Für mehr Transparenz und Bildung

In Berlin gibt es mittlerweile fünf repräsentative Moscheen und mehr als 80 kleinere Gebetsstätten. Dort trifft man sich jedoch nicht nur zum Gebet, sondern auch zu Deutsch-Kursen und kulturellen Veranstaltungen. Sabine Ripperger hat sich dort umgesehen.

In Berlin gibt es mittlerweile fünf repräsentative Moscheen und mehr als 80 kleinere Gebetsstätten. Dort trifft man sich jedoch nicht nur zum Gebet, sondern auch zu Deutsch-Kursen und kulturellen Veranstaltungen. Sabine Ripperger hat sich umgesehen.

Die Sehitlik-Moschee im Berliner Bezirk Neukölln; Foto: dpa
Die Sehitlik-Moschee im Berliner Bezirk Neukölln mit ihrem aufwändigen zentralen Kuppelbau im klassisch osmanischen Stil wurde 1983 errichtet und 2005 erweitert. Heute bietet sie rund 1.500 Gäubigen Platz.

​​ Mehr Transparenz im Stadtteil, ein starkes gesellschaftspolitisches Engagement im Wohnumfeld und eine stärkere Bedeutung der deutschen Sprache im Gemeindealltag. All das sind Entwicklungen, die Berlins Moscheegemeinden heute prägen. Die muslimische Gemeinschaft ist damit zu einem wichtigen, integrationspolitischen Akteur geworden.

Die meisten Moschee-Gemeinden in Berlin sind für türkische Muslime, nur zehn für arabische. Hinzu kommen einige wenige Gemeinden von Minderheitengruppen wie den Aleviten, Bosniaken, urdusprachigen und afrikanischen Muslimen.

Das Angebot der Moschee-Gemeinden hat sich in den letzten Jahren stark verändert, denn inzwischen ist eine neue Generation Berliner Muslime herangewachsen - gebildet und hier sozialisiert.

Freitagspredigten auch auf Deutsch

Der deutschen Sprache kommt mittlerweile im Gemeindeleben eine größere Bedeutung zu. Zunehmend gehen Gemeinden dazu über, die Freitagspredigten auf Deutsch zu halten oder zu übersetzen.

Viele Moschee-Gemeinden kooperieren mit Stadtteil-Initiativen, Schulen und Trägern der freien Wohlfahrtspflege, vor allem im Bereich von Erziehung und Bildung.

Haci-Bayram-Moschee in Berlin; Foto: dpa
Die Haci-Bayram-Moschee im Berliner Stadtteil Wedding zählt zu den ältesten Moscheegemeinden der Metropole. Mit ihren 300 Mitgliedern will sie die schulische Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen fördern.

​​ Dies trifft beispielsweise auf die Haci-Bayram-Moschee zu, eine der ältesten Moscheegemeinden in Berlin - eine klassische Hinterhof-Moschee. Von der ersten Generation türkischer Gastarbeiter wurde die Gemeinde in den 1970er Jahren gegründet, wie Selcuk Saydam berichtet, der in der Moschee für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Wichtig ist für ihn vor allem, dass die Mitglieder der Gemeinde in Wedding heimisch geworden. "Sie sind rausgekommen aus den Hinterhöfen, sind ein Teil der Gesellschaft, ein Teil des Kiezes und natürlich auch ein Teil Deutschlands geworden", sagt Saydam.

Ein Ziel der Gemeindearbeit bestehe darin, engagierte Eltern und Schüler zu haben. Um dieses Vorhaben umsetzen zu können, helfe die Arbeiterwohlfahrt - als professioneller Akteur im Bereich "Elternarbeit" - den verschiedenen Moscheegemeinden.

Recht auf freie Religionsausübung

Günter Piening, Beauftragter für Integration und Migration des Berliner Senats; Foto: dpa
Berlins Integrationsbeauftragter Piening: "Wir haben es hier mit Moscheegemeinden zu tun, die sehr aktiv sind, die im Kiez Verantwortung übernehmen, die transparent sind"

​​ Nach den Worten des Berliner Integrationsbeauftragten, Günter Piening, trägt die Kooperation zwischen religiösen Einrichtungen und Bezirkseinrichtungen auch dazu bei, gegenseitiges Verständnis aufzubauen.

Das sei gerade im "Soldiner Kiez", im Stadtteil Wedding, sehr gut gelungen, auch wenn er moniert: "Wir haben es hier mit Moscheegemeinden zu tun, die sehr aktiv sind, die im Kiez Verantwortung übernehmen, die transparent sind. Und trotzdem gibt es diese anti-islamische Stimmung."

