"Bündnis für Frieden und Fairness" stellt sich zur Wahl

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen in Bonn tritt erstmals auch eine Wählervereinigung von Muslimen an. Das "Bündnis für Frieden und Fairness" versteht sich jedoch nicht als reine Interessenvertretung der Muslime. Von Ulrike Hummel

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen in Bonn tritt erstmals auch eine Wählervereinigung von Muslimen an. Das "Bündnis für Frieden und Fairness" versteht sich jedoch nicht als reine Interessenvertretung der Muslime. Von Ulrike Hummel

Haluk Yildiz; Foto: © DW/BBF
Die erste von Muslimen gegründete Wählervereinigung Deutschlands will eine Option für alle Wähler sein, so Haluk Yildiz, Spitzenkandidat des BBF.

​​Kartoffeln, Knoblauchknollen und Auberginen sind derzeit in Bonn nicht zu übersehen; dazu der Slogan: "In Bonn zu Hause!". Mit diesem Slogan auf seinem Wahlplakat wirbt das Bonner "Bündnis für Frieden & Fairness" (BFF) für die Gleichberechtigung aller Bürger – unabhängig von deren Religionszugehörigkeit oder Herkunft.

Die erste von Muslimen gegründete Wählervereinigung Deutschlands wurde kurzfristig am 30. Juni 2009 ins Leben gerufen. Spitzenkandidat ist der erste Vorsitzende des Bündnisses, Haluk Yildiz.

Bündnis für alle Bürger

Yildiz wendet sich ausdrücklich nicht nur an muslimische Wähler, sondern er will mit seinem Bündnis eine Option für alle Bürger sein, wie er sagt:

"Integration muss von der Gesamtgesellschaft gestaltet werden und nicht von einer ausschließlichen Zielgruppe. Wir müssen eine Plattform schaffen, auf der sich verschiedene Akteure der Gesellschaft an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen", fordert er.

Damit wolle er erreichen, so Yildiz weiter, dass nicht über Integration von Migranten gesprochen werde, sondern dass Migranten selbst erklärten, was sie unter Integration verstehen.

Die Wählervereinigung ist aus einer Initiative des "Rates der Muslime in Bonn" (RMB) hervorgegangen. Während der nunmehr dreijährigen Arbeit des Rates sei deutlich geworden, dass viele Belange der Muslime im Bonner Stadtrat bisher zu wenig beachtet worden seien, so Haluk Yildiz.

Von einer politischen Partizipation durch etwaige Sitze der neuen Partei im Stadtrat verspricht er sich eine aktivere Integrationsarbeit für alle Bonner Bürger.

Dialog auf Augenhöhe

In seinem Wahlprogramm lehnt das BFF jegliche Art von Diskriminierung, Terrorismus, Rassismus und Antisemitismus entschieden ab. Der Spitzenkandidat betont aber, dass man keine ausschließlich Muslime betreffenden Forderungen habe. Denn schließlich setzten sich auch die etablierten Parteien für den Moscheebau ein.

Vielmehr gehe es dem Bündnis um einen Dialog auf Augenhöhe und um ein besseres Miteinander.

Jürgen B. Kannich; Foto: © DW/BBF
Der zweite Vorsitzende und Kandidat des BFF, Jürgen Kannich, plant Modellprojekte wie ein "Rheinisches Bildungswerks für Integration" oder "Antidiskriminierungsbüros".

​​Das BFF sehe sich vor allem als Kooperationspartner für die etablierten Parteien im Stadtrat. Konkrete Forderungen hat der 2. Vorsitzende und Kandidat des BFF, Jürgen Kannich, hinsichtlich des Budgets für die Integrationsarbeit der Stadt:

Er will Modellprojekte erarbeiten und dafür EU-Mittel akquirieren: "Wenn man das erfolgreich durchführt, dann entlastet man zugleich auch den Haushalt der Bundesstadt Bonn."

Einrichtung eines Antidiskriminierungsbüros

Die Einrichtung eines so genannten "Rheinischen Bildungswerks für Integration" wäre beispielsweise ein solches Modellprojekt. In seinem Wahlprogramm fordert das rund 50 Mitglieder starke Bündnis die Stadtverwaltung auf, Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen und den Mitarbeitern Fortbildungsprogramme zum Erwerb interkultureller Kompetenz anzubieten.

Weitere Forderungen sind die finanzielle Entlastung von Familien, sowie die Einrichtung von Antidiskriminierungsbüros.

Kritik von muslimischen Verbänden

Die Gründung einer Wählervereinigung von Muslimen stößt allerdings auch auf Skepsis, Kritik kommt zum Beispiel aus den eigenen Reihen seitens der muslimischen Verbände in Deutschland: Muslime partizipierten am Leben in Deutschland und seien Teil der Gesellschaft; daher sollten sie sich in den etablierten Parteien engagieren, so die Forderung eines Funktionärs der umstrittenen Islamischen Gemeinschaft "Milli Görüs" (IGMG) gegenüber der Frankfurter Rundschau.

​​Das sieht die 42-jährige Diplomkauffrau Asuman Bayraci, die für den Wahlbezirk Oberkassel kandidiert, anders:

"Ich denke, wir können in einer eigenen Partei unsere Kompetenz besser einbringen, weil wir Migrationshintergrund haben und die Probleme dieser Gruppe besser kennen. Wir kennen eben beide Kulturen sehr gut, wir sind Deutsche, meistens hier geboren oder zumindest hier aufgewachsen. Aber wir kennen natürlich auch die Kulturen unserer Herkunftsländer."

Asuman Bayraci ist eine der insgesamt acht Frauen, die für das BFF kandidieren. Da die 5-Prozent-Hürde abgeschafft wurde, hat die Wählervereinigung der Muslime eine realistische Chance bei den Kommunalwahlen am Sonntag (30.08.2009) in den Bonner Stadtrat gewählt zu werden.

Ulrike Hummel

© Deutsche Welle 2009

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