Islamhasser und Israelfreunde

Die Attentate von Norwegen geben den Blick frei auf einen rechtsextremen und islamophoben Sumpf, der auch in Deutschland Blüten treibt. Viele Vertreter dieser Szene pflegen enge Beziehungen zu Israel. Von Bettina Marx

Von Bettina Marx

Der deutsche Publizist Henryk M. Broder gefällt sich in der Rolle des Provokateurs. Und so scheint es ihn gar nicht zu stören, dass sich der Attentäter von Norwegen, Anders Behring Breivik, mit seinem kruden islamfeindlichen Weltbild auch auf ihn beruft. Mehrfach taucht Broders Name, neben vielen anderen, in dem 1.500 Seiten dicken Manifest auf, das der mutmaßliche Mörder im Internet verbreitet hat.

Er wird zitiert mit seinen Warnungen vor der muslimischen Übernahme Europas und vor der Veränderung der europäischen Gesellschaft durch die Dominanz des Islam. In einer Stellungnahme gegenüber der Online-Ausgabe des Berliner "Tagesspiegel" bekräftigte Broder, dass er dies genau so wieder schreiben würde. Kurz darauf stellte er die von Breivik benutzten Zitate sogar auf seine eigene Internet-Seite.

Gleichwohl wies er in einem Artikel in der Tageszeitung "Die Welt" den Vorwurf zurück, der Attentäter sei durch seine Schriften inspiriert worden. Breivik habe seine Taten "rational" zu begründen versucht, schreibt Broder. "Und das hat er nicht bei mir und Thilo Sarrazin gelernt, sondern bei Mohammed Atta und Osama Bin Laden."

 Islamophobie im Internet

In Erklärungsnot: In seiner Stellungnahme in der Zeitung "Die Welt" wirft Broder seinen Kritikern vor, einen Sündenbock finden und alte Rechnungen begleichen zu wollen.

​​Broder ist einer der prominentesten Vertreter der islamophoben Szene in Deutschland. In zahlreichen Blogs und auf Internetseiten, mit Veranstaltungen und Demonstrationen, aber auch in Mainstream-Medien wie Zeitungen und Fernsehen verbreiten die Islamfeinde ihre Thesen und treten dabei immer aggressiver auf.

Sie warnen vor der Machtübernahme des Islam und vor der Selbstaufgabe der Europäer. Sie kritisieren die Einwanderung aus muslimischen Ländern und warnen vor der Überfremdung Deutschlands. Vor allem in der rechten Szene gehört der Islamhass inzwischen zum maßgeblichen und die verschiedenen Strömungen einenden Thema.

Fremdenhass und Islamophobie findet sich aber nicht nur im rechtsextremen Lager. Auch im linken politischen Spektrum ist die aggressive Islamfeindschaft verbreitet, zum Beispiel bei den sogenannten "Antideutschen", die aus den antifaschistischen Gruppierungen der 80er Jahre hervorgegangen sind. Sie speisen ihre Islamfeindlichkeit aus einer bedingungslosen Zustimmung zu Israel.

Diese wiederum wird mit der deutschen Geschichte begründet. Da Deutschland an den Juden Verbrechen verübt habe, seien die Antideutschen solidarisch mit den Juden und mit dem Staat Israel, erläutert der israelische Historiker Moshe Zuckermann das Phänomen. Aus der Solidarität mit Israel wiederum entspringe die Ablehnung der Palästinenser und des Islam.

Linke und Rechte vereint gegen Muslime

Das Schüren von Fremdenangst, Islamophobie und Xenophobie als politischer Auftrag und Programm: Geert Wilders von der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit in Holland.

​​In der Tat eint die Begeisterung für Israel die linken und rechten Islamfeinde. In dem Land zwischen Mittelmeer und Jordan sehen sie den Brückenkopf des Westens im Nahen Osten und das Bollwerk gegen den Islamismus. Kritik an der Politik Jerusalems weisen sie als Antisemitismus zurück, die legitimen Ansprüche der Palästinenser gelten für sie nicht. Die Palästinenser werden pauschal als Terroristen verunglimpft.

Von den christlichen Fundamentalisten in den USA und ihrer politischen Vertretung in der Tea Party über linke Antideutsche bis hin zu den neofaschistischen Parteien in Italien und Osteuropa reicht die Achse der islamophoben Israelfreunde. Die Regierung in Jerusalem heißt all diese Unterstützer willkommen.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, der Vorsitzende der freiheitlichen Partei in Österreich Hans-Christian Strache, der amerikanische Prediger Glenn Beck, der ehemalige italienische Neofaschist Gianfranco Fini, sie alle sind in der israelischen Hauptstadt gern gesehene Gäste.

Im letzten Dezember reiste eine ganze Gruppe von rechtsextremen europäischen Politikern auf Einladung eines früheren Abgeordneten der Regierungspartei Yisrael Beiteinu nach Israel. Dort unterzeichneten sie gemeinsam mit ihren Gastgebern eine Erklärung, in der es heißt, die Menschheit sehe sich zurzeit "einer neuen weltweiten Bedrohung ausgesetzt: dem fundamentalistischen Islam", dem man sich gemeinsam entgegen stellen wolle.

Der israelische Vizeminister Ayoub Kara, ein Mitglied des Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, traf sich vor wenigen Wochen in Berlin mit dem deutsch-schwedischen Geschäftsmann Patrick Brinkmann, der in der rechtspopulistischen Organisation Pro Deutschland aktiv ist und kurzzeitig sogar deren Vorsitzender war. Der 44-jährige propagiert die Schaffung einer umfassenden rechtsextremen und islamkritischen Bewegung ohne Antisemitismus und will sich mit der Rechten in Israel verlinken.

Uri Avnery: "Wehret den Anfängen"

Biedermänner und Brandstifter: "Diese neuen Nazi-Parteien in ganz Europa sind eine Riesengefahr für Europa", warnt der israelische Friedensaktivist Avnery.

​​Den israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery schaudert es, wenn er daran denkt, dass dies die neuen Freunde seines Landes sind und dass sich auch der Attentäter von Norwegen selbst als Freund Israels bezeichnete. Seine Forderung, die Deutschen und die Europäer sollten sich von diesem Islamhass deutlich und klar distanzieren. "Ich würde Deutschland und Europa ermahnen, nicht diesen Weg zu beschreiten", sagte er im Interview mit der Deutschen Welle.

"Diese neuen Nazi-Parteien, ganz egal, wie sie heißen und wie sie sich verbrämen, diese Parteien in ganz Europa, in Skandinavien, in Frankreich, in Italien, in Holland und überall, sind eine Riesengefahr für Europa." Die europäischen Rechtsparteien hätten den Antisemitismus durch die Islamophobie ersetzt.

Lasse man sie gewähren, dann beschreite man eine Entwicklung, wie in Deutschland in der ausgehenden Weimarer Republik. "Das ist ein Vorgang, den man noch ganz am Anfang ersticken muss", mahnt Avnery.

Bettina Marx

© Deutsche Welle 2011

Bettina Marx, langjährige Nahost-Hörfunkkorrespondentin der ARD, arbeitet derzeit als Hauptstadtkorrespondentin der Deutschen Welle und Publizistin. Zuletzt erschien von ihr bei Zweitausendeins das Buch "Gaza: Berichte aus einem Land ohne Hoffnung".

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de