Chance für Austausch und Annäherung

Angesichts des Auseinanderdriftens der Kulturen ist ein intensiverer Austausch mit der islamischen Welt in den Bereichen Bildung und Kultur mehr denn je notwendig, argumentiert der Direktor des Goethe-Instituts Kairo, Johannes Ebert.

Angesichts des gefährlichen Auseinanderdriftens der Kulturen ist ein intensiverer Austausch mit der arabisch-islamischen Welt in den Bereichen Bildung und Kultur mehr denn je notwendig, argumentiert der Direktor des Goethe-Instituts in Kairo und Regionalbeauftragter Nahost/Nordafrika, Johannes Ebert.

Leiter des Dialogpunktes in Assiut, Volker Trusheim, bei einer Veranstaltung des Goethe-Instituts; Foto: &copy Goethe-Institut
Kultur und Bildung üben vor allem auf junge Menschen eine große Anziehungskraft aus - Kulturmanager Volker Trusheim während Veranstaltung des Goethe-Instituts in Ägypten.

​​Der israelisch-palästinensische Konflikt, Krieg in Irak und Afghanistan, Terrorismus in Großstädten, der den Islam als Deckmantel missbraucht.

Nach oft jahrzehntelanger Dauer dieser gewalttätigen Auseinandersetzungen, die mit einem großen Verlust an Glaubwürdigkeit gegenüber westlicher Politik am südlichen und weit verbreitetem Misstrauen am nördlichen Ufer des Mittelmeers einhergehen, bestehen große Zweifel, ob die herkömmlichen Mechanismen internationaler Sicherheitspolitik diese Konflikte dauerhaft entschärfen können. Neue Wege, um ein friedliches Zusammenleben zu sichern, sind nötig.

Aus diesem Grund haben – insbesondere nach dem Erscheinen von Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen" und den Ereignissen des 11. September – Politiker unterschiedlicher Couleur dem "europäisch-islamischen Kulturdialog" eine zentrale Rolle im sicherheitspolitischen Instrumentarium zugedacht.

Denn die Bildungssysteme und Kulturen Europas genießen in der arabischen und islamischen Welt ein historisches Grundvertrauen, großes Ansehen in Hinblick auf die Qualität und stellen für viele eine Alternative zum als dominant empfundenen "American Way of Life" dar.

Überfrachtete Erwartung an den Kulturdialog

Doch Kultur, Kunst und Bildung verlieren die ihnen eigene Kraft, wenn sie lediglich als Werkzeuge propagiert werden, um Sicherheit zu schaffen und Konflikte zu lösen. Kultur im eigentlichen Sinn nutzt vielmehr gesellschaftliche Freiräume, setzt kreatives Potential frei, initiiert offene Prozesse der Begegnung und trägt damit wesentlich zum konstruktiven Austausch bei.

Konkret sind derzeit besonders zwei Gefahren augenfällig: Zum ersten

Ägyptische Studenten; Foto: &copy Goethe-Institut
Anknüpfungspunkt für den Dialog: Europas Bildungssysteme genießen in der arabischen Welt ein historisches Grundvertrauen.

​​ wird der Kulturdialog mit der islamischen Welt mit Erwartungen überfrachtet, die er nicht einlösen kann. Zum zweiten würden Kultur und Bildung aus dem Westen, wenn sie in den Verdacht gerieten, in dieser Weise instrumentalisiert zu werden, in der islamischen Welt bald ebenso an Glaubwürdigkeit verlieren wie andere Bereiche der Außenpolitik.

Was kann Kulturdialog in diesem Sinne zwischen Europa und der islamischen Welt also leisten? Kultur- und Bildungsaustausch kann weder das sozio-ökonomische Gefälle zwischen Nord und Süd beseitigen noch Probleme, die aus politischen Konstellationen entstanden sind.

Ein Künstleraustauschprogramm löst nicht den Palästinakonflikt. Er kann keine korrupten und reformunwilligen Regime beseitigen noch Extremisten bekehren, die gewaltbereit sind – unter kurzfristigen sicherheitspolitischen Erwägungen also eine recht ernüchternde Bilanz.

Beitrag zu Reformprozessen in der arabischen Welt

Doch Kulturdialog kann vieles mehr: Er garantiert jenseits der Politik, dass Europa und der Nahe Osten auch in schwierigen Zeiten in engem Austausch stehen. Er hält Kommunikationskanäle offen und ermöglicht beiden Seiten, sich über ihre Ansichten und Wertvorstellungen gewaltfrei, aber durchaus kontrovers auseinanderzusetzen.

Bildungs- und Kulturaustausch trägt zu Reformprozessen in der arabischen Welt bei und ebnet so den Weg zur Wissensgesellschaft. Er stärkt Menschen und Gruppen, die neue Wege zur Entwicklung ziviler Tugenden gehen. Im Dialog erfahren die beiden Seiten mehr voneinander und entwickeln Verständnis und gewaltfreie Wege der Kommunikation.

Kultur und Bildung haben gerade für junge Menschen – in Ägypten beispielsweise sind 60 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt – eine hohe Anziehungskraft und können über die Metropolen hinaus wirksam werden. Betrachtet man dieses langfristige Potenzial von Kulturdialog, wird seine herausragende Bedeutung für das Verhältnis zwischen Europa und der islamischen Welt deutlich.

