Die Merkez-Moschee als Symbol neuer Akzeptanz

Seit Ende der achtziger Jahre sind in Deutschland immer mehr repräsentative Moschee-Bauten entstanden. Die größte Moschee Nordrhein-Westfalens feierte letzte Woche Richtfest. Einzelheiten von Alexandra Jarecki

Seit Ende der achtziger Jahre sind in Deutschland immer mehr repräsentative Moschee-Bauten entstanden. Sie verdrängen mehr und mehr die alten Behelfs-Moscheen aus Gastarbeiter-Zeiten, die oft in stillgelegten Fabrikhallen oder in Hinterhöfen eingerichtet worden waren. Die größte Moschee Nordrhein-Westfalens feierte letzte Woche Richtfest. Einzelheiten von Alexandra Jarecki

Die Merkez-Moschee in Duisburg; Foto: dpa
Die Merkez-Moschee in Duisburg als interkultureller Treffpunkt - Eine überraschend große Allianz aus Kirchen, Parteien, Bürgern und der hiesigen islamischen Gemeinde setzten sich für ihre Enstehung ein

​​Der Islam gilt längst nicht mehr als "Gastarbeiter-Religion", sondern etabliert sich in vielen deutschen Städten auch zunehmend sichtbar im Stadtbild - immerhin gibt es in Deutschland inzwischen mehr als 3 Millionen Muslime.

Aufgrund der Terroranschläge radikaler Islamisten weltweit und der anhaltenden Debatte über eine angeblich mangelhafte Integration vieler Muslime, ist in den letzten Jahren das Misstrauen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland stark gestiegen, wie mehrere repräsentative Umfragen ergeben haben.

In Duisburg-Marxloh entsteht derzeit das größte muslimische Gotteshaus im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die Duisburger Moschee, deren Bau durch Mittel des Bundeslandes und der Europäischen Union gefördert wird, soll zu einem Ort des interreligiösen Dialogs werden. Am vergangenen Freitag (8.9.2006) fand das Richtfest für den neuen Moscheebau statt.

Ein Gemeinschaftsprojekt

Dreihundert geladene Gäste und Besucher lauschten im Rohbau der Merkez-Moschee den islamischen Gebeten. Das Richtfest des dreigeschossigen Gebäudes im osmanischen Stil wurde großzügig gefeiert. Es gab auch genügend Gründe dafür.

Der Bau der Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh gilt als großer Erfolg, denn die Moschee ist das Projekt einer überraschend großen Allianz aus Kirchen, Parteien, Bürgern und der hiesigen islamischen Gemeinde, die das Ganze sehr entschlossen über die Bühne gebracht haben. Leyla Özmal von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg (EGDU) war von Anbeginn mit dabei:

"In den letzten zwei Jahren wird sehr stark über Deutschland als Einwanderungsland gesprochen – über die demographische Entwicklung. Ich glaube, sehr klugen Köpfen ist klar geworden, dass wir viele Ausländer haben und es im Grunde genommen gut ist, dass sie da sind. Auch wenn wir eine Moschee 'ertragen müssen' oder ganz was Fremdes sehen 'müssen'…, solange sich das Ganze in einem demokratischen Rahmen abspielt, akzeptieren wir das einfach."

Sechs Jahre haben die stürmischen Debatten um das Projekt angedauert. Doch heute steht an der Warburckstraße ein imposantes Gebäude, das mit seinen Kurven und Kuppeln an die "Blaue Moschee" in Istanbul erinnert. Der Gebetsraum bietet mehr als tausend Gläubigen Platz. Dabei werden auf einer Empore, hoch oben über dem Hauptraum, die muslimischen Frauen beten.

Nachbarschaft und Akzeptanz

Aber das Einzigartige und Außergewöhnliche an diesem Projekt verbirgt sich im Souterrain der Moschee: Auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern entsteht eine große Begegnungsstätte mit einer Islam-Bibliothek, einem Bistro und mehreren Seminarräumen.

Hier sollen Deutsch- und Türkischkurse veranstaltet werden. Im Idealfall werden hier Deutsche und Türken, Muslime und Nicht-Muslime zusammenfinden. Aus diesem Grund lassen sich das Land NRW und die EU die Begegnungsstätte 3,2 Millionen Euro kosten.

Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland, ein großer Befürworter des Projekts, lobt die vom türkischen Staat kontrollierte und daher auch nicht unter Fundamentalismus-Verdacht stehende Türkisch-Islamische Union DITIB für ihre Dialogbereitschaft:

"Ich würde sagen, es ist schon etwas mehr als Normalität, aber ein Wunder ist es nicht. Es war die feinfühlende Art, wie damals die DITIB-Moschee-Gemeinde an diesen Wunsch, eine große Moschee zu bauen, herangegangen ist. Man ist offen damit umgegangen. Man hat bei der Politik, bei den Meinungsträgern im Ort und bei den anderen Glaubensgemeinschaften versucht, diese Idee darzustellen. Man hat für diese Vorstellung geworben und dadurch Mitstreiter gewinnen können."

Silvia Brehnenmann besitzt ein Haus fast in unmittelbarer Nähe zur Merkez-Moschee. Nicht alle Anwohner freuen sich über die neue Nachbarschaft. Sie allerdings sieht das neue Gotteshaus als sehr positiv:

"Endlich kommen die Menschen zu dem, was ihnen seit langem zusteht! Menschen, die hier schon lange ihren Dienst tun in unserer Gesellschaft, die hier wichtig sind. Und endlich steht man sich ein Stück gleichberechtigter gegenüber. Ja, die Moschee macht mich sehr glücklich. Ich sehe sie heute zum ersten Mal von innen. Es ist unglaublich!"

Die Moschee als Kulturtreffpunkt

60.000 türkische Muslime leben zurzeit in Duisburg, und es gibt dort etwa 40 islamische Gebetsstätten. Für den Bau der Merkez-Moschee hat die muslimische Gemeinde insgesamt sieben Millionen Euro zusammengetragen.

Der Vorsitzende, Mehmet Özay, ist enorm stolz auf die Entwicklung in Marxloh: "Es soll eine Bildungs- und Begegnungsstätte werden, die für eine multikulturelle Gesellschaft offen sein soll, und in der gemeinsame Veranstaltungen und Programme durchgeführt werden können. Das ist das Einmalige!"

Die Verantwortlichen erhoffen sich durch den Bau der Moschee, auch touristische Impulse zu setzen und damit glänzende Zeiten für Marxloh einzuleiten. Der Strukturwandel der letzten Jahre im Ruhrgebiet hat auch in Duisburg-Marxloh seine Spuren hinterlassen.

Erst starben die Kohle-Zechen, dann die Stahlwerke, dann zogen die wohlhabenden Deutschen und Ausländer fort. Geblieben sind vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, also ehemalige Gastarbeiter und ihre Familien, sowie Sozialhilfe-Empfänger. In beiden Gruppen gibt es viele Muslime.

Was bedeutet für sie die neue Moschee? Leyla Özmal von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg fasst dies so zusammen:

"Ich denke, sie fühlen sich akzeptiert. Die Muslime gehen mit diesem Projekt, das öffentlich gefördert wird, auch eine gewisse Verantwortung ein. Sie werden Gastgeber sein. Und Gastgeber zu sein, bedeutet auch immer, die Verantwortung für Gäste zu übernehmen, für Inhalte und natürlich auch für das Gebäude. Das muss auch gemeistert werden – und deswegen ist es so wichtig, das gemeinsam anzupacken."

Alexandra Jarecki

© DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

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