Phillip Dehler: "Ein blutiges Schachspiel"

Zum Essay von Elias Khoury: "Ein blutiges Schachspiel"

 Sehr geehrter Herr Khoury, Zunächst behaupten Sie, dass es Assad gelungen sei, "Syrien in ein Schachbrett zu verwandeln, auf dem sich die Global Player USA und Russland über ströme von Blut und Tränen hinweg ein Duell liefern". Ist es logisch, zu behaupten, dass ein Regime versucht, sein eigenes Land in einen Stellvertreterkriegsschauplatz bzw. in ein "Schachbrett" zu verwandeln, damit andere Staaten sich dort bekriegen? Ist es logisch, dass ein Regime in die Geschichte eingehen will damit, dass das Blut der eigenen Landsleute, und nicht die der Amerikaner uoder Russen fließt? Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Die "Achse des Widerstands" ist auch nicht von Assad konstruiert, sie ist in der Tat eine Realität, wie man auch in Iran sieht, wo viele Iraner bis heute noch "Nieder mit den USA" rufen, während im Libanon die Hisbollah weiterhin den Rückhalt des libanesischen Volkes genießt. Leider sind Sie es, der hier etwas konstruiert, und das ist eine "arabische Unterlegenheit", die es gewiss in der Vergangenheit gab. Aber warum leben Sie noch in der Vergangenheit? Die arabischen Länder - so erklären Sie - waren schon damals unterlegen und würden es deshalb auch immer sein. Ist das die Argumentation? Da bitte ich ausdrücklich um eine differenziertere Betrachtungsweise. Denn genauso wie es bei den "Arabern" des Öfteren Übertreibungen hinsichtlich der Überlegenheit gab, so gibt es sie auch zu genüge bei uns im Westen. Oder wie erklären sie sich die Fehlprognose der BND hinsichtlich der Überlegenheit der Rebellen gegenüber der syrischen Armee? Hieß es denn nicht anfangs noch, dass Assad "in wenigen Wochen" stürzen würde? So viel zu "leeren Phrasen".
Hinsichtlich der Argumentation, dass Syrien Chemiewaffen besitze, um ein strategisches Gleichgewicht gegen Israel herzustellen, scheinen Sie besonders skeptisch. Ihre Ansicht nach ist dies der "angebliche" Grund. Es wird doch sonst immer so schön plausibel die Abschreckungstheorie erklärt. Sie schreiben doch selber über "Geschwätz" und "Analysen", wobei letzteres noch durchaus hilfreich sein könnte, wenn Sie denn wenigstens Ihre Argumentation mit klaren und vor allem überpfrüfbaren Fakten stützen könnte. Sie wissen, dass es keine Beweise gibt bzw. glauben sie wohl, dass es Beweise gibt, die aber unter Verschluss bleiben. In diesem Fall gebe ich Herrn Putin sogar Recht: Man hat Beweise? Dann nur her damit, sonst sind es keine Beweise, sondern lediglich eine Behauptung, dass es Beweise gibt. Traut man sich etwa nicht mehr, "Beweise" rauszurücken, nachdem sich schon beim Irakkrieg die "Beweise" hinsichtlich eines Besitzes von Massenvernichtungswaffen als Fälschung herausstellten? Es stellt sich außerdem immer noch die Frage, warum Assad jemals den Einsatz von Giftgas hätte anordnen sollen, wenn die Armee die Rebellen zudem Zeitpunkt bereits eingekreist hatten und das Regime wusste, dass am selben Tag die UN-Inspekteure eintreffen würden. Ob Assad "gut" oder ein "Schurke" ist, da gibt es verschiedene Ansichten, aber bei einem ist man sich wohl einig: So unerhört dumm ist Assad nicht. Es ist auch widersprüchlich, Putin als "Falken" zu bezeichnen und Obama als "Taube". Russland unterstützt nicht speziell Syrien, sondern das internationale Recht. Das Land hat einen souveränen Staat mit Waffen beliefert und es waren die westlichen Akteure, die durch ihren Verstoß des internationale Rechts die internationale Gemeinschaft gefährdet und Rebellen mit Waffen beliefert haben, somit auch das Risiko erhöht haben, dass die mit Al-Qaida verlinkte Al-Nusra Front an diese Waffen herankommen. Durch die Missachtung des internationalen Rechts verführt man alle möglichen Parteien nur noch viel mehr dazu, jenes Recht ebenfalls zu ignorieren. Wozu wird das wohl führen? Während sich Putin an dieses internationale Recht hält, das gemäß dem Konsens der internationalen Gemeinschaft entstanden ist, ist es unser Friedensnobelpreisträger, der in mehreren Ländern Drohnen regnen lässt, wobei die wirklichen Falken sogar im Kongress sitzen und zu den größeren Lobbygruppen in den USA gehören. Fazit: Sie bezeichnen es selbst als eines der "komplexesten internationalen Krisen" und machen es sich zu leicht. Bei mehr als 100.000 toten Menschen kochen nun einmal die Emotionen, aber Sie wissen ganz genau, dass militärische Interventionen weder im Irak, noch in Afghanistan, noch in Libyen geholfen haben, die Lage hat sich in jenen Ländern nur noch verschlimmert: Freiheit und Demokratie waren die Ziele, und man hat das Gegenteil bewirkt und den Terrorismus sowie den Radikalismus gefördert, konfessionelle Animositäten geschürt und die Welt unsicherer gemacht. Es wäre nicht anders gewesen, wenn man Syrien angegriffen hätte.

mfg Phillip Dehler