Viele Davids gegen Goliath

Obwohl sie stets mit scharfen Restriktionen durch die israelischen Sicherheitskräfte rechnen müssen, setzen sich couragierte palästinensisch-israelische Friedensaktivisten gegen den Mauerbau ein. Mona Sarkis stellt das gemeinsame Aktionsbündnis vor.

Obwohl sie stets mit scharfen Restriktionen durch die israelischen Sicherheitskräfte rechnen müssen, setzen sich couragierte palästinensisch-israelische Friedensaktivisten gegen den Mauerbau ein und haben damit zum Teil Erfolg. Mona Sarkis stellt das gemeinsame Aktionsbündnis vor.

Slogans und Graffitis im Protest gegen den israelischen Mauerbau; Foto: Diana Hodali, DW
Palestinensisch-israelische Friedensbewegungen wie das International Solidarity Movement kämpfen gegen die systematische Landaneignung der Israelis

​​Allein gegen eine der mächtigsten Armeen der Welt – das ist das Gefühl vieler Palästinenser, die in der Westbank gegen ihre systematische Enteignung durch den Mauerbau kämpfen. Es ist ein Gefühl, das einige sogar zu der Überzeugung treibt, keinen anderen Ausweg zu haben, als selbst zur "lebenden Waffe" zu werden.

Es war nicht zuletzt dieses Gefühl von Ohnmacht und Isolation, das palästinensische Friedensaktivisten abschütteln wollten, als sie 2001 die Gruppe "International Solidarity Movement" (ISM) gründeten.

"Anarchists Against The Wall"

Gleichgesinnte unterschiedlicher Nationalitäten sollten gemeinsam mit den palästinensischen Dorfbewohnern vor Ort und friedlich gegen das kämpfen, was Sarah Assouline von der israelischen Bewegung "Anarchists Against The Wall", als "schleichende ethnische Säuberung" bezeichnet:

"Wir, die Israelis, müssen uns bewusst machen, dass es nicht um Sicherheit geht, sondern um die Gier nach Land, um den Profit von Bauunternehmern und um eine neue Variante des jüdischen Ghettos", so Assouline, "nur sind es dieses Mal wir, die es errichten und ein anderes Volk darin einsperren." "Anarchists Against The Wall" kooperiert seit 2003 mit ISM.

In Mas'ha, einem Dorf 25 km nordwestlich von Tel Aviv und nördlich der illegalen Siedlungen Elkana und Etz Efraym, fand 2003 ihre erste gemeinsame Aktion statt. Damals wurde den Dorfbewohnern erklärt, dass Bulldozer in Kürze anrücken würden.

Ökonomische Interessen

Selbstmordattentäter waren in Mas'ha zwar noch nie aufgetaucht, dennoch sollten die Bauern durch den Bau der stellenweise meterhohen Betonbarriere mit Wachtürmen von 98 Prozent ihrer Ländereien abgeschnitten werden. Für deren "Transfer" auf die israelische Seite und den Verlust dessen, was seit Jahrhunderten ihre Einnahmequelle ausmachte, würde keine Entschädigung gezahlt.

"Mas'ha ist für Israel wichtig, denn dessen Ländereien liegen über dem westlichen Bereich des Gebirgs-Grundwasserbassins. Von den 600 Millionen Kubikmetern Wasser, die jährlich aus dem Reservoir entnommen werden können, nimmt Israel ca. 500 Millionen für sich in Anspruch", erklärt die junge Palästinenserin Huwaida Arraf, eine der Gründerinnen der ISM-Solidaritätsbewegung.

"Wir wollten durch die ISM Ausländer als Zeugen gewinnen, in der Hoffnung, dass sie in ihren Ländern und Medien die Wahrheit berichten können", so Arraf. Damit sich nicht stets wiederholt, was unter anderem im Februar 2001 geschah: Damals hatte sich Huwaida einer Studentendemonstration angeschlossen, um gegen die Zerstörung der einzigen Straße von Ramallah zur Universität von Birzeit zu protestieren.

Sisyphusarbeit palästinensischer Studenten

"Die israelische Armee hatte ein riesiges Loch gerissen und so jede Überquerung unmöglich gemacht – es betraf die Studenten wie alle umliegenden Dörfer, denen der Weg nach Ramallah und zu ihrem Arbeitsplatz, ihren Schulen und ihrer Gesundheitsversorgung abgeschnitten wurde", erzählt Huwaida.

