Eine "arabische NATO" gegen den Iran?

Saudi-Arabien und die USA wollen mit der Unterstützung von Jordanien, Ägypten und mehreren Golfstaaten eine "arabische NATO" zur Bekämpfung der "Bedrohungen aus dem Iran" gründen. Wie realistisch ist das Vorhaben? Und wer würde davon profitieren? Antworten von Peyman Aref

Von Peyman Aref

Saudi-Arabien war im Mai 2017 Gastgeber einer Sitzung, an der neben US-Präsident Donald Trump die Staatsoberhäupter vieler islamischer Länder teilnahmen. Nach dieser Sitzung blieben den Teilnehmern keinerlei Zweifel, dass sie auf internationaler Ebene uneingeschränkte Unterstützung aus Washington erfahren würden – und auf diese Weise sowohl ihre langjährigen Widersacher im Inland als auch ihre regionalen Erzrivalen endlich loswerden können. Seither scheuen sie keinen Streit mit Teheran und verfolgen gleichzeitig eine Entspannungspolitik gegenüber Israel.

Saudi-Arabien kann auf die bedingungslose Zusammenarbeit mit den Regierungen von Ägypten, den Arabischen Emiraten und Bahrain zählen. Riad hat bei seinem neuesten Versuch zur Gründung eines Bündnisses eine Idee aus Washington erhalten – nämlich die des Aufbaus einer "arabischen NATO" nach dem Vorbild des 1949 von den westlichen Staaten gegründeten Nordatlantikpakts (NATO).

Offene Fragen

Doch welche Bedrohung aus welchem Land soll diese "arabische NATO" abwehren und wen soll sie eigentlich schützen? Kann ein solches Bündnis überhaupt gelingen? Und auf welchen theoretischen und historischen Hintergründen fußt die Idee?

Ebrahim Mottaghi, iranischer Politikwissenschaftler und Dozent an der Teheraner Universität, wird von vielen Beobachtern als einflussreicher Theoretiker im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik des Iran angesehen. Seiner Ansicht nach hat sich die Idee einer "arabischen NATO" bereits während des NATO-Gipfels im Jahr 2007 in Istanbul herauskristallisiert, als erörtert wurde, inwiefern die Türkei als östliche Grenze des Bündnisses eine Zusammenarbeit der NATO mit manchen arabischen Ländern aus dem Mittleren Osten anregen könnte.

Die europäischen NATO-Mitglieder haben die Idee jedoch aus zweierlei Gründen nicht weiter verfolgt: zum einen, weil Ankara selbst im Mittleren Osten seinen Einfluss zu vergrößern versucht. Zum anderen ist die NATO eine Nordatlantik-Organisation – und die Europäer fanden eine NATO-Erweiterung in den Mittleren Osten nicht so reizvoll", erklärt Mottaghi.

Die Außenminister der VAE, Saudi Arabiens und Ägyptens; Foto: picture-alliance
Geschlossen gegen Qatar: Vor gut einem Jahr hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien, Bahrain und Ägypten eine Luft- und Seeblockade gegen Qatar verhängt, da es angeblich Terrorismus unterstütze. Die Emirate hätten die Aktionen gegen Qatar geleitet, begründete Qatar die Klage. Die Vereinigten Arabischen Emirate wiesen die Beschuldigungen zurück.

Der zweite theoretische Hintergrund einer "arabischen NATO" sei auf der Sitzung der Arabischen Liga 2015 zustande gekommen, so Mottaghi: "Die arabischen Staaten haben sich entschieden, ein gemeinsames militärisches Bündnis zu schaffen, um das Problem im Jemen in den Griff zu bekommen und die schiitischen Huthi-Rebellen zu bekämpfen."

Der dritte theoretische Hintergrund einer "arabischen NATO" resultiere aus der engen Zusammenarbeit er saudischen Führung mit der Trump-Administration gegen den Iran seit Anfang 2017, stellt der Politikwissenschaftler fest.

Eine realistische Idee?

"Die Bedrohung durch einen 'Anderen', nämlich die der kommunistischen Sowjetunion, hatte damals das NATO-Bündnis hervorgerufen", erinnert sich Mottaghi. Und nur solch ein verhältnismäßig mächtiger Feind könne auch die noch zerstrittenen arabischen Länder hin zu einem Militär- und Sicherheitsbündnis führen.

"Bislang war Israel der 'Andere'. Im Moment ist es sehr weit hergeholt, dass die Bevölkerungen in den arabischen Ländern ihren Machthabern erlauben würden, den Iran gegen Israel auszutauschen und die Islamische Republik als den 'Anderen' zu bezeichnen", so der Experte. Darüber hinaus seien die Beziehungen der arabischen Länder untereinander sehr angespannt. Ein Beispiel dafür sei die Blockade Qatars durch Saudi-Arabien und dessen Verbündete.

