Der Krieg als Spektakel

Der eskalierende Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas wird beiderseits von massiver Propaganda begleitet. Dabei versucht man auch, die gegnerische Seite direkt anzusprechen. Einzelheiten von Joseph Croitoru

Von Joseph Croitoru

Der erneut tobende Bomben- und Raketenkrieg zwischen Israel und den palästinensischen Islamisten im Gazastreifen wird wie üblich von einer medialen Schlacht flankiert. Diesmal wird sie noch schonungsloser geführt als in früheren Waffengängen, und sie zu gewinnen, scheint zumindest ebenso wichtig wie militärische Siege.

Doch während beide Seiten nicht müde werden, die eigene Überlegenheit zu zelebrieren und sich als Sieger zu inszenieren, scheint zumindest bis jetzt in gewisser Hinsicht die Hamas größeren Nutzen aus dem Propagandakrieg zu ziehen als das israelische Militär.

Jeder bedient sich beim anderen

Als Erfolg können die Islamisten nämlich für sich verbuchen, dass kaum ein israelisches Nachrichtenportal und auch nicht das Staatsfernsehen dieser Tage ohne ihre Propagandavideos auskommt. Dies ist wohl nicht nur der bitteren Konkurrenz auf dem israelischen Medienmarkt geschuldet. Ein weiterer Grund für die gestiegene Durchschlagskraft palästinensischen Propagandamaterials ist der Umstand, dass es nun dreisprachig, also neben Arabisch und Englisch auch in Hebräisch, aufbereitet ist.

Große Aufmerksamkeit erfährt etwa auf dem Portal der auflagenstarken israelischen Tageszeitung „Jediot Achronot“ ein Video der Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, das mit einem ganz besonderen Novum aufwartet: Die hier in zusammengeschnittenen, schnell wechselnden Sequenzen präsentierten Aufnahmen von Raketenbau und -abschüssen, von Kassam-Infanteristen bei Kampfübungen und angeblichen Treffern beim Beschuss israelischer Panzer sind erstmals auch mit einem von den Islamisten in hebräischer Sprache verfassten und gesungenen Propagandalied untermalt.

Für die Leser wurde ein Auszug transkribiert, doch nur, um sich über den schweren arabischen Akzent und die stellenweise falsche Aussprache der singenden Kassam-Kämpfer lustig zu machen. Einige der Liedzeilen lauten: „Du wirst Anschläge verüben / Alle Zionisten vernichten / Mit ihnen den Kampf suchen / Ihre Militärbasen und Soldaten in Flammen aufgehen lassen / So auch ihren schwachen und erschütterten Staat / Wir führen den Krieg fort.“

Bei ihren medialen Inszenierungen müssen die Hamas-Propagandisten allerdings ihrerseits auf Aufnahmen der israelischen Seite zurückgreifen, wenn sie Einschläge ihrer Raketen auf israelischem Boden oder Israelis zeigen wollen, die beim Ertönen der Sirenen die Schutzkeller aufsuchen. Sogar Bilder, die aus der Presseabteilung des israelischen Militärs stammen, finden in dem Video Verwendung: Eine beim Training simulierte Evakuierung verletzter israelischer Kampfsoldaten wird hier in eine Bildsequenz so hineingeschnitten, dass das Ganze wie echt wirkt – freilich nicht für den geübten Blick eines durchschnittlichen israelischen Medienkonsumenten.

Denn dieser bekommt schon seit einigen Jahren immer mehr Fotomaterial aus der Medienwerkstatt der Armee präsentiert, das besonders von regierungsnahen Medien gerne übernommen wird. Als Vergeltung deklarierte Sprengungen von Wohnhäusern palästinensischer Terroristen etwa, die früher von Journalisten nicht einmal fotografiert werden durften, werden heute von Mitarbeitern der Presseabteilung des Militärs gefilmt und gleich verbreitet. Nur Stunden später findet man die Aufnahmen auf Nachrichtenportalen wie etwa dem des regierungstreuen Blatts „Jisrael Hayom“ .

