Christlich-islamischer Dialog auf dem Prüfstand

Aiman Mazyek, Medienberater und Chefredakteur von islam.de, kritisiert den ins Stocken geratenen interreligiösen Dialog in Deutschland und zeigt Wege auf, wie dieser sinvoll erneuert werden könne.

Moschee und Kirchen, Foto: AP
Um den interreligiösen Dialog aus der Sackgasse zu führen müssen Christen und Muslime wieder aktiv miteinander sprechen, als allein über die Medien zu kommunizieren

​​Es gibt wohl kaum eine andere Religionsgemeinschaft in Deutschland, die sich so deutlich und so oft von religiös motivierter Gewalt distanziert hat wie die muslimische. Trotzdem fordert der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, immer wieder die Muslime auf, sich von Gewalt zu distanzieren, zuletzt anlässlich der Bekanntmachung der EKD-Synode im November.

In der Abschlusspressekonferenz drückte der Vorsitzende zudem sein Verständnis aus, dass Toleranz nicht mehr weiterführe, da in Anknüpfung an die "Lessingsche Ringparabel" die Konfrontation mit der Wahrheitsfrage aus dem Dialog ausgeklammert wird. Huber forderte vehement ein "eigenes Profil" der Kirche, das "deutlich herausgestellt werden" sollte – nicht zuletzt in Abgrenzung zu anderen Religionen.

Christlich-islamischer Dialog in der Sackgasse

Sind dem christlich-islamischen Dialog die Themen ausgegangen oder befindet er sich gar in der Sackgasse? In der Tat knirscht es im Gebälk des evangelisch-islamischen Dialoges. Gemäßigte und moderate Kräfte auf beiden Seiten haben wohl derzeit das Nachsehen.

Man wird zudem angesichts jener Aussagen das Gefühl nicht los, dass es dem einen oder anderen Kirchenvertreter manchmal mehr um öffentliche Inszenierung als um das Gespräch mit den Muslimen geht.

Das schafft kein gegenseitiges Vertrauen, jener Kitt, der so nötig ist, die wirklich kritischen Fragen gemeinsam zu diskutieren. Dazu kommt, dass oft Muslime im Gespräch mit ihren christlichen Gesprächsteilnehmern oft nur die Vorzeigeseite der muslimischen Religion präsentieren.

Sie haben Schwierigkeiten, die oft miserablen Umstände, in denen sich viele muslimische Gesellschaften befinden, und das Unrecht, welches im Namen der Religion begangen wird, offen zu benennen.

Keine Alternative zum Dialog

Der Präsident der Fédération Protestante, Jean-Arnold de Clermont, sagte vor kurzem auf einer gemeinsamen christlich-islamischen Tagung in Paris, dass der Weg eines europäischen Dialogs zwischen Muslimen und Christen weiter beschritten werden muss, wenn es eine gemeinsame christlich-islamische Zukunft geben soll. Auch der Vize-Präsident der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christian Drägert, stimmte dieser Ansicht zu, dass es zum Dialog keine Alternative gebe.

Doch in welche Richtung sollten zukünftig die Dialogbemühungen gehen? Einfach so weiter zu machen ist jedenfalls sicherlich nicht ratsam. So könnte der ins Stocken geratene Dialog zwischen Christen und Muslimen möglicherweise durch einen mehr praktischen als akademischen Dialog wieder an Fahrt gewinnen.

Denn schließlich ist der akademische Dialog nicht die alleinige Variante des Gespräches zwischen Christen und Muslimen. Immer notwendiger werden gemeinsame Taten an Stelle von Papier, Studien und Erklärungen.

Wichtiger ist daher weniger das ausschließliche Gespräch unter Theologen – die weiterhin natürlich die Grenzen und Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten der beiden Religionen schärfen sollten – als vielmehr den Dialog als Forum von Menschen zu begreifen, die bereit sind, in der Gesellschaft gemeinsam Verantwortung zu tragen.

Zudem sollte der Dialog auf gleicher Augenhöhe geführt werden. Das heißt, dass in Zukunft wieder mehr miteinander gesprochen als über die Medien kommuniziert werden müsste. Man sollte genauer zuhören, was die andere Seite zu sagen hat. Dann könnte der Dialog in der Tat an Vertrauen zurückgewinnen.

Dialoggrenzen benennen

Der Dialog sollte auch die Grenzen aufzeigen und vorsichtig eine Hermeneutik beschreiben, die so formuliert werden kann: "Lasst uns zusammen kommen mit dem Wissen, den anderen niemals genau so verstehen zu können und zu müssen, wie er sich selber versteht und wahrnimmt!"

Dadurch entsteht mehr Gelassenheit und Vertrauten. Eigenschaften, die in der Hitze des Gefechtes in der letzten Zeit etwas verloren gegangen zu sein scheinen.

Zudem können Muslime von kirchengeschichtlichen Prozessen und Erfahrungen ihrer christlichen Gesprächsteilnehmer viel lernen. Zum Beispiel ist es bedeutsam, wie der deutsche Protestantismus die demokratischen Grundrechte, die Menschenrechte und die weltanschauliche Neutralität des Staates im letzten Jahrhundert anerkannte.

Diese Kenntnis der Geschichte seitens der Muslime könnte sie dazu ermuntern, eigene ungeklärte Fragen vor dem Hintergrund kirchenpolitischer Erfahrungen besser zu begreifen und sich für ihre eigenen Entwicklungsprozesse mehr Zeit zu lassen.

Wenn diese – sicherlich nicht erschöpfenden – Punkte künftig an so wichtigen Plätzen und Foren wie in Kirchen, in Moscheen, auf den Strassen und im Campus sowie nicht zuletzt in den Akademien dieser Welt bei den Gesprächen und Debatten Beachtung finden, könnte jedem deutlich werden: Dialog bedeutet Friedensarbeit und keine Naivität.

Aiman A. Mazyek

© Qantara.de 2005

Der Autor ist Publizist und Medienberater, u.a. Chefredakteur von islam.de sowie stellvertretender Vorsitzender der von ihm und Rupert Neudeck gegründeten Hilfsorganisation Grünhelme.

Qantara.de

Aiman Mazyek:
Unter Generalverdacht
Angesichts einer schärfer geführten Diskussion über Leitkultur und Integrationsfähigkeit von Muslimen, sind viele moderate islamische Organisationen wachsenden Anfeindungen und Rechtfertigungszwängen ausgesetzt, meint Aiman Mazyek in seinem Kommentar.

Dossier: Dialog der Religionen
Das interreligiöse Gespräch ist immer noch mit allerlei Problemen behaftet, aber es gibt, gerade im Kleinen, doch eine Reihe bemerkenswerter Initiativen - auch im 'Trialog' der drei abrahamischen Religionen Judentum, Christentum, Islam (der Islam bezeichnet sie als Religionen des 'Buches').