Statt den Islam auszugrenzen, sei es daher wichtig, die muslimische Religion als gleichberechtigt anzuerkennen, so Berlins Integrationsbeauftragter. "Es sind nicht Minarette, die das demokratische Zusammenleben bedrohen", so Piening. "Gefährdet wird es durch Gruppen, die die Grundrechte wie das Recht auf Religionsfreiheit für bestimmte Bevölkerungsgruppen einschränken möchten."

Islam als gleichberechtigte Religion

Angesichts des Minarett-Verbots in der Schweiz äußern sich Moschee-Vertreter und Muslime in Berlin zu diesem Thema, so auch die türkischstämmige Pinar Cetin, Mitglied des Vorstands der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), die selbst auch Führungen für Besucher in der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln macht, der prächtigsten Moschee Berlins, auf dem Gelände des alten Türkischen Friedhofs am Columbiadamm.

Pinar Cetin; Foto: AP
Die Grundlagen der islamischen Religion vermittelnd: Die Muslimin Pinar Cetin beantwortet Fragen von Besuchern in der Sehitlik-Moschee am Tag der Offenen Moschee.

​​ Cetin spricht von einer zunehmenden islamfeindlichen Stimmung mitten in der Gesellschaft. Trotzdem gibt sie die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden werde, nicht auf:

"Ich denke, dass wir sehr viel Arbeit leisten, um zu zeigen, dass es keine Bedrohung ist, wenn man ein Minarett oder eine Moschee hat." Cetin weist darauf hin, dass die Gläubigen, die in die Moschee kommen, zum großen Teil einfache Menschen seien, die ihren Glauben praktizieren möchten.

Treffpunkt für bosnische Muslime

Bereits 1989, mit dem beginnenden Zerfall von Ex-Jugoslawien, kamen viele bosnische Flüchtlinge nach Deutschland, die meisten von ihnen Muslime. Sie brauchten einen Ort, um sich zu treffen und die traumatischen Erlebnisse gemeinsam zu verarbeiten.

Muslime beten in der Moschee der Türkisch-Muslimischen Gemeinde in Berlin; Foto: AP
In Berlin mit seinen fast dreieinhalb Millionen Einwohnern leben nach Schätzungen der Behörden rund 120.000 Menschen muslimischen Glaubens.

​​Bis heute kommen wöchentlich etwa 300 bis 500 Menschen in das Islamische Kulturzentrum der Bosniaken in Berlin-Kreuzberg, sagt Meho Travljanin, der sich im Zentrum engagiert. Er selbst kam als Kind mit der Mutter und zwei Geschwistern nach Deutschland. Jetzt versucht er, "den Menschen den Islam so nahe zu bringen, wie der Islam ist: offen, lebenstauglich".

In Bosnien-Herzegowina habe man immer Seite an Seite mit katholischen oder orthodoxen Kirchen gelebt, sagt Travljanin. Deshalb sei den bosnischen Muslimen das Zusammenleben mit anderen Religionen nicht fremd. Wichtig sei die Toleranz.

Vor allem Jugendlichen wird im Zentrum geholfen. Sie sollen lernen, ihren Platz im Leben zu finden, und sie erhalten auch Nachhilfeunterricht. Im Gegensatz zu ihren Eltern hat sich die junge Generation hier gut zurechtgefunden und schnell die Sprache gelernt. Stolz berichtet Travljanin, dass mittlerweile 50 bis 60 Prozent der bosnischen Jugendlichen in Deutschland studieren.

Kein Feindbild Islam aufbauen

Im Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung in Berlin-Wedding, das vorrangig von arabischstämmigen Menschen besucht wird, engagiert sich der aus Tunesien stammende Faical Salhi.

Hier werde nicht nur gebetet, sondern auch offen über Themen wie "Islamophobie" gesprochen, über Probleme, die Muslimen mittlerweile in Deutschland Sorgen machen. Da gehe es auch um das Kopftuchverbot und den so genannten Ehrenmord. "Wir nehmen gerne Kritik auf und versuchen dann einiges auch bei uns hier zu ändern. Wir sind aktiv in unserem Kiez, wir sind bei Straßenfesten, bei Aktivitäten in der Kirche oder woanders und mischen gerne mit", sagt Salhi.

Nach seiner Meinung zum Minarettverbot in der Schweiz befragt, entgegnet Salhi, dass man einen Volksentscheid einerseits respektieren müsse, aber dieses Verbot könne auch negative Folgen haben:

"So eine Aktion wirft uns natürlich Jahrzehnte zurück, denn hier fühlen sich die Muslime dann ausgeschlossen. Ich finde, das ist nicht Europa 2010. Ich wünsche mir, dass wir zumindest in Deutschland und Nachbarländern davon wegkommen, dass wir immer ein Feindbild brauchen."

Sabine Ripperger

© Deutsche Welle 2010

Qantara.de

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