Menschenrechtsdiskurs als politisches Instrument

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat eine neue Studie zum Thema "Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention" herausgegeben. Sabine Ripperger stellt die Studie vor.

"In jeder Menschenrechtspolitik gegenüber islamisch geprägten Staaten sollte man sich normativ auf die UN-Menschenrechtspakte beziehen. Diese sind gezeichnet worden, es sind konkrete rechtliche Verpflichtungen, für die sich islamisch geprägte Staaten entschieden haben, und in diese Pflicht sind sie entsprechend zu nehmen", so Anna Würth, die Autorin bei der Präsentation ihrer Studie.

Anna Würth, die nach mehrjähriger Tätigkeit bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nun unter anderem als Gutachterin in der Entwicklungszusammenarbeit und im Menschenrechtsbereich tätig ist, forderte eine stärkere Professionalisierung der deutschen Menschenrechtspolitik gegenüber islamisch geprägten Ländern. So sei zum Beispiel die Entwicklung von regional- und länderspezifischen Strategien notwendig. Zudem sei es sinnvoll, die bilaterale Menschenrechtspolitik mit den Dialog-Bemühungen der EU zu koordinieren.

Kritik an "Kairo-Erklärung"

Als prominenteste islamische Menschenrechtserklärung bezeichnete Würth die "Kairo-Erklärung" der Islamischen Konferenz von 1990 - einer Organisation, der 56 Staaten angehören. Viele Muslime und Musliminnen verstünden diese Erklärung als authentisch islamischen Ausdruck von Menschenrechten. Inhaltlich aber sei sie durchaus zu kritisieren.

"Es lässt sich feststellen", so die Autorin, "dass die Kairo-Erklärung in signifikanten Punkten von Menschenrechtsabkommen im Rahmen der UNO abweicht, besonders im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis, aber auch auf die akademische Freiheit und ihre Haltung zu Körperstrafen."

Gerade deshalb sei es wichtig, dass der Menschenrechtsdiskurs vor allem auf die Umsetzung internationaler Menschenrechtsabkommen zielt, fordert Heiner Bielefeldt, der Direktor des Instituts für Menschenrechte:

"Es darf dabei nicht nur um allgemeine Wertfragen und Menschenbilder gehen oder gar den Versuch einer interreligiösen Ökumene. Ein Menschenrechtsdiskurs hat sozusagen seine ganz eigene Struktur, hat auch seine eigene Referenz, nämlich in Gestalt der international gültigen, völkerrechtlich gültigen Menschenrechtsnormen, die auch von islamisch geprägten Staaten zu einem großen Teil - jedenfalls formell - akzeptiert wurden.

Dialog auf gleicher Augenhöhe gefordert

Für besonders wichtig hält die Autorin der Studie, dass jeder Diskurs auf gleicher Augenhöhe stattfindet, nicht mit erhobenem Zeigefinger. Es müsse offen diskutiert und thematisiert werden, welche Menschenrechtsanliegen es jeweils auf beiden Seiten gibt. Islamwissenschaftlerin Anna Würth verwies auch auf einen Umstand, der keinesfalls außer Acht gelassen werden sollte:

"Sehr wichtig für alle Akteure im Menschenrechtsbereich ist, zu bedenken, dass auch der politische Missbrauch von Menschenrechten in der Weltpolitik zu einer, man könnte schon sagen, Diskreditierung des Menschenrechtsdiskurses in weiten Teilen der islamisch geprägten Welt geführt hat. Palästina-Konflikt, Irak-Kriege - das ist, denke ich, auch ein Erbe mit dem sich jede westliche Menschenrechtspolitik auseinandersetzen muss, will sie nicht vollends an Glaubwürdigkeit verlieren oder will sie neue gewinnen."

Sabine Ripperger, DW-Berlin

© 2003, Deutsche Welle

Sie können die neue Studie von der Website des Deutschen Instituts für Menschenrechte als pdf-Datei herunterladen.