Jenseits der Stereotype

Das Zaytuna College ist die erste muslimische Universität in den USA. Ihre Existenz zeigt, dass der Islam und die Muslime in den USA beheimatet sind und ihren Beitrag zum gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Fortschritt des Landes leisten, schreibt Shazia Kamal.

Bildquelle: Zaytuna College
Ein Symbol von Reinheit und Licht: Das Logo des Zaytuna College, der ersten muslimischen Universität in den USA.

​​ Das arabische Wort für Olive ist zaytun. Wegen ihrer vielfältigen positiven Eigenschaften erachten die Bibel wie der Koran die Olive als außergewöhnliche Pflanze und sehen in ihr ein Symbol von Reinheit und Licht. Und so erscheint es ganz natürlich, dass die erste muslimische Universität in den USA, die sich als Leuchtturm für Wissen und Führungsverantwortung sieht, Zaytuna College getauft wurde.

Schon die Gründung der Universität allein widerspricht der Ansicht, dass es sich beim Islam um eine ausschließlich im Orient beheimatete Weltanschauung handelt. Vielmehr wird mit ihr unterstrichen, dass der Islam und die Muslime in den USA beheimatet sind und ihren Beitrag zum gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Fortschritt des Landes leisten.

Bildung spielte schon immer eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, die ethnischen und religiösen Spannungen in den USA abzumildern und die Toleranz voranzubringen. Viele Gruppen von Einwanderern, die auf der Suche nach Freiheit nach Amerika kamen, fanden zunächst nichts als Diskriminierung vor.

Bildung wurde von den religiösen Gruppen jedoch schon bald als Mittel erkannt, um diese Spannungen anzugehen und ihre Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft zu fördern. Institutionen wie die Brandeis University oder die University of Notre-Dame schufen einen Raum für die Stärkung der jüdischen und katholischen Identität innerhalb des Mainstreams der amerikanischen Gesellschaft.

Dies gelang ihnen über die Verbindung ihrer Glaubensgemeinschaften mit einer intensiven, sichtbaren Forschungsarbeit innerhalb fester Bildungseinrichtungen.

Bukhari und Ghazali als Vorbilder

Die University of Notre-Dame wurde 1842 von der Kongregation vom Heiligen Kreuz unter der Leitung von Reverend Edward Sorin gegründet, auf dem Höhepunkt der katholischen Immigration in die USA. Später wurde die Brandeis University, gegründet 1948, zur ersten jüdisch-finanzierten, nicht-konfessionsgebundenen Universität des Landes.

Dr. Hatem Bazian und Imam Zaid Shakir; Foto: Christina Hernandez
Dr. Hatem Bazian und Imam Zaid Shakir führen die Lehrer des Zaytuna College auf die Bühne. Die erste muslimische Universität der USA wartet auf die Zulassung durch die US-Behörden.

​​ Heute verbinden diese Hochschulen – so wie andere – modernste akademische Lehrpläne mit einer religiös inspirierten Vision, die darauf zielt, universelle Werte wie soziale Gerechtigkeit allen Studenten unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund nahezubringen.

Auch das Zaytuna College macht es sich zur Aufgabe, diese Vision ihren Studenten aller Glaubensrichtungen näherzubringen. Sie basiert nicht nur auf koranischen Prinzipien, sondern auch auf den Schriften einiger der größten muslimischen Gelehrten der Geschichte, darunter Imam Al-Bukhari, einem Hadith-Gelehrten, der im 9. Jahrhundert lebte, und Imam Al-Ghazali, einem Juristen und Sufi-Mystiker des 11. Jahrhunderts.

An der Spitze des öffentlichen Dialogs

Als muslimische Universität trägt das Zaytuna College jedoch eine zusätzliche Verantwortung, geht es doch darum, herrschende Klischees über den Islam zu zerstreuen.

Foto: Zaytuna College
Muslimisches Studentenleben: In der Bucht von San Francisco lebt eine aktive und vielfältige muslimische Gemeinschaft. Schätzungsweise 300.000 bis 500.000 Muslime leben in der Region.

​​ Angesichts der aktuellen Islamophobie und der verzerrten Darstellung des Islam als gewalttätige Weltanschauung wird das Zaytuna College sich an die Spitze derer stellen, die diese Fragen im öffentlichen Dialog diskutieren und dies auf allen Ebenen: innerhalb des Glaubens, zwischen den Konfessionen und auf der Ebene der religiösen Gemeinschaften.

Die Universität möchte die Lehren und die Praxis des Glaubens einer breiteren amerikanischen Öffentlichkeit bekannt machen und als alternative Informationsquelle zu all den 5-sekündigen Informationsschnipseln der Massenmedien dienen, die den Islam eindimensional zeichnen.

Gelingen soll dies durch eine Fülle von Artikeln und multimedial aufbereiteten Informationen, die sich auf der Website des Colleges finden. Die dort behandelten Themen reichen von der Pilgerfahrt, der Hadsch, über die Koexistenz der Religionen bis zur Frage der Führerschaft im Islam. Außerdem lassen sich auf der Website Mitglieder der Fakultät als Sprecher für Veranstaltungen buchen.

Interdisziplinärer Ansatz

Glücklicherweise verfügt Zaytuna über die Mittel, zu einem wachsenden Zentrum für das Verständnis der islamischen Gedankenwelt und der Praxis des Glaubens zu werden.

Garant hierfür sind zum einen die weltweit renommierten Fakultätsangehörigen, wie der Mitbegründer der Universität, Shaykh Hamza Yusuf, der gleichzeitig auch Berater von One Nation ist, einer nationalen Initiative zur Förderung beruflicher Chancen und Ausbildung für Menschen jeder Herkunft, sowie Imam Zaid Shakir, Leiter der Organisation New Islamic Directions, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine faire und ausgewogene Sicht des Islam zu präsentieren.

Zum anderen ist es auch das Studium der Gesellschaftswissenschaften, der arabischen Sprache sowie des islamischen Rechts und der Theologie, das die Ziele der Universität erreichbar scheinen lässt.

Das Zaytuna College bietet einen substanziellen interdisziplinären Ansatz, der umso dringlicher erscheint, als es heutzutage allzu üblich geworden ist, dass Fakten zum Islam aus dem Kontext gerissen werden. Hier aber können die Studenten nach ihrem Abschluss der muslimischen Gemeinschaft als geprüfte Imame oder Geistliche dienen und Themen wie Frauenrechte und Jugendarbeit in ihren lokalen Gemeinden ansprechen.

Mit diesem einzigartigen Ansatz und seinen herausragenden Wissenschaftlern verfügt das Zaytuna College über das Potenzial, zu einem unverzichtbaren Ort für den Frieden und das Verständnis im 21. Jahrhundert zu werden.

Shazia Kamal

© Common Ground News/Qantara.de 2010

Shazia Kamal ist Gemeindeaktivistin im Raum Los Angeles und schreibt für AltMuslimah.com.

Übersetzung aus dem Englischen: Daniel Kiecol

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

Qantara.de

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