Für Frauen verboten

Der iranische Film "Offside" wurde auf der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury, dem Silbernen Bären, ausgezeichnet. Die Komödie erzählt von Fußball begeisterten Mädchen, die sich trotz Verbots in das Teheraner Azadi Stadion schmuggeln. Von Ariana Mirza

Von Ariana Mirza

​​Sie ist zu hübsch. Bei diesem Mädchen helfen weder Baseballkäppi noch Kriegsbemalung. Kaum ins Stadion gelangt, wird sie enttarnt. Im improvisierten Sammellager wartet schon ein halbes Dutzend Mädchen auf den Abtransport zur Sittenpolizei: junge Iranerinnen, die sich dem absurden Stadionverbot für weibliche Zuschauer nicht beugen wollen. Jafar Panahi erzählt in seinem Film "Offside" eine versöhnliche Geschichte über mutige Mädchen und gutmütige Soldaten.

Die Komödie mit doppeltem Happyend spielt 2005 während des WM-Qualifikationsspiels Bahrain gegen Iran. Frauen sind auch jetzt, wo doch die ganze Nation eng zusammen stehen sollte, als Zuschauerinnen nicht zugelassen. Wie dieses diskriminierende Verbot zu rechtfertigen ist? Darauf kennt niemand eine überzeugende Antwort. Auch die Rekruten aus der Provinz nicht, die zur Bewachung der Mädchen abkommandiert werden.

Filmszene aus "Offside"; Quelle: Kinowelt
Der iranische Film Offside (persisch ‏آفساید‎) von Jafar Panahi spielt am Rande des entscheidenden Fußballländerspiels der iranischen Nationalmannschaft zur Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gegen den Bahrain.

Jafar Panahi hat seine Heldinnen ihre eigenen Worte finden lassen. Der Handlungsrahmen des Films war abgesteckt, doch die Empörung der Mädchen ist echt, jedes von ihnen findet seine eigenen Argumente. "Was soll der Quatsch, im Kino dürfen wir doch auch neben Männern sitzen, und da ist es sogar dunkel". Auf die schüchterne Entgegnung eines Bewachers, Frauen müssten wohl vor den Unflätigkeiten grölender Fans geschützt werden, reagiert die selbstbewusste Hauptstädterin mit einem kräftigen Fluch.

Unterlegene Wächter

Auch bei der Auswahl seiner männlichen Protagonisten beweist Jafar Panahi ein gutes Gespür. Überzeugend transportieren die jungen Laiendarsteller ein Lebensgefühl, das geprägt ist von Sehnsucht nach Frieden und Ruhe auf dem heimatlichen Acker. Die jungen Soldaten aus der Provinz bewachen die schlagfertigen Hauptstädterinnen ebenso unwillig wie ungeschickt.

Als einfältige Jungen vom Land zeigen sie sich ihren Kontrahentinnen nicht nur im Wissen über Fußball unterlegen. "Offside" ist eine Komödie im Stil des Neorealismus. Diese Form der wirklichkeitsnahen Inszenierung hat seit den bahnbrechenden Werken von Abbas Kiarostami eine Tradition im iranischen Film. Der 45-jährige Jafar Panahi sammelte erste Spielfilmerfahrungen als Regieassistent bei Kiarostami. Schon in seinen vorherigen Filmen orientierte sich Panahi am leisen und dennoch eindringlichen Erzählton des Altmeisters.

Patriotische Liebeserklärung

Wie abhängig die Entstehung des Films von realen Ereignissen war, erläuterte Panahi im Pressegespräch: "Hätte Iran gegen Bahrain verloren, hätte ich den Film nicht zu Ende gedreht". Denn die überbordende Freude nach dem gewonnen Qualifikationsspiel sei für die Handlung unbedingt notwendig gewesen. Erst im allgemeinen Freudentaumel sei auf den Straßen Teherans das Klima spürbar gewesen, dass ein glückliches Ende der Geschichte plausibel mache. ​​Jafar Panahis letzter Film "Talaye Sorkh / Crimson Gold" durfte 2003 in Iran nicht gezeigt werden.

Das Drehbuch für "Offside" reichte Shadmehr Rastin, ein den Zensurbehörden unbekannter Mitarbeiter Panahis, unter seinem Namen ein. Es galt, die Bewilligung der Dreharbeiten nicht zu gefährden. Nun hofft der Regisseur, dass "Offside" nach dem Berlinale-Erfolg auch das iranische Publikum erreicht. In Berlin erklärte Panahi jedoch: Sollte sein Film durch Schnitte der Zensur entstellt werden, verzichte er lieber auf eine Aufführung in seiner Heimat.

Wie viel Panahi diese Heimat Iran bedeutet, das ist in "Offside" jeder Zeit spürbar. Wenn zum Ende des Films die Hymne "O Land der Juwelen, Mutter aller Künste ..." erklingt, wirkt der patriotische Pathos wundersamer Weise nicht naiv und aufgesetzt, sondern wie eine ernst gemeinte Liebeserklärung. Es wäre zu hoffen, dass die iranische Zensurbehörde den patriotischen Tenor des Films als gewichtigen Pluspunkt wertet. Denn die hintersinnige Komödie und ihr unmissverständliches Plädoyer für die Frauenrechte sollten auch in Iran zu sehen sein.

Ariana Mirza

© Qantara.de 2006