Verlorene Führungsrolle

Die Fatah von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas versucht mit ihrem ersten Parteitag seit 20 Jahren, die tiefen Gräben zwischen den rivalisierenden Flügeln der Organisation zu überwinden und ein neues Programm zu verabschieden. Peter Philipp berichtet.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas; Foto: AP
Noch immer im Schatten Yassir Arafats: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas während des mehrtägigen Kongresses der Fatah in Bethlehem.

​​Faruk Kaddumi war 1958 zusammen mit Jassir Arafat und einigen anderen jungen Palästinensern in Kuwait Gründungsmitglied der Fatah – der "Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas". Er ist heute der letzte Überlebende jener Anfangstage.

Als die Organisation sich neben dem "bewaffneten Kampf", der vor allem aus Terroranschlägen auf israelische Ziele bestand, auch zunehmend einer politischen Linie zuwandte, wurde Kaddumi Außenpolitiker der Organisation und er wurde lange als Nummer Zwei hinter Arafat betrachtet.

Wenn er nun nicht am ersten Parteitag des Fatah-Zentralkomitees in 20 Jahren teilnimmt, dann ist das in gewisser Weise bezeichnend für den Zustand der Organisation, für die widersprüchlichen Tendenzen und Ansichten in ihr und generell für die Zerrissenheit der Organisation, die lange als mächtigste und legitimste Vertreterin der Palästinenser betrachtet wurde.

Richtungskämpfe hatte es natürlich immer schon in der Fatah gegeben, wirklich ernst wurde es aber, als Arafat sich entschloss, mit Israel Verhandlungen aufzunehmen und 1993 die Oslo-Abkommen zu schließen.

Für Männer wie Kaddumi grenzte dies an Verrat an der gemeinsamen Sache, weil sich die Fatah plötzlich mit dem Existenzrecht Israel und der Teilung des historischen Gebietes Palästina abfand, ohne dass ihr das Recht auf einen eigenen Staat zugestanden wurde.

Nicht anders als traditionelle arabische Herrscher

Kritiker wie Kaddumi folgten Arafat daher auch nicht in die israelisch besetzten Gebiete, als dieser dort in Vorbereitung eines eigenen Staates eine palästinensische Autonomieverwaltung einrichtete.

Faruk Kaddumi; Foto: AP
Erst kürzlich hatte der frühere Weggefährte Arafats und hohe Fatah-Funktionär, Faruk Kaddumi, Präsident Mahmud Abbas vorgeworfen, an einem israelischen Mordkomplott gegen Arafat beteiligt gewesen zu sein.

​​Und die Vorbehalte wurden in der Folge scheinbar bestätigt: Israel dachte nicht daran, dem palästinensischen Staat zuzustimmen, es war - und ist – nicht bereit, die Rückkehr der Flüchtlinge zu erlauben und es spricht den Palästinensern jedes Recht auf (auch nur den Ostteil von) Jerusalem ab.

Die Bewohner der Westbank und des Gazastreifens mussten aber auch bald erkennen, dass die neuen Herren der Autonomieverwaltung sich nicht maßgeblich unterschieden von traditionellen Herrschern in der arabischen Welt, bei denen Korruption und Vetternwirtschaft an der Tagesordnung sind.

Einige junge Palästinenser aus den besetzten Gebieten begannen, dies offen zu kritisieren – zum Beispiel Marwan Barghouti, der maßgeblich am Aufbau und Einsatz bewaffneter Jugendgruppen bei der zweiten Intifada beteiligt war.

Die Alten haben das Sagen

Israel isolierte zu jener Zeit Arafat, um nicht mit ihm verhandeln zu müssen, es inhaftierte aber auch Leute wie Barghouti. Dieser wurde zu mehrfach lebenslänglich verurteilt, gilt aber weiterhin als Hoffnungsträger der jungen Fatah und er kandidiert jetzt auch aus dem israelischen Gefängnis für einen Platz im Zentralkomitee.

Fatah-Politiker Abbas, Koreia und Ashur auf dem Parteitag; Foto: AP
Anhaltende Rivalitäten und Machtkämpfe: Jüngere Fatah-Mitglieder fordern bei der Wahl eines neuen Zentralkomitees mit 21 Mitgliedern und eines Revolutionsrats mit 120 Mitgliedern die Ablösung der alten Garde.

​​Statt der jungen Rebellen haben seit Arafats Tod im Herbst 2004 in der Fatah weiterhin die Alten das Sagen – alte Weggefährten Arafats, die kaum anders regieren als der Arafat es ihnen vorgeführt hat.

Die Verärgerung darüber, verbunden mit dem Frust über ausbleibende Ergebnisse des Friedensprozesses bewegten die Palästinenser dazu, im Januar 2006 bei den Wahlen der islamistischen Hamas mehr Stimmen zu geben als der Fatah-dominierten PLO und seitdem befindet die Fatah sich erst recht in der Krise: 2007 verlor sie die Kontrolle über den Gazastreifen an Hamas und versucht nun in der Westbank, sich als Partei es Volkes zu behaupten.

Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Mahmud Abbas ist zwar dem Friedensprozess verpflichtet, noch nicht einmal unter Barack Obama konnte er jedoch hierbei Erfolge verbuchen, die die Bevölkerung versöhnlicher stimmen könnten.

Symbolischer Widerstand

Immerhin hat Abbas nun aber den Parteitag durchgesetzt -spät genug, aber längst überfällig. Die Fatah will hier wenigsten den eigenen Bürgern demonstrieren, dass sie den richtigen politischen Weg verfolgt.

Notwendigerweise erfordert dies aber auch Kompromisse, die geeignet sind, den Rest in Frage zu stellen. So beteuert die Fatah zwar, Frieden zu wollen, sie ist aber nicht bereit, das "Recht auf bewaffneten Widerstand" aufzugeben.

Oder die Fatah tritt für die Zweistaatenlösung ein, weigert sich aber, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen oder auf das Rückkehrrecht der Flüchtlinge von 1948 zu verzichten.

Die Gründe hierfür dürften mehr symbolischer Art sein, solche Widersprüche unterstreichen aber den Eindruck mancher Palästinenser, der Fatah fehle eine klare Linie. Im Gegensatz dazu erscheint ihnen die Linie der Hamas immer klarer zu sein - auch wenn Hamas ebenfalls keine Lösungskonzepte anbietet.

Peter Philipp

© Deutsche Welle 2009

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