Mit bloßen Händen begannen die Studenten die Straße zu reparieren. "Wir wollten keine Werkzeuge, um von der Besatzung nicht beschuldigt zu werden, Waffen zu tragen." Als sie fertig waren, riss die Armee die Straße erneut auf.

"Als ich an dem Abend CNN einschaltete", erinnert sich Huwaida Arraf bitter, "war von 'Zusammenstößen' zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten die Rede! 'Zusammenstöße'? Bei jedem anderen Konflikt auf dieser Welt hätte die Schlagzeile gelautet: 'Unbewaffnete Studenten verlangen von einer bis auf die Zähne bewaffneten Besatzungsarmee ihr Grundrecht auf Ausbildung'."

In Mas'ha wurde die Mauer dann letztlich errichtet, das Camp evakuiert. Die israelische Armee setzte auch scharfe Munition gegen israelische Demonstranten ein, ein Vorgehen, das sie sonst eher vermeidet:

"Bei einer rein palästinensischen Demonstration darf mit scharfer Munition geschossen werden, sind Israelis und Menschen anderer Nationalität dabei, setzen sie dagegen Schlagstöcke, Tränengas, Hartgummi-Geschosse, Lärm- und Schockgranaten ein", berichtet Sarah Assouline.

Dabei verweist sie jedoch auch auf den Umstand, dass auch die "Internationalen" keinen zuverlässigen "Unantastbarkeits-Status" genießen: Der Brite Tom Hurndall (im April 2003 angeschossen, neun Monate später gestorben) und die US-Amerikanerin Rachel Corrie (im März 2003 von einem Bulldozer überfahren) gehören zu den bekanntesten Opfern unter ISM-Aktivisten. Der israelische Fahrer des Bulldozers, der Corrie überrollte, saß bereits im April desselben Jahres wieder hinter dem Lenkrad.

Erfolgreicher Widerstand gegen Enteignung

Dennoch gibt es auch Positives zu berichten – etwa aus Bil'in, einem Dorf nordwestlich Ramallahs, nahe der expandierenden Siedlungen Kiryat Sefer und M'nura. Im Frühjahr 2005 gründeten die Dorfbewohner ein Komitee, das friedliche Demonstrationen gegen den Landraub organisiert. Für die Ortschaft Bil'in stand bis zu 60 Prozent des Bodens auf dem Spiel.

Der Oberste Gerichtshof Israels entschied jedoch für einen vorläufigen Baustopp. Und durch die anhaltenden Freitagsdemonstrationen, getragen von ISM und den "Anarchists", wurde das 1700-Seelen-Dorf mittlerweile zum Inbegriff des gewaltfreien Widerstandes.

Ein anderes Beispiel ist das Dorf Budrus: Dank des hartnäckigen Widerstands von Dezember 2003 bis März 2004 wurde die israelische Armee schließlich dazu gezwungen, den Mauerverlauf auf die Grenzen der Grünen Linie zu korrigieren.

Zu den erfolgreichsten und spektakulärsten Aktionen in der Ortschaft zählt auch die vom 7. Dezember 2004, als rund 45 "Anarchisten" gemeinsam mit Einwohnern und ISM-Teilnehmern gegen die Mauer und für Ahmad Awad demonstrierten – jenen palästinensischen Lehrer und Aktivisten, der infolge willkürlicher Repressionen verhaftet worden war.

So trugen die Aktivisten Schilder mit der mehrsprachigen Aufschrift "Ich bin Ahmad Awad" und hatten ihre Pässe vorsorglich zuhause gelassen. Das Ziel: als "Ahmad Awad" kollektiv verhaftet zu werden. Ein geschickter Schachzug gegen einen allmächtigen Goliath – und gleichzeitig auch ein Solidaritätsbekenntnis.

Diese vier Monate, die sie täglich in Mas'ha miteinander verbrachten, waren Ausdruck eines besonderen zivilgesellschaftlichen Engagements – ein Engagement, das im Dorf Bil'in nach wie vor jeden Freitag während der gemeinsamen Demonstrationen der Friedensinitiativen zu spüren ist.

Mona Sarkis

© Qantara.de 2006

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