Bauchtänzerin entblößt islamistische Doppelmoral

Sie tanzt den Islamisten auf der Nase herum: Die ägyptische Bauchtänzerin Sama al-Masri spottet in ihren Musikvideos über die Muslimbruderschaft. Dafür droht ihr ein Gerichtsverfahren. Aus Kairo informiert Markus Symank.

Von Markus Symank

Eine Bauchtänzerin, die ihre Hüften in den Dienst der Revolution stellt: Die 32-jährige Sama al-Masri hat in Ägypten neue Bewegung in die Debatte um Rede- und Meinungsfreiheit gebracht. Ein islamistischer Anwalt erstattete kürzlich Anzeige gegen die ehemalige TV-Moderatorin wegen angeblicher "Beleidigung des Islams".

Ihre Spottlieder gefährdeten die nationale Sicherheit und das friedliche Zusammenleben der Religionen, so der Anwalt. Auch soll al-Masri nach eigenen Angaben mehrere Morddrohungen erhalten haben.

Ob gegen die Bauchtänzerin tatsächlich ein Verfahren eingeleitet wird, ist noch offen. Viel hängt vom politischen Willen der Verantwortlichen ab. Artikel 31 der neuen Verfassung aus der Feder der Islamisten untersagt "die Beleidigung eines jeden Menschen". Im ägyptischen Gesetz ist im Falle einer Verurteilung wegen Blasphemie eine Haftstrafe von mindestens sechs Monaten vorgesehen.

Vollbart liebt Vollbusen

Hasem Abu Ismail; Foto: dpa/picture-alliance
Schluss mit lustig? In ihrem jüngsten Spottlied hatte sich Sama al-Masri über den islamistischen Prediger Hasem Abu Ismail lustig gemacht. Ein ägyptischer Anwalt erstattete daraufhin Anzeige gegen die Bauchtänzerin.

​​Der Fall der kommerziell mäßig erfolgreichen al-Masri hingegen hatte bis vor kurzem vor allem die Klatschspalten der ägyptischen Zeitungen gefüllt. In Musikvideos zeigt diese ihre Kurven, während sie nebenbei die Scheinheiligkeit der regierenden Islamisten entblößt. Der Tanz zwischen politischer Kritik und persönlichen Angriffen ist ihr Markenzeichen: Über die gebrochenen Wahlversprechen der Muslimbrüder zieht sie ebenso gerne her wie über deren angeblich mangelhafte Körperhygiene.

Am liebsten aber tritt sie Anwar al-Balkimi auf den Füßen herum, ein ehemaliger Parlamentarier und Anhänger der ultrakonservativen Salafisten. Dessen Glaubwürdigkeit nahm im vergangenen Jahr schweren Schaden, als er seine Nase von einem Schönheitschirurgen richten liess, den Eingriff aber vergeblich als Folge eines Raubüberfalls zu tarnen versuchte.

Nur weniger später wurde al-Balkimi erneut ungewollte Aufmerksamkeit zuteil, als al-Masri bekanntgab, dass sie die heimliche zweite Frau des verheirateten Islamisten sei. Vollbart liebt Vollbusen: Ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Angeblich trennte sich al-Masri jedoch kurz darauf von ihrem Lover. Dieser stritt die Affäre ab, womit er die Stichworte Lügen und Nase erneut mit sich in Verbindung brachte.

"Sie bricht Tabus"

Ägyptische Beobachter sind geteilter Meinung, inwieweit es der Tänzerin mit ihren provokativen Beiträgen tatsächlich um einen politischen Beitrag geht. Unter anti-islamistischen Aktivisten des Landes sind ihre Videos jedenfalls sehr beliebt. Hunderte haben ihr auf dem sozialen Netzwerk Twitter Unterstützung zugesagt. Ein Anhänger schrieb, al-Masri spreche im Gegensatz zur politischen Opposition Klartext.

