Ein Hoffnungsschimmer für das Bekaa-Tal

Dank des Engagements einer libanesischen Frauenorganisation blüht der Fremdenverkehr in einer lange Zeit von Gewalt und Drogenhandel geprägten Region des Zedernstaates wieder auf. Martina Sabra stellt das ehrgeizige Tourismus-Projekt vor.

Blick auf die Bekaa-Ebene im Libanon; Foto: DW
Impulse für neuen wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung: Lange Zeit fristete die zwischen dem Libanongebirge und dem Antilibanongebirge gelegene Bekaa-Ebene ein Schattendasein.

​​Deir Al-Ahmar, ein kleines Städtchen im libanesischen Bekaa-Tal, unweit von der Grenze zu Syrien. Von einem der Hügel genießt man einen herrlich-klaren Blick in die Umgebung. Im Süden ragen die Tempel von Baalbek gen Himmel, auf der anderen Seite die verschneiten Gipfel des Libanon-Gebirges.

Eigentlich ist die Gegend eine sehr reiche. Reich an historischen und religiösen Monumenten und herrlichen Naturschätzen. Doch der schönen Aussicht steht eine aussichtslose Wirtschaftslage gegenüber.

Im Schatten von Misswirtschaft und Konflikten

"Heute gibt es zu wenig wirtschaftliche Anreize, wie Bewässerungsprogramme oder ähnliches. Deshalb gehen sehr viele Leute von hier weg, vor allem Jugendliche, denn es gibt einfach keine Arbeit", sagt Dunya Haddad, die Vorsitzende der Frauenorganisation von Deir Al-Ahmar.

Seit Jahren leidet der Libanon unter bewaffneten Auseinandersetzungen und Misswirtschaft. Die Bekaa-Ebene leidet hierunter besonders. Vor allem christliche Bewohner kehren der Gegend zunehmend den Rücken.

Cannabisanbau im Libanon; Foto: dpa
Gestern Mohn- und Cannabisanbau, heute Öko-Tourismus: die Bekaa-Ebene ist gegenwärtig eine Region im wirtschaftlichen Wandel

​​Ehemals sei dies eine landwirtschaftliche Region mit viel Obst und Gemüse gewesen, erzählt Haddad. Doch mit den abnehmenden Wasserressourcen sattelten die Bauer jetzt auf Cannabis um. "Die Ernten seien hervorragend und in guter Qualität gewesen", fügt sie hinzu, "denn Cannabis braucht nicht viel Wasser und wenig Pflege."

Die Leute hier waren nicht selbst Händler, sondern verkauften an Zwischenhändler," sagt Haddad. Nach dem jedoch der Krieg 1990 endete, wurde der Cannabisanbau verboten. "Manche pflanzten trotzdem weiter an. Dann kam der Staat und riss alles aus, ohne eine Alternative anzubieten", sagt die Vorsitzende.

Vom Cannabis zum Ökotourismus

Und so machten sich Dunya Haddad und ihre Mitstreiterinnen von der Frauenorganisation selbst auf die Suche nach Alternativen. Und sie wurden fündig: Ökotourismus heißt die Lösung.

Um Gäste anzulocken, sprachen sie Bekannte an und schlossen einen Vertrag mit einem Öko-Reiseveranstalter in Beirut. Für die Vermarktung von Lebensmitteln beispielsweise - Käsekugeln in Kräuteröl, Blütentees, Oliven und vieles mehr - holten sie sich Unterstützung beim Beiruter Büro der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).

Viel Arbeit, die allmählich Früchte trägt. Immer mehr Reisende finden den Weg ins Tal. "Zurzeit sind es rund neun bis zehn Gruppen pro Monat, insgesamt einhundert bis zweihundert Gäste", erzählt Haddad stolz.

Die Gäste werden auf Privathäuser verteilt. "Bei uns sind die Häuser ja groß. Im Sommer schlafen die Leute auch gern auf den Terrassen unterm Sternenhimmel," sagt die Vorsitzende der Frauenorganisation.

Für die Touristen haben die Frauen in Deir Al-Ahmar ihre Häuser umgebaut oder sogar ein Stockwerk draufgesetzt. Insgesamt soll das Projekt aber langsam wachsen. So gibt es weniger Verluste, wenn die Gäste einmal eine Zeitlang ausbleiben.

"Jetzt fühle ich mich wohl hier"

Dass auch mit kleinen Schritten Großes erreicht werden kann, wird am höchsten Punkt des Ortes, im Zentrum der Frauenkooperative, deutlich. In dem luftigen Rundbau werden nicht nur libanesische Delikatessen gezaubert.

Das Haus wird auch für Umwelt-Lehrgänge, Computerkurse und Familienfeiern vermietet. Der Gewinn kommt den Frauen direkt zugute. Frauen wie Rima, deren Mann als Taxifahrer arbeitet und die es sich früher kaum leisten konnte, ihre vier Kinder in die Schule zu schicken. Dank des Projekts erziele die junge Familie jetzt ein besseres Einkommen, erzählt die 39jährige.

Zerstörte Straße im Bekaa-Tal; Foto: AP
Von Konflikten und Armut gezeichnet: Die von der schiitischen Hisbollah kontrollierte Region galt lange Zeit als "No-Go-Area"</wbr>für Touristen.

​​Das Projekt sei auch für sie selbst ein Gewinn. "Ich habe unglaublich viel gelernt und neues Selbstvertrauen bekommen." Früher habe sie sich für ihren Bildungsstand geschämt. Jetzt fühle sie sich viel wohler in ihrem Heimatort, sagt Rima, die nur die Mittelschule besucht hat. Sie sei sogar mit dem Frauenverein nach Jordanien gereist.

Mittlerweile hat das Projekt viele libanesische und ausländische Stammgäste. Immer wieder würden sich diese bei den Frauen melden, sobald der Libanon im Ausland in den Schlagzeilen sei. Sie wollten wissen, wie es den Frauen und ihren Familien in Deir Al-Ahmar gehe.

"Die menschlichen Bindungen, die entstehen", das sei das Schöne an dieser Art von Tourismus, erzählt Rima. Menschen, die immer wieder nach Deir Al-Ahmar zurückkehren, um die schöne Aussicht zu genießen. Und diese werden auch für die Einwohner des kleinen Städtchens im Bekaa-Tal immer herrlicher.

Martina Sabra

© Deutsche Welle 2009

Qantara.de

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