übrigen arabischen Welt eher einen mäßigen Absatz finden, oft über den Ladentisch gegangen. Dieses Interesse an Philosophie berücksichtigt auch das Goethe-Institut in seinem Programm. Ende April fand ein Vortrag über Leibniz statt. Im Herbst ist eine Veranstaltung zu Adorno geplant.

Zensur

Welche Titel sind verboten? Diese Frage stellen sich die arabischen Verleger am Anfang jeder Buchmesse. In Tunesien sind es traditionell alle Bücher, die mit dem politischen Islam und mit Menschenrechten zu tun haben. Bei dem libanesischen Verlag Dar as-Saqi zum Beispiel darf die Neuerscheinung des sudanesischen Islamisten Hassan at-Turabi nicht verkauft werden. Beim marokkanisch-libanesischen Verlag al-Markaz at-Thaqafi al-Arabi sind Werke gemäßigter Islamisten ebenfalls Tabu.

Deutsches Model als Vorbild?

Die Veranstalter der Buchmesse widmeten sich im Rahmenprogramm den Problemen des arabischen Buchmarktes. Die durchschnittliche Auflagenhöhe arabischer Bücher liegt seit Jahren bei 3000 Exemplaren. Die Buchproduktion in der arabischen Welt, bei einer Einwohnerzahl von ungefähr 280 Millionen, gehört zu den niedrigsten überhaupt. Der tunesische Verleger Umar Suaidan nannte einige grundsätzlich Probleme, wie etwa der starke Rückgang der Buchhandlungen, Zensur, Leseunlust oder Nicht-Einhaltung der Copyrightbestimmungen. Suaidan betonte, dass der wirtschaftliche Aspekt nur eine untergeordnete Rolle spiele. Nicht die zurückgehende Kaufkraft ist ein Problem, sondern das mangelnde Interesse an niveauvollen Büchern. An der Veranstaltung nahmen auch Referenten aus Deutschland teil. Stephan Trudewind vom Arabischen Almanach stellte das deutsche Vertriebssystem vor. Stephan Barthelmess von der Frankfurter Buchmesse, der sich in früheren Jahren für die Einhaltung des Copyrights in der arabischen Welt engagiert hat, erläuterte die Wichtigkeit der Buchmessen für den Vertrieb. Es ist fraglich, ob das deutsche Modell als Beispiel dienen kann. Denn zunächst müssen grundsätzliche Hürden in der arabischen Welt beseitigt werden, besonders die drastischen Zensurbestimmungen.

Der irakische Leser

Die Hoffnungen der arabischen Verleger haben sich in Tunis nicht erfüllt. Die Verkaufszahlen blieben unter denen des letzten Jahres. Kein Grund zum Verzweifeln. Denn in naher Zukunft wird ein begehrter Buchmarkt wieder zugänglich sein: Der Irak mit seinen für ihre Leselust bekannten Bewohnern.

Mona Naggar, Qantara.de; © 2003 Qantara.de