Emad Mubarak, geschäftsführender Direktor der Organisation für Denk- und Redefreiheit in Kairo, vermutet, dass die Tänzerin in erster Linie um Aufmerksamkeit buhlt. Allerdings breche al-Masri gezielt mit herkömmlichen Gesellschaftsregeln und Tabus. "Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Meinungsfreiheit", sagt Mubarak.

Aus Sicht vieler reiht sich al-Masri in die wachsende Gruppe von Journalisten, Aktivisten und Künstlern ein, die sich seit der Revolution keinen Maulkorb mehr vorschreiben lassen. Dazu zählen Personen wie der atheistische Blogger Alber Saber, der wegen "Beleidung von Gott und den Propheten" im Dezember zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, oder die Frauenrechtsaktivistin Aliaa Magda El-Mahdi, die ins Ausland fliehen musste, nachdem sie Nacktbilder von sich online gestellt hatte.

Der aufsehenerregendste Fall ist bislang der des TV-Comedian Bassem Jussef. Wegen seiner scharfzüngigen Kritik an Mursi wurde der auch als Jon Stewart Ägyptens bezeichnete Satiriker im vergangenen Monat von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

Mehr als nur Spott

Dass nun auch gegen Sama al-Masri juristisch vorgegangen wird, hat dennoch viele überrascht. Zwar haben die Politiker der Islamisten mehrfach bewiesen, das sich nicht gerne lachen, am wenigsten über sich selbst.

Sama al-Masri hält Schild mit der Aufschrift 'Nein zur Verfassung'; Foto: youtube
Provokation als Markenzeichen: Al-Masri gießt in ihren Videos nicht nur Spott und Häme aus, sie stellt ganz offen die Deutungshoheit über den Islam in Frage. Eine Deutungshoheit, welche die ultrakonservativen Scheichs der Salafisten und die Muslimbrüder seit Jahren für sich allein in Anspruch nehmen.

​​Bauchtänzerinnen aber genießen in der ägyptischen Kultur seit jeher Narrenfreiheit. Sie dürfen Haut zeigen, wo andere sich verhüllen, und aussprechen, was der Rest der Gesellschaft nur zu denken wagt. Der bekannte Blogger Mahmud Salem schrieb noch im November, dass ein gerichtliches Verfahren gegen al-Masri daher unwahrscheinlich sei.

Wie schon im Fall von Bassem Jussef scheint erneut mehr im Spiel zu stehen als nur Klamauk auf Kosten der Islamisten. Al-Masri gießt in ihren Videos nicht nur Spott und Häme aus, sie stellt ganz offen die Deutungshoheit über den Islam in Frage. Eine Deutungshoheit, welche die ultrakonservativen Scheichs der Salafisten und die Muslimbrüder seit Jahren für sich allein in Anspruch nehmen. "Im Namen der Religion werft ihr allen Menschen Ketzerei vor, während unser Leben den Abfluß runtergeht", prangert sie in einem ihrer Videos die Doppelmoral der Muslimbrüder an.

Entzauberung der Islamisten

Aus Sicht von Emad Mubarak helfen Personen wie al-Masri, den Predigern der radikalen Islamisten ihren falschen Heiligenschein zu nehmen. "Dass man Politiker, auch den Präsidenten, beleidigen kann, ist seit der Revolution normal. Religiöse Figuren aber genießen häufig noch einen Sonderstatus", sagt Mubarak.

Doch mit dem Regierungsantritt von Präsident Mursi hat die Entzauberung der Islamisten eingesetzt. Seither sehen sich auch Prediger und Imame mit dem Vorwurf der Lüge, Manipulation, Machtgier konfrontiert. So wie al-Masris angeblicher Ex-Mann mit der vertuschten Nasen-OP.

Mubarak glaubt, dass die Ägypter in Zukunft daher stärker zwischen den Predigern und ihrem eigenen, privaten Glauben unterscheiden werden. "Mit religiösem Druck und Höllendrohungen lässt sich nicht mehr so leicht Wahlkampf betreiben wie früher", prophezeit er.

Markus Symank

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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de