Karikaturenstreit auch Chance für Annäherung

"Der Kulturdialog mit der islamischen Welt ist gescheitert", verkündeten nach dem Karikaturenstreit einzelne Politiker und Medienvertreter. Sie verkennen, dass Kulturdialoge kein Allheilmittel für Brüche zwischen und innerhalb von Gesellschaften sind, sondern offene Prozesse. Weniger das Ziel steht hier im Mittelpunkt, als der gemeinsame Weg.

Nur wenn die beiden Seiten solche Prozesse gemeinsam bewältigen, können sie nachhaltig voneinander lernen. Auch der Karikaturenstreit ist ein zwar schmerzhafter, aber wichtiger Baustein im Prozess der Annäherung. Er hat zu gewalttätigen Ausschreitungen geführt, aber ebenso zu einer großen Dialogkonferenz, die der populäre ägyptische Prediger Amr Khaled in Dänemark organisiert hat.

Er hat, nachdem sich der erste Rauch der Empörung verzogen hatte, zahlreiche ehrliche und offene Gespräche über Werte und Tabus unserer Gesellschaften angeregt. Und es ist zu vermuten, dass diese gerade Ernsthaftigkeit mit dazu beitrug, dass der Skandal um rechtsradikale dänische Jugendliche, die den Islam verunglimpften, nicht ähnlich aufgebauscht wurde.

Gespräche und Konferenzen sind ein Teil des Dialogs mit der islamischen Welt. Doch wirksamer ist es, wenn sich Einzelne und gesellschaftliche Gruppen langfristig und in gemeinsamer Kooperation begegnen.

Dialoginitiativen

Vierzehn deutsche und arabische Schriftsteller, die im Internet-Tagebuch (www.goethe.de/midad) aus deutschen und arabischen Städten berichteten, die Frauen-Fußballerinnen des TSV-Ludwigsburg, die gemeinsam mit der ägyptischen Frauennationalmannschaft trainierten oder die jugendlichen Nutzer der deutsch-arabischen Internet-Seite Li-Lak (www.goethe.de/li-lak).

Johannes Ebert,  Direktor des Goethe-Institus in Kairo; Foto: &copy Goethe-Institut
Federführend an der Arbeit im Bildungs- und Kulturbereich in Ägypten beteiligt: Johannes Ebert, Direktor des Goethe-Institus in Kairo.

​​In der Begegnung mit dem Anderen gewinnen sie neue, konstruktive Erfahrungen und tragen sie in ihr Umfeld. Stipendien- und Übersetzungsprogramme, gemeinsame Produktionen von Filmemachern oder bildenden Künstlern, Austausch von Schülern oder Journalisten, der Unterricht der deutschen Sprache und viele weitere Aktivitäten der Goethe-Institute, des DAAD, der deutschen Schulen, des Instituts für Auslandsbeziehungen und anderer. Das sind wichtige Ansätze im Dialog zwischen der arabischen Welt und Europa.

Doch wenn wir langfristig das Potenzial von Bildung und Kultur in der Begegnung mit der arabischen Welt nutzen wollen, müssen wir diese Ansätze verstärken. Die deutsche Nachkriegsgeschichte zeigt uns am Beispiel der Aussöhnung mit Frankreich, dass Kulturdialoge Feindbilder abbauen können.

Sicher ist es angesichts der wesentlich größeren gesellschaftlichen und weltanschaulichen Unterschiede unrealistisch, im Verhältnis zur arabischen Welt den gleichen Grad der Annäherung zu erwarten wie an den westlichen Nachbarn. Doch war dieser Erfolg 1945 absehbar?

War die Kluft in Europa damals nicht viel tiefer als zwischen den Nord- und den Südländern des Mittelmeers heute? Haben nicht Mut und Weitsicht dazu geführt, dass Politiker beider Seiten Ressourcen und Menschen mobilisierten, um dieses kühne Projekt der Versöhnung zweier historischer "Erbfeinde" in Angriff zu nehmen – und dabei nicht nur der wirtschaftlichen Verflechtung und politischen Konferenzen zu vertrauen, sondern auch den Kräften des kulturellen Dialogs und des Jugendaustauschs?

In einer globalisierten Welt, in der das Südufer des Mittelmeers nicht weiter entfernt ist als das Westufer des Rheins, sind wir angesichts eines gefährlichen Auseinanderdriftens der Kulturen auf ähnlichen Mut, Optimismus und Weitsicht angewiesen. Zu einem intensiven und mit größeren Ressourcen versehenen Austausch mit der arabisch-islamischen Welt in den Bereichen Kultur und Bildung haben wir deshalb keine Alternative.

Johannes Ebert

© Johannes Ebert 2007

Johannes Ebert ist bis März 2007 Direktor des Goethe-Instituts in Kairo und Regionalbeauftragter Nahost/Nordafrika.

Qantara.de

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www

  • Goethe Institut Jugendwebsite Li-Lak
  • Deutsch-arabisches Literaturforum Midad