Kreative Variationen zum Thema Verschleierung

Die Modedesignerin Susanne Kümper hat den Fachbereich Mode an der Helwan Universität in Kairo aufgebaut. Die gewagtesten Entwürfe kommen nicht selten von ihren streng gläubigen Mitstudentinnen, sagt sie. Ute Meinel berichtet.

Foto: Deutsche Botschaft Kairo
"Young Fashion - made in Egypt"

​​Das Spannungsfeld zwischen Innen- und Außenwelt ist das Thema, das eine deutsche Mode-Designerin in immer neuen Variationen mit ihren ägyptischen Studenten bearbeitet. "Wir befassen uns mit Verhüllung, und das führte automatisch zum Thema Verschleierung muslimischer Frauen", sagt Susanne Kümper.

Die engagierte Dozentin hat den Fachbereich Mode an der Fakultät der angewandten Künste der Helwan Universität in Kairo aufgebaut. Die meisten ihrer Studentinnen kommen aus der Mittelschicht, und mittlerweile sind sie fast alle verschleiert.

Was zählen äußere Werte?

Mit der klassischen Fragestellung "Wer bin ich in meinen Augen, und wie präsentiere ich mich nach Außen?", wollte Kümper ihre Studenten dazu motivieren, zu einer eigenen künstlerischen Aussage zu finden. Das ist ihr gelungen, und die Ergebnisse sind erstaunlich.

"Gerade die Studentinnen, die am strengsten verschleiert sind, machen oft die gewagtesten Entwürfe und erschaffen wahre Farbenexplosionen", betont sie. Die Diskrepanz zwischen Innen und Außen könnte kaum größer sein. Vielleicht, so Kümper, reflektieren sich darin die Kontraste der Nil-Metropole, die orientalisch ist und doch verwestlicht, und in der bittere Armut und protzigster Reichtum Seite an Seite leben.

"Der Kreativunterricht war zuerst eine Katastrophe", erzählt die 37-Jährige lachend. Die Studenten seien vom ägyptischen Erziehungssystem darauf getrimmt worden, die Erwartungen des Lehrpersonals zu erfüllen.

"Alles, was von Innen kommt, ist gut…"

"Ich habe gesagt, dass alles, was aus ihnen rauskommt gut ist, aber da hatten wir Verständigungsprobleme." Erst ein internationaler Workshop mit freien Künstlern, bei dem mit verschiedensten Materialien experimentiert wurde, brachte den Durchbruch. Viele Studenten waren danach in der Lage, auf die innere Aussagekraft zu vertrauen.

Einige von Kümpers ehemaligen Schülern arbeiten heute erfolgreich als Mode-Designer in Ägypten.

Kümpers Stelle wird vom Centrum für Internationale Migration und Einwicklung (CIM) bezuschusst. Damit wird das Ziel verfolgt, den ägyptischen Markt mit neuen Talenten für die heimische Textilindustrie zu versorgen, damit diese auf dem globalen Markt besser bestehen kann.

Darüber hinaus hat Kümper Sponsoren gefunden, so dass sie in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Workshops organisieren konnte, die in Ausstellungen oder Kostümpräsentationen mündeten. Die jungen Modeschöpfer sollten so die Gelegenheit bekommen, ihre Kreationen öffentlich zu präsentieren und ihre Vorstellungen ohne Gedanken an Kommerz in künstlerischer Form nach außen zu kehren.

Die letzte Modenschau wurde am 10. Juni unter dem Titel "cover & uncover" zu orientalischer Jazzmusik im Garten des Goethe Instituts Kairo präsentiert. Die fast ironischen Kreationen zum Thema Schleier erinnerten an Schutzmasken von Imkern. Ebenso spielerisch wurden hauchdünne schwarze Umhänge eingesetzt, unter denen figurbetonte Kleider zum Vorschein kamen, die dazu einluden unter die Röcke zu schielen, die von Innen mit Pailletten bestickt waren.

Schleier wurden jedoch bald in originelle Körper-Drapierungen umgewandelt, bis auch jene zugunsten von sexy Abendmode fallen gelassen wurden. Alle Kleider, mitsamt Details und Accessoires, wurden von den Studenten selbst gemacht.

"Unsere Kleidung ist unsere zweite Haut"

"Kleidung ist eine universelle Sprache, unsere zweite Haut, mit der wir Signale an unsere Umwelt senden, und um damit zu einer kreativen Aussage zu finden, muss man Farbe bekennen", sagt Kümper.

Sie findet es beklagenswert, dass der soziale Druck auf junge Frauen in Ägypten in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Unverschleierte Studentinnen seien in der Universität häufig von ihren Kommilitonen angefeindet und verbal bedroht worden, erzählt sie.

"Viele halten das nicht aus, und wenn sie sich dann verschleiern, kann man zugucken wie schnell sie sich verändern." Die verschleierten Studentinnen seien passiver, verschlossener und verlören an Spontaneität. Das Streben nach Anerkennung als "fromme Frau" ersetze oft jugendliche Opposition und beruflichen Ehrgeiz. Kümper dazu: "Das treibt mir die Tränen in die Augen."

Die Schau, bei der auch Entwürfe gezeigt werden, soll im September zum Stadtkirchentag in Bremen zu sehen sein. Studenten, die an Workshops in Kairo teilgenommen haben, werden in die Hansestadt reisen und hoffen darauf, mit jungen deutschen Mode-Designern ins Gespräch zu kommen. Eine von Auswärtigem Amt und CIM finanzierte Dokumentation des Gesamtprojekts soll zur Frankfurter Buchmesse bei der Arnoldschen Verlagsgesellschaft als Kunstbuch erscheinen.

Ute Meinel, © Qantara.de 2004