Dehumanisierende Ästhetik

Israelischer Journalist Yoav Even bei der Arbeit vor der Kamera; Foto: DW/Bettina Marx
Paradox des Krieges: Sowohl israelische Medien als auch die Medienbeiträge der Hamas verwenden bei der Verbreitung ihrer medialen Inszenierungen Material der Gegenseite. Die israelischen Medien greifen häufig auf Material des israelischen Militärs zurück.

So sind denn auch bei der jetzigen Auseinandersetzung von der Armee zur Verfügung gestellte Aufnahmen in den israelischen Medien allgegenwärtig. Dem Publikum längst vertraut sind Bilder von „chirurgisch“ ausgeführten Treffern, die von Kampfjets oder Drohnen aus gefilmt sind. Sogenannte Kollateralschäden sind darauf nicht zu sehen – und die soll es auch gar nicht geben, warnt doch die Armeeleitung nach eigenem Bekunden schon im Vorfeld die palästinensische Bevölkerung vor jedem bevorstehenden Bombardement.

Neuerdings sind auch vermehrt Filmsequenzen zu sehen, die von israelischen Kampfschiffen aus gemacht wurden. Dabei stellt die Armee ihren technischen Vorsprung bei der filmischen Dokumentation der eigenen Treffer, dem die Palästinenser außer Animationen und Montagen kaum etwas entgegensetzen können, schonungslos zur Schau: Auf einige Kassam-Kämpfer, die über das Meer einen israelischen Strand erreichen konnten, wird in einem der Videos so lange aus allen Rohren gefeuert, bis nur noch der aufgewirbelte Sand zu sehen ist.

Fast schon in der Manier der Hamas und ihrer Inszenierung der eigenen Feuerkraft filmt die israelische Marine mit Vorliebe ihre Schiffskanonen in Aktion. Wen oder was sie treffen, bleibt verborgen: Die dehumanisierende Ästhetik der Waffen trifft man auf beiden Seiten dieses Bilderkrieges an.

Auf allen Kanälen

Ebenso auch Falschmeldungen über Erfolge, wobei deren gezielte Verbreitung eher eine Strategie der palästinensischen Islamisten ist. Seit jeher versuchen die Kassam-Einheiten der Hamas wie auch die Al-Kuds-Brigaden des Islamischen Jihad, ihre waffentechnische Unterlegenheit mit übertriebenen Angaben über die Verluste beim „zionistischen Feind“ zu kompensieren und nutzen dafür mittlerweile sämtliche verfügbaren Kanäle – vom Hamas-eigenen TV- und Radiosender Al-Aksa bis hin zu mehrsprachigen Internet-, Facebook- und Twitter-Seiten.

Bei der umfassenden Nutzung moderner Kommunikationstechniken wollen die Kassam-Brigaden, die sich als reguläre Armee betrachten und so auch inszenieren, dem israelischen Militär möglichst ebenbürtig erscheinen. Zuletzt lieferten sich beide Lager ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Verbreitung ihrer Botschaften in der Sprache des Gegners. So betreibt Israels Militär auch eine arabische, das Informationsbüro der Kassam-Brigaden eine hebräischsprachige Website .

Über die jüngste Militäroperation ist auf der israelischen Website indes nur wenig zu erfahren, dafür kann man sich über die Erfahrungen einer der ersten muslimischen Soldatinnen in der israelischen Armee ein Bild machen. Der hebräische Internetauftritt der Kassam scheint zwar die Testphase noch nicht ganz hinter sich zu haben. Dies hindert die Islamisten aber nicht daran, den israelischen Soldaten in einem zweisprachigen Clip zu drohen, dass in Gaza auf sie die „Hölle“ warte, und ein weiteres Novum zu präsentieren: Bilder, die von der ersten Hamas-Drohne über israelischem Gebiet gemacht wurden.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2014

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de