Seit Juni 2017 haben Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Qatar gekappt. Später kamen weitere Verbündete hinzu. Dem kleinen Emirat am Persischen Golf wird Terror-Unterstützung vorgeworfen. Und auch die guten Beziehungen zum Iran werden Qatars Königsfamilie zur Last gelegt.

Seitdem haben Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate alle Grenzübergänge zu Qatar geschlossen. Viele Experten glauben, dass der Konflikt ohne sofortige Unterstützung aus Teheran und Ankara in einer Hungersnot und einer humanitären Katastrophe gemündet wäre.

Douglas Bandow, einst "Spezialassistent" von US-Präsident Ronald Reagan, heute unter anderem Senior Fellow am ökonomisch-politischen Think-Tank "Cato Institute" in Washington, schreibt in einem Anfang August auf der Webseite des Instituts veröffentlichten Artikel, dass die Voraussetzungen für die Gründung eines NATO-ähnlichen Bündnisses im Mittleren Osten nicht gegeben seien.

"Während Trump eine 'arabische NATO' zu gründen versucht, destabilisiert er zugleich die Nordatlantik-Organisation in Europa und stellt das Mandant des Bündnisses nach dem Kalten Krieg in Frage", so Bandow. "Unter diesen Umständen und in Anbetracht dessen, dass das Bündeln der Kräfte der arabischen Länder im Bereich Verteidigung und Politik bereits mehrmals gescheitert ist, scheint das Schaffen einer 'arabischen NATO' wesentlich aufwändiger zu sein als eine Zusammenarbeit mit dem Iran."

Doug Bandow, Foto: "Cato Institute" in Washington
Doug Bandow: "Während Trump eine 'arabische NATO' zu gründen versucht, destabilisiert er zugleich die Nordatlantik-Organisation in Europa und stellt das Mandant des Bündnisses nach dem Kalten Krieg in Frage."

Die Wurzeln der Probleme der arabischen Länder am Persischen Golf lägen in deren Inneren, nicht im Iran, resümiert Bandow. Keine der dortigen Regierungen genieße eine politische Legitimation. "Wie kann eine diktatorische Regierung in Ägypten oder ein totalitärer Machtapparat wie in Saudi-Arabien für junge unzufriedene Menschen anziehend sein?" Die US-Regierung solle einen entgegengesetzten Kurs einschlagen und sich aus dem end- und zwecklosen Streit heraushalten, so Douglas Bandow.

Eine "arabische NATO" oder ein Dreierbündnis?

Was sich gegen den Iran formieren würde, wäre keine "arabische NATO", sondern ein Dreier-Bündnis zwischen den USA, Saudi-Arabien und Israel, glaubt Ebrahim Mottaghi.

Allerdings werde dieses Bündnis ohne die Unterstützung der NATO oder der europäischen Staaten gegen den Iran nicht weit kommen. "Die NATO hat es seit 2001 mit dem langwierigsten Krieg ihrer Geschichte in Afghanistan zu tun und ist an keinem neuen Krieg interessiert", stellt Mottaghi fest. Jedoch könne die "Dreierkoalition" durchaus einen weiteren Krieg im Mittleren Osten anzetteln.

Der Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran im Jemen dauert an. Zugleich scheint die Spannung zwischen dem Iran und Israel in Syrien nachgelassen zu haben. Angriffe der israelischen Luftwaffe auf militärische Stellungen in Syrien, bei denen auch iranische Unterstützer des Assad-Regimes ums Leben kamen, kamen zuletzt weniger vor. Die Vermittlerrolle Russlands und die Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 60 Kilometern zu den strategisch wichtigen Golanhöhen scheinen gewirkt zu haben.

Noch ein Faktor könne die Hoffnungen der Trump-Regierung auf eine "arabische NATO" platzen lassen, meint Douglas Bandow: "Der Widerstand vieler arabischer Länder gegen Israel, dem wichtigsten Verbündeten der USA in der Region." Er zitiert aus dem Leitartikel einer jordanischen Tageszeitung: "Vergangene Woche stand in einem Leitartikel der Jordan Times deutlich, dass der Widerstand gegen Israel der Hauptauftrag jedes Mitglied der 'arabischen NATO' sein solle."

Vor diesem Hintergrund könnte das Projekt "arabische NATO" außer zu einer koordinierten Aufrüstung der Verteidigungssysteme der arabischen Länder mit US-Waffen zu keiner ernsthaften militärischen Aufgabe nützlich sein.

Peyman Aref

© Iran Journal 2018