Die Welt in einer Rahmentrommel

Aufgewachsen mit zwei Kulturen bringt der deutsch-türkische Perkussionist Murat Coskun in seinem Schaffen Rhythmen und Klänge von Brasilien bis Persien, aus Neuer und Alter Musik zusammen. Stefan Franzen porträtiert den Künstler.

Murat Coskun, Foto:  © Tamburi Mundi
"Auf der Frame Drum ist man viel flexibler als auf anderen Trommeln"</wbr>, beschreibt Coskun seine Faszination für das Instrument.

​​Coskun wuchs in Ulm auf, seine Eltern jedoch stammen aus der Region Konya, dem anatolischen Zentrum für Sufi-Kultur. "Als junge Frau hat meine Mutter bei Hochzeiten Rahmentrommeln und Schellen gespielt; ihre Instrumente hat sie teils aus alten Olivendosen zurechtgeschnitten. Und eine temperamentvolle Tänzerin war sie auch", erinnert sich der Sprössling.

Hinter ihre Vergangenheit kam er jedoch recht spät, man verheimlichte sie, denn zu einer künstlerischen Laufbahn wollte ihn die Familie erst gar nicht ermuntern. Ohne Erfolg: "Ich habe viel ausprobiert, die Langhalslaute, Saz, gespielt, türkische Folklore getanzt, aber auch Jazzdance gemacht", so Coskun.

In Freiburg schrieb er sich nach der Schule zu einem Studium der Orientalistik und Ethnologie ein. Den musikalischen Pfad verfolgte er jenseits von Institutionen weiter. Ein Glücksfall brachte ihn in seiner Entwicklung voran:

"Wenn man Musik im Selbststudium betreibt, hängt viel von Fügungen ab. Mein Schicksal war es, dass ich bei Hakim Ludin Unterricht nehmen konnte, weil er in Karlsruhe wohnt. Von ihm habe ich viel gelernt, was Soundvorstellung, Technik und Instrumentarium, auch die Vermischung verschiedener Trommelkulturen betrifft."

In der türkischen Musik zuhause fühlen

Neben dem Afghanen Ludin war es der innovative Schlagzeuger Glen Velez, der dem jungen Coskun die ganze Welt der Rahmentrommeln eröffnete. Die stand fortan im Mittelpunkt seines Interesses. Auf Reisen durch die Türkei und Syrien schärfte er sein Verständnis für Rhythmen, baute zahlreiche Kontakte zu Musikern auf.

"In der türkischen Musik fühle ich mich zuhause und sicher, aber mich interessieren genauso nordafrikanische Sachen und die ungeraden Metren aus Bulgarien", gibt er zu. Peu à peu streckte er seine Fühler auch in andere musikalische Sparten aus.

Murat Coskun, Foto: © Tamburi Mundi
Murat Coskun: "Für die Sufimusik musst Du eine unglaubliche innere Ruhe haben. Und es ist genau dieses Ziel, das ich mit meiner Arbeit anstrebe."</wbr>

​​Mit seiner Formation "FisFüz" verband er erstmals Orientalisches mit jazzigen Grooves und gewann mit ihr 1998 den Weltmusikpreis des Südwestrundfunks. Eine Arbeit mit den Freiburger "Spielleyt" folgte, 2001 die Gründung des Ensembles "A Chantar", das sich unter anderem der italienischen und spanischen Musik des 13. und 14. Jahrhunderts verschrieben hatte.

Zugleich stieß er in die Sprache der Neuen Musik vor: "Es sind verschiedene Welten, in die man sich einfühlen muss. Ich lasse mich gerne inspirieren und habe speziell auf dem Gebiet der Alten Musik viel gelernt, begreife immer mehr über die damaligen Epochen", erläutert Coskun, der auch an einer Musikhochschule als Dozent tätig ist.

Eine Reise in die Wüste Gobi, wo er beim Festival "Roaring Hooves" mit Künstlern aus Aserbaidschan, Kirgisien und der Mongolei musizierte, brachte ihm weitere Erkenntnisse ein. Zumal er hier dem vermuteten Ursprung der Rahmentrommel, der zentralasiatischen Schamanentradition, ganz nahe kam.

Vielfältige Klangfarben auf der Frame Drum

"Auf der Frame Drum ist man viel flexibler als auf anderen Trommeln", erläutert Coskun seine Faszination. "Man kann sich während des Spiels damit bewegen, dabei tanzen, sie hochwerfen. Sie hat sich in den unterschiedlichsten Kulturräumen mit verschiedenen Techniken entwickelt, die man heute kombinieren kann - brasilianisches Tamburin mit italienischer, indischer Spielweise oder persischer Sufi-Trommel. Dadurch entsteht eine ganze Palette an Klangfarben."

Ein Glücksfall ist es, dass Murat Coskun durch seine Lehrjahre Kontakte zu bekannten Künstlern wie Glen Velez oder dem Marokkaner Rhani Krija, dem Drummer von Sting geknüpft hat, die beide als Resident Artists nach Freiburg kommen. Die begeisterte Resonanz bei der ersten Ausgabe hat ihn angespornt, dieses Jahr gleich zwei Schwerpunkte zu setzen.

Ein Fokus liegt auf dem keltischen Irland mit seiner Rahmentrommel Bodhrán, und eine ganze Nacht ist der persischen Musik inklusive eines Sufi-Ensembles aus Freiburgs Partnerstadt Isfahan gewidmet.

Nach deren Philosophie hat der Organisator auch sein künstlerisches Motto ausgerichtet: "Für die Sufimusik musst Du eine unglaubliche innere Ruhe haben. Und es ist genau dieses Ziel, das ich mit meiner Arbeit anstrebe."

Stefan Franzen

© Qantara.de 2007

Qantara.de

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