Votum für den gewaltfreien Kampf

Mahmud Abbas ist zum Sieger der palästinensischen Präsidentenwahl erklärt worden. Abbas kann mit dem Ergebnis von über 62 Prozent zufrieden sein, braucht aber Unterstützung für einen Neuanfang im Verhältnis zu Israel, meint Peter Philipp.

Mahmud Abbas ist mit über 62 Prozent der Stimmen erwartungsgemäß zum Sieger der palästinensischen Präsidentenwahl erklärt worden. Abbas kann mit dem Wahlergebnis zufrieden sein, braucht aber viel Unterstützung für einen Neuanfang im Verhältnis zu Israel, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Der neue palästinensische Präsident Mahmud Abbas mit Ehefrau Amina, Foto: AP
Der neue palästinensische Präsident Mahmud Abbas mit Ehefrau Amina

​​Mahmud Abbas ist gewählt worden. Diese Nachricht konnte kaum jemanden überraschen, denn schon seit Wochen hatte man dem PLO-Führer eine deutliche Mehrheit vorausgesagt, und dies bestätigte sich bei der ersten palästinensischen Präsidentschaftswahl seit neun Jahren.

Selbst wenn Yassir Arafat 1996 auf 88,8 Prozent der Stimmen kam, kann "Abu Masen" - wie Abbas seit den Tagen des Exils genannt wird - mit seinem Ergebnis zufrieden sein. Der Wahltag ging ohne größere Probleme über die Bühne, und die Palästinenser haben etwas Morgenluft geschnuppert. Morgenluft von Demokratie und Neubeginn.

Dabei ist allen - und Abbas wohl zuerst - klar, dass der eigentliche Kampf jetzt erst beginnt. Der Kampf um die Wählergunst wird nun abgelöst vom Kampf um die Verwirklichung des palästinensischen Traums:

Eines Traumes, der in den letzten achtzig Jahren unendlich viel Not und Elend bereitet hat und von dessen Verwirklichung man meist am weitesten entfernt war, wenn das Ergebnis in greifbarer Nähe schien. Weil man immer wieder zu Gewalt griff und glaubte, mit Gewalt lösen zu können, was so doch nicht zu lösen war und nicht zu lösen ist.

Mahmud Abbas plädiert deswegen für einen gewaltlosen Kampf. Er hat die Intifada der letzten vier Jahre immer wieder kritisiert, weil sie den Palästinensern nur geschadet habe, und er setzt auf Verhandlungen und Diplomatie.

Mit solch einer Taktik hebt Abbas sich deutlich von Vorgänger Arafat ab, von dem er sich freilich nicht distanzieren würde - zu sehr ist dieser immer noch die Ikone der palästinensischen Nationalbewegung.

Israel sollte sich aber nicht täuschen: Der Unterschied liegt im Stil, nicht im Ziel: Auch Abbas will den palästinensischen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt, er will einen israelischen Rückzug, die Aufgabe der Siedlungen und eine Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems. Um nur einige Punkte zu nennen, für die er jetzt gewählt wurde.

Mahmud Abbas braucht massive Unterstützung, um diese Ziele zu erreichen. Und es wäre verhängnisvoll, wollte Israel sich jetzt nur darauf konzentrieren, von ihm zunächst die Beendigung aller Gewalt einzufordern. Abbas steht im Wort gegen die Gewalt, er will die palästinensische Gesellschaft reformieren und demokratisieren, und die Zweidrittelmehrheit für ihn sollte zeigen, dass die Palästinenser dies für richtig halten.

Sie halten es auch für richtig, dass er - wie angekündigt - mit Israel Verhandlungen aufnimmt. Nur: Solche Verhandlungen müssen auch Ergebnisse bringen. Sie müssen das Los der Palästinenser verbessern und der Region Ruhe und Sicherheit bringen, schließlich auch den so oft beschworenen Frieden.

Das bedeutet für Israel, dass es nun rasch den Rückzug aus Gaza umsetzen sollte - als ersten Schritt für weitere Rückzüge. Und dass es Restriktionen und Behinderungen gegenüber den Palästinensern abbaut.

Zum Beispiel die monströse Trennungsanlage von Mauern und Zäunen. Niemand spricht Israel das Recht auf Sicherheit ab, aber solche Sicherheit wird nur von einem freien und demokratischen Palästina kommen können. Ein erster Schritt ist mit der Wahl gemacht worden, jetzt müssen rasch weitere Schritte folgen.

Peter Philipp

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