Wie die Hisbollah Libanons Politik lähmt

Der Libanon steckt wegen der Hisbollah-Kämpfe in Syrien in einer politischen Sackgasse. Die Innenpolitik des Landes hängt wie kaum eine zweite ab von den Entwicklungen und Verwerfungen im Nahen Osten.

Von Ben Knight

Wie unübersichtlich die politische Gemengelage im Libanon ist, kann man an allen Ecken und Enden von Beiruts Straßen sehen: Fahnen und Graffiti der rund 100 politischen Parteien des Landes bedecken nahezu jeden freien Platz. Derzeit sitzen 21 Parteien im 128 Sitze fassenden libanesischen Parlament, mit unterschiedlichsten politischen Interessen. Die meisten Parteien des Landes spalten sich in zwei Lager: die Allianzen des 8. März und des 14. März.

Seit fast einem Jahr führen die Auswirkung des syrischen Bürgerkriegs die beiden Lager in eine Sackgasse. Die weitgehend Assad befürwortende Allianz des 8. März - ein Teil davon ist die Hisbollah-Partei - und die weitgehend Assad-kritische Allianz des 14. März konnten sich wegen der militärischen Aktivitäten der Hisbollah-Milizen in Syrien nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.

Sackgasse und Druck

Diese Lage verbesserte sich zum Teil, als der unabhängige libanesische Premierminister Tammam Salam kürzlich ein neues Kabinett zusammenstellte, dem Minister aus beiden Lagern angehören. Diese Notlösung sollte helfen, Probleme innerhalb der Landesgrenzen zu lösen, etwa eine drohende Wasserknappheit. Doch einige Parteien der Allianz des 14. März weigerten sich im Kabinet mitzumischen, bis die Hisbollah sich aus Syrien zurückzieht. In mehreren Sitzungen versuchte das Übergangsparlament in den vergangenen Wochen erfolglos, eine Regierungserklärung dazu abzugeben.

Das liegt zum einen an der Baabda-Erklärung, die alle Seiten 2012 unterzeichneten. Sie schreibt eine Neutralität des Libanon in allen regionalen Konflikten vor, und das gilt auch für Hisbollah-Kampfhandlungen in Syrien.

Der Politiker Jean Oghassapian; Foto: Ben Knight
Der Politiker Jean Oghassapian glaubt, dass die libanesische Politik keine Fortschritte machen wird. Denn "beide Seiten sind bewaffnet und die Alawiten werden durch Syrien und die Hisbollah unterstützt", so der Abgeordnete der Allianz des 14. März.

Libanons Präsident Michel Sleiman stellte noch einmal klar, dass die Baabda-Erklärung ein unveränderlicher Grundsatz in der libanesischen Verfassung sei, aber nicht alle scheinen ihn zu respektieren. Ein zweites, tiefgründigeres Problem ist eine Verteidigungs-Klausel, die der Hisbollah das Recht gibt, Waffen zu tragen und unabhängig von der libanesischen Armee zu kämpfen.

Zunehmende Gewalt

Doch die Macht der Hisbollah wird von immer stärkerer Gewalt aus verschiedenen Lagern untergraben. In Beirut explodiert seit Jahresbeginn im Schnitt jede Woche eine Autobombe. Syrische Gruppen mit Al-Kaida-Verbindungen wollen die Hisbollah so schwächen. Der Syrien-Konflikt reicht zudem bis zur libanesischen Küstenstadt Tripoli im Norden Beiruts. Kleinere Schießereien zwischen alawitischen und sunnitischen Gemeinschaften sind dort immer wieder eskaliert zu großen Gefechten mit der libanesischen Armee, die versuchte, beide Seiten zu trennen. Das werde aber immer schwieriger, sagt der Politiker Jean Oghassapian, denn "beide Seiten sind bewaffnet und die Alawiten werden durch Syrien und die Hisbollah unterstützt", so der Abgeordnete der Allianz des 14. März.

Die Gewalt drückt Libanons ohnehin schon schwache Wirtschaft weiter zu Boden. Viel gravierender ist aber vermutlich der Einfluss der Gewalt auf die Loyalität der Hisbollah Kern-Wähler in den schiitischen Gemeinden. Einer der Hauptgründe, warum Libanesen die Hisbollah wählen ist, dass die Partei ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt - mehr Sicherheit als die libanesische Armee vermitteln kann. Wenn dieses Gefühl der Sicherheit in Gefahr gerät, gibt es auch weniger Stimmen für die Hisbollah.

Rami Ollaik, ein ehemaliges Hisbollah-Mitglied, der zwei kritische Bücher über seine Erfahrungen in der Partei geschrieben hat, glaubt, dass die Hisbollah immer größere Probleme hat, ihre Wähler von sich zu überzeugen. "Die schiitische Gemeinde hat im Moment große Bedenken“, sagte er der DW. "Viele Stimmen innerhalb der Hisbollah hinterfragen die Kämpfe in Syrien aufgrund der Verluste."

Bombenanschlag in Beirut; Foto: Reuters
Bombenanschlag in Beirut am 19.02.2014: Anschläge verschärfen die Lage im Libanon weiter.

Aber es gebe etwas, das diese Bedenken im Moment daran hindert, die Überhand zu gewinnen, sagt Ollaik: Die historische Angst der Schiiten vor Al Kaida und salafistischen Extremisten. Während die Allianz des 14. März überzeugt ist, dass der Terror innerhalb des Libanon endet, wenn die Hisbollah sich aus Syrien zurückzieht, haben schiitische Gemeinden eine ganz andere Sichtweise: "Sie sagen, dass es nicht um den Libanon oder Syrien geht, sondern um ihre Existenz." Das hätten sie in der Geschichte immer wieder erlebt.

Iranische Hilfstruppen?

Und dann gibt es da noch den Iran, dessen Unterstützung der Hisbollah alle Debatten der libanesischen Politik beeinflusst. Michael Young von der libanesischen Zeitung "Daily Star" schrieb kürzlich, dass der militärische Flügel der Hisbollah nichts weiter sei, als "eine Hilfstruppe für die Regime im Iran und Syrien." Elie Khoury von der Partei Forces Libanaises stellt im Gespräch mit der DW sogar die Loyalität der Hisbollah zum Libanon infrage: "Sie sind ein Teil der militärischen und politischen Struktur des Iran. "Auch, wenn sie eigentlich Libanesen seien: "Ihre Seelen, Herzen und Gedanken sind es nicht."

Oghassapian von der 14.-März-Allianz glaubt, dass die libanesische Politik weiterhin eng an das Schicksal der Region geknüpft sein wird: "Es wird sich nichts ändern", sagt er. "Wir werden weiterhin die Kampfhandlungen der Hisbollah in Syrien ablehnen und die Allianz des 8. März wird weiterhin die iranische Strategie unterstützen." Der Libanon sei nicht selbstbestimmt, alles hänge immer mit dem gesamten Nahen Osten zusammen: "Mit dem palästinensischen Friedensprozess ebenso wie mit dem iranischen Atomprogramm und dem Konflikt zwischen dem Iran und sunnitischen Ländern." Und all das hinge wiederum von den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten, Europas, Russlands und Chinas ab.

Ben Knight

© Deutsche Welle